Griechenland in der Krise:Angriff auf den Euro

Remmidemmi um Athen: Erst wollten die "streitbaren Vier" den Euro mit aller Gewalt verhindern, nun planen sie eine Verfassungsklage - falls EU-Milliarden nach Griechenland fließen.

M. Balser u. M. Zydra

Lange war es ruhig um Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty. Die Wirtschaftsprofessoren hatten in den neunziger Jahren gemeinsam gegen die Einführung des Euro gekämpft. Zusammen mit dem Juristen Karl-Albrecht Schachtschneider und dem ehemaligen Zentralbankrat Wilhelm Nölling zogen sie unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit bis vors Bundesverfassungsgericht, um den Euro zu verhindern - allerdings vergebens. Nun rufen Hankel und Starbatty ihre damaligen Mitstreiter erneut zu den Fahnen. Wenn die EU und damit auch Deutschland dem hoch verschuldeten Griechenland helfen sollte, wollen die emeritierten Professoren erneut vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Die Ankündigung der Vier fügt sich ein in wachsenden Widerstand gegen EU-Hilfen für den finanziellen klammen Staat im Südosten der Gemeinschaft. Hankel, Starbatty und die beiden anderen Euro-Gegner warnen davor, den Euro um jeden Preis zu retten.

Milliardenhilfen für Athen widersprächen dem Europäischen Recht. "Die EU ist ein Staatenbund und kein Bundesstaat", sagte Hankel der Süddeutschen Zeitung. Deshalb dürfe es auch keinen Finanzausgleich zwischen den einzelnen Ländern geben. Mit Hilfen für Griechenland verletze die EU das so genannte "Bail-Out"-Verbot. Bundesregierung und EU-Kommission haben bislang zwar gar keine Milliardenhilfen an Griechenland beschlossen, dennoch gilt als ausgemacht, dass im Ernstfall die Gelder fließen. "Europa wird Griechenland helfen, sich selbst zu helfen", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi und fügte hinzu: "Es ist möglich, dass dafür Geld benötigt wird."

Wenn der Pakt langsam aufweicht

Der Volkswirt und frühere Präsident der Hessischen Landesbank Wilhelm Hankel warnt seit Jahren davor, dass ärmere Mitgliedsstaaten ihre Haushaltsprobleme nicht lösen könnten und der Stabilitätspakt so langsam aufgeweicht würde. "Der Deutsche Bundestag hat 1992 aber beschlossen, dass die künftige europäische Währung so stabil sein und bleiben muss wie die Deutsche Mark", sagt Hankel. Außerdem habe sich Deutschland verpflichtet, jeden Versuch zu unterbinden, die Stabilitätskriterien aufzuweichen. Man müsse die Politik deshalb an ihre Pflicht erinnern. "Die gemeinsame Währung ist eine Subvention Europas durch den deutschen Steuerzahler", so Hankel. "Wenn Deutschland finanziell nicht mehr kann, bricht das Euro-System zusammen." Er gehe davon aus, dass nicht nur Griechenland, sondern auch Portugal, Spanien, Irland und Italien bald EU-Hilfe benötigen.

Auch der Tübinger Ökonom und Euro-Kritiker Joachim Starbatty erwartet ein Scheitern der Währungsunion. "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", sagt Starbatty der SZ. Hilfen für Griechenland könnten den Euro nicht retten. "Sie würden die Krise nur verlängern. Ein Scheitern der Währungsunion ist unausweichlich. Wir dürfen gutes Geld schlechtem nicht noch hinterherwerfen." Die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands habe seit der Einführung des Euro stark nachgelassen. "Eigentlich müssten die Griechen ihre Währung um 40 Prozent abwerten."

Vor der Euro-Einführung konnten die Länder Europas ihre nationale Währung abwerten, Einfuhren so verteuern und Exporte verbilligen, um ihre Wirtschaft zu stimulieren. Die Währungsunion zwingt sie nun zu einem radikalen Sparkurs, was politisch regelmäßig hoch umstritten ist. Euro-Gegner Starbatty befürwortet eine Aufspaltung der Eurozone in eine Gruppe stabiler Länder wie Deutschland und die Niederlande und eine Gruppe der Defizitsünder, in der sich Staaten wie Spanien, Italien, Portugal, Griechenland und Irland finden würden.

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