Gute Vorsätze:Bloß nicht müssen müssen

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Motivation gleich null: Die Steuererklärung ist für viele eine lästige Pflicht, die gern aufgeschoben wird. (Foto: Imago Stock&People)

Zum Jahresanfang gibt es viele Vorsätze, die wenigsten werden bis Jahresende umgesetzt. Doch es gibt da einige Tricks, wie man sich für unliebsame Aufgaben motivieren kann.

Von Ines Alwardt

Eigentlich wäre man ja lieber unbeschwert ins neue Jahr gestartet, ohne diesen ganzen Ballast. Man hätte die Steuererklärung, die noch immer als Zettelwirtschaft auf einen wartet und ein Enge-Gefühl in der Brust auslöst, wirklich gerne rechtzeitig abgegeben. Genau wie das Konzept für das Projekt, das Mitte Januar beginnen soll. Aber irgendwie hat das alles nicht geklappt. Mal wieder. Neues Jahr, altes Problem.

Es ist immer das Gleiche. Zum Jahresende häufen sich die Aufgaben, die viele Menschen als unangenehm empfinden und die sie deshalb nur sehr ungern tun. Aufgaben, die oft ziemlich langweilig sind, schon lange erledigt sein sollten, es aber noch immer nicht sind. Weil sie dem Menschen keinen unmittelbaren Nutzen bringen und er sie eben auch aufschieben kann: der rumpelige, muffige Keller, der längst aufgeräumt sein sollte, das überquellende Mail-Fach, das endlich mal sortiert und geleert sein sollte, der alljährliche Neujahrsanruf bei der Tante, die nie aufhört zu reden. Dinge wie diese schiebt der Mensch gern vor sich her.

Das Problem ist nur: Am Ende leidet man unter all diesem unerledigten Zeug. Die Antworten sind schon da, bevor man sich die Frage, wieso das alles eigentlich nicht geklappt hat, überhaupt stellen kann. Zu faul, zu träge, zu unorganisiert, sagt das Gewissen. Die Vorwürfe kommen ganz von selbst: Hätte man doch bloß rechtzeitig angefangen! Hätte man sich doch bloß nicht die ganze Zeit ablenken lassen! War's das mit dem unbeschwerten Start ins neue Jahr?

Nicht ganz. Denn dass Menschen Dinge aufschieben, ist normal. Zumindest, solange dieses Aufschieben nicht pathologisch wird und dazu führt, dass ein normales Leben unmöglich wird. Jeder Mensch schiebt Dinge auf. Und jeder Mensch, sagen zumindest Coaching-Experten, kann etwas dagegen tun.

Aber nicht alle Menschen ticken gleich. Der analytische Typ liebt Listen, Strukturen und Kalender, in die er Termine eintragen kann. Ein anderer lebt am liebsten im Chaos, hasst To-do-Zettel, seine Steuererklärung macht er regelmäßig am letzten Tag des Jahres.

Cordula Nussbaum kennt sie alle. Seit Jahren arbeitet sie als Coach, für Unternehmen, Angestellte und Organisationen, und trainiert mit ihnen ein kreativ-chaotisches Zeit- und Selbstmanagement. Sie ist eine von zahlreichen Beratern, die in Kursen und Onlineseminaren Menschen beibringen, wie sie sich und ihr Leben besser organisieren und anpacken können. In einer Gesellschaft, in der jeder besser, schneller und individueller sein soll, ist Motivation der Motor für langfristigen Erfolg.

Nussbaum sagt: "Wichtig ist erst einmal, dass man erkennt, was für ein Typ man ist." Nur dann sehe man, welche Methoden sich für die eigene Motivation eignen. Oft ist das für viele schon eine Erleichterung, wenn sie merken, dass manche Aufgaben einfach nicht ihren Talenten entsprechen und es nicht an ihrer Faulheit oder ihrer Intelligenz liegt, wenn diese Dinge unerledigt bleiben, meint die Expertin.

"Wenn ich erst einmal angefangen habe, ziehe ich es auch durch. Das klappt in 99 Prozent der Fälle."

Wer sich motivieren will, braucht individuelle Methoden. Nicht für jeden ist die altbewährte Aufgabenliste die richtige. "Listen klingen für viele Leute immer so, als müssten sie sich abarbeiten", sagt Nussbaum. Das Gefühl, eine Pflicht erfüllen zu müssen, wirkt gerade auf kreative, gefühlsgesteuerte Menschen eher abschreckend. Trotzdem gilt: Aufschreiben bringt Klarheit, es muss ja keine Liste sein. Nussbaum rät zu einer To-do-Sammlung. Ein Schuhkarton mit Zetteln, eine Bilder-Collage, ein Buch oder eine Lostrommel - wie die Sammlung aussieht, kann jeder für sich entscheiden. "Daraus kann man sich dann die Aufgabe raussuchen, die in dem Moment wirklich Sinn macht."

Wer einfach nur darauf wartet, dass die Motivation von allein kommt, hat meistens Pech. Und braucht für die Aufgabe dann wesentlich mehr Zeit. Motivation entsteht nicht einfach so. Wer keinen Grund hat, etwas Bestimmtes zu tun, sich zu bewegen, kann sich nur schwer motivieren. Und für unangenehme Dinge wie die Steuererklärung gibt es nur selten ein persönliches Motiv.

Cordula Nussbaum rät zu spielerischen Methoden. Sie lässt ihre Klienten beispielsweise Aufgaben in Kategorien einsortieren: ekelhafte Aufgaben, solche, die schon lange auf der unerledigten Liste stehen, und solche, die die eigenen beruflichen Ziele vorantreiben. Willkürlich werden sie im Kalender verteilt und erinnern an dem jeweiligen Tag an die Möglichkeit, heute eine der Aufgaben zu erledigen. "Wichtig ist, dass das keine Pflicht ist", sagt Nussbaum.

Der Alltag besteht schon aus genug Pflichten. Da fällt es schwer, sich auch in der Freizeit Termine zu setzen. Aber genau das ist notwendig, wenn es um unliebsame Aufgaben geht. "Will ich meinen Keller ausmisten, trage ich das in meinen Planer ein", sagt Nussbaum. Rückt der Tag näher, und wird das Unbehagen größer, helfe es, sich klarzumachen, dass man selbst diese Aufgabe erledigen wolle, niemand sonst. Eine gute Möglichkeit sei es, sich mit anderen dazu zu verabreden, dann ist die Verbindlichkeit höher.

Hartnäckige Zweifler, die in solchen Situationen erstarren, sich in ihren Gedanken verheddern oder sich mit Blumengießen und anderen Tätigkeiten von der eigentlichen Aufgabe drücken, rät Nussbaum, einfach mal anzufangen, und wenn es nur ein paar Minuten sind. "Die Erfahrung zeigt, wenn ich erst einmal angefangen habe, ziehe ich es auch durch. Das klappt in 99 Prozent der Fälle", sagt sie.

Und wenn etwas mal nicht klappt? Kein Problem. "Wir sind oft viel zu streng mit uns selbst", sagt die Expertin. Auch weil uns die Gesellschaft so manche Vorstellung aufzwinge. Ein geordnetes Mail-Fach ist schließlich nicht lebensnotwendig. Warum es also nicht einfach lassen. Oder an andere abgeben, die daran Spaß haben. "Wichtig ist einfach, zu akzeptieren, wie man ist und dass der andere ein anderer Mensch ist."

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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