Großbritannien:Darlings neue Bankenwelt

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Schrumpfkur für Lloyds und die Royal Bank of Scotland: Die Institute werden drastisch zurechtgestutzt - zugleich kündigt die britische Regierung weitere Hilfen an.

Andreas Oldag, London

Der britische Finanzminister Alistair Darling hat einen ehrgeizigen Plan zur Neuordnung des Bankenmarktes verkündet. Die teilverstaatlichten Großbanken Royal Bank of Scotland (RBS) und Lloyds Banking Group müssen in den nächsten zwei bis drei Jahren erhebliche Teile ihres Geschäfts verkaufen. Zugleich will Darling 30 Milliarden Pfund (33 Milliarden Euro) an weiteren Hilfen bereitstellen.

Londoner Finanzzentrum Canary Wharf: Die Banken werden von der Regierung zurechtgestutzt. (Foto: Foto: getty)

Als Gegenleistung haben die Institute zugesagt, Bonusleistungen für Manager künftig stärker zu begrenzen. "Wenn wir das alles nicht machen, würde das System in sich zusammenbrechen. Dann hätten wir das totale Chaos", warnte der Labour-Politiker in London. Premierminister Gordon Brown äußerte sich optimistisch, dass die öffentlichen Gelder zugunsten der Banken langfristig in den Staatshaushalt zurückfließen. Am Ende würden "die Banken dem Steuerzahler mehr überweisen als umgekehrt", meinte der Premier.

Indes hat sich auch Bundesbank-Präsident Axel Weber in die Debatte um die Neuordnung der europäischen Bankenbranche eingemischt. Er warnte davor, Banken und Finanzmärkte mit einer zu raschen Einführung höherer Eigenkapitalanforderungen unter Druck zu setzen. "Die Stärkung der Eigenkapitalbasis der Banken ist sicherlich die wichtigste, aber zugleich auch die schwierigste Aufgabe auf der regulatorischen Reformagenda", erklärte Weber in Luxemburg.

Verkauf von Geschäftsbereichen

Infolge der öffentlichen britischen Hilfen erhöht sich der Staatsanteil an RBS von derzeit gut 70 auf 84 Prozent. Der Finanzkonzern mit Hauptsitz im schottischen Edinburgh nimmt weiterhin an einem staatlichen Programm zur Absicherung fauler Wertpapiere teil. Insgesamt soll die Bank weitere Hilfsgelder in Höhe von 25,5 Milliarden Pfund erhalten. Lloyds scheidet dagegen aus dem Programm aus. Die Bank plant eine Kapitalerhöhung von 13,5 Milliarden Pfund.

Davon übernimmt der Staat 5,7 Milliarden Pfund. Der Staatsanteil beläuft sich bei Lloyds derzeit auf 43 Prozent. "Die Gruppe hat in den vergangenen Monaten eine starke Leistung gezeigt", erklärte Lloyds-Chef Eric Daniels. Lloyds hatte sich allerdings in der Finanzkrise mit der von der Labour-Regierung unterstützten Übernahme des Konkurrenten HBOS verkalkuliert. RBS und Lloyds sollen sich nun von erheblichen Bereichen ihres Geschäfts trennen.

Dabei geht es vor allem um bis zu 900 Filialen. RBS soll sich sowohl vom Versicherungsgeschäft als auch von Teilen des Rohstoffhandels trennen. Angeblich könnte sich hierfür auch der deutsche Allianz-Konzern interessieren, hieß es Londoner Branchenkreisen. In Deutschland will RBS auf jeden Fall weiterhin tätig bleiben.

Nach wie vor gilt RBS als größter Problemfall in der britischen Bankenbranche. Unter dem früheren Chef Fred Goodwin hatte sich das Institut bei der Übernahme des niederländischen Konkurrenten ABN Amro verhoben. Nach Meinung von Branchenkennern stand RBS im vergangenen Jahr vor der Pleite. Goodwin wollte RBS zu einem der global führenden Finanzkonzerne ausbauen.

Käufer gesucht

Als Sonderfall gilt dagegen der bereits zu 100 Prozent verstaatlichte Baufinanzierer Northern Rock. Das Institut hat zwar nicht die Größe, um den gesamten Bankenmarkt in den Abgrund zu reißen. Doch es ist für Labour aus politischen Gründen wichtig, weil viele Kleinsparer ihr Geld bei Northern Rock angelegt haben. Das Institut soll jetzt ebenfalls aufgespalten werden. Mit seinen Plänen reagiert London auf den Druck der EU-Kommission. Die Brüsseler Wettbewerbshüter haben Bedenken wegen der zu großen Marktmacht von Lloyds und RBS.

Für die Labour-Regierung geht es jetzt darum, Kaufinteressenten für die abgespaltenen Geschäftsbereiche zu finden. Dem Vernehmen nach haben die Supermarktkette Tesco und die Virgin-Gruppe des Unternehmers Richard Branson Interesse. Sie könnten sich dann etwa zehn Prozent zusätzlich am Privatkunden-Geschäft auf der Insel sichern. Ins Spiel könnten jedoch auch große Kapitalbeteiligungsgesellschaften aus den USA wie beispielsweise Blackstone kommen. "Wir schaffen mehr Wettbewerb im Banksektor und sorgen dafür, dass unsere Banken auf solidem Fundament stehen", erklärte Premierminister Brown.

Gewerkschaften fürchten indes, dass durch die Zerschlagung der beiden Banken 25 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Die Opposition im Unterhaus kritisierte, die neuen Hilfen seien noch größer als die des Vorjahres. Es gebe aber immer noch keine Garantie, dass die Kreditvergabe wieder fließt.

© SZ vom 04.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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