Griechenland-Krise:Lasst die Griechen bloß im Euro

Die Schuldenkrise treibt auf ihren Höhepunkt zu, vom Stammtisch tönt die knackige Parole: "Schmeißt die Griechen aus dem Euro!" Das ist eine unsinnige Forderung, und doch weist sie auf einen wichtigen Punkt hin: Die Politiker müssen die Kritik an der Einheitswährung endlich wahrnehmen und mit offenen Karten spielen. Den Ausweg aus dem Schuldenchaos können nur sie finden - denn sie haben das Desaster angerichtet.

Marc Beise

Es klingt wie eine finanzpolitische Spielart der gegenwärtig so beliebten Nimby-Attitüde. "Not in my backyard", nicht in meinem Garten, so könnte man die Ankündigung des neuen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann missverstehen, die Notenbanken wollten keine weiteren Risiken übernehmen. Griechenland muss gerettet werden, aber die Europäische Zentralbank gibt kein Geld mehr - passt das zusammen?

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Als die Welt für Griechenland noch in Ordnung schien: Eine Euro-Sonderprägung zu den olympischen Spielen in Athen 2004. Jetzt steuert die Schuldenkrise auf ihren Höhepunkt zu.

(Foto: AFP)

Es passt. Ausgerechnet der Spitzenbeamte Weidmann denkt wie ein Parlamentarier. Er will dem Gesetzgeber zurückgeben, was ihm gebührt: die Hoheit über die Finanzen. Weil die Regierenden in Europa sich das nicht zutrauten, weil sie lange keinen Plan hatten, wie man die Krise meistern sollte, schlüpfte die EZB in die Rolle des Griechenland-Financiers. Die EZB, der IWF, der Europäische Rettungsfonds, sie alle bestimmen die Griechenland-Rettung, obwohl sie dafür kein Mandat des Volkes haben. Das Verfahren kann aber nur gelingen, wenn jede Institution wieder die ihr zustehende Rolle einnimmt. So müssen die Notenbanken zum Beispiel zurück in die Rolle des unerbittlichen Hüters der Geldwertstabilität. Den Ausweg aus dem Schuldenchaos dagegen muss die Politik finden. Jene Politik, die das Desaster angerichtet hat.

Noch ist Zeit für ein Umsteuern, aber der Euro ist in seiner bisher kritischsten Phase: Er verliert die Legitimation im Volk. Die selbsternannte Rettungselite in Brüssel, die über die Widerstände die Nase rümpft, will das nicht wahrhaben. "Stammtisch!", lautet ihr Verdikt, als ob die Kritik deshalb an Kraft verlieren würde. Die Retter täten gut daran, von nun an mit offenen Karten zu spielen. Sie müssen klar die Nachteile einer Währung benennen, die über einen ziemlich disparaten Wirtschaftsraum gespannt worden ist. Nur dann nimmt man ihnen auch die Vorteile des Euro ab, die wirtschaftlich, vor allem aber (friedens-)politisch begründet sind. Von dieser Gemeinschaft hat besonders Deutschland profitiert, das als Hort der Stabilität jetzt sogar an der Krise verdient.

Zugleich muss die Euro-Rettung bis zum Ende konzipiert werden. Dabei sind zuerst die Griechen selbst gefordert. Sie müssen, so weh es tut, noch viel mehr Opfer bringen. Zweitens wird das nicht langen, eine Umschuldung muss helfen. Drittens braucht es ein großes Wiederaufbauprogramm, so wie den Marshallplan für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg (auch daran werden die Deutschen verdienen).

Viertens und vor allem muss die akute Rettungsaktion in eine große Reform eingebettet werden. Griechenland ist ja nur der Anfang. Ohne eine Härtung des Stabilitätspaktes, ein System gegen unseriöse Finanzpolitik darf es keinen permanenten Rettungsmechanismus geben, keine Aufstockung des Rettungsschirms, kein neues Geld für Griechenland.

So und nur so kann und muss die große Krise bewältigt werden, nicht mit einem plumpen "schmeißt die Griechen aus dem Euro".

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