Griechenland:Das Spiel mit der Angst

Griechische Anleihen locken mit hohen Renditen. Im Staatspleitepoker brauchen Anleger aber starke Nerven.

Catherine Hoffmann

An Griechenland scheiden sich die Geister. Die einen fürchten, dass dem Land bald das Geld ausgeht und Anleger besser die Finger von seinen Staatsanleihen lassen. Die anderen sind überzeugt, dass der Pessimismus übertrieben ist und griechische Zinspapiere recht attraktive Renditen bieten.

Die europäischen Partner haben dem kleinen Land mit seinen desolaten Finanzen milliardenschwere Einschnitte abverlangt, damit das Haushaltsdefizit schnell schrumpft. Die Regierung in Athen braucht in diesem Jahr 50 Milliarden Euro, nur um auslaufende Altschulden zu ersetzen, und noch einmal 30 Milliarden, um das Budgetdefizit zu finanzieren.

"In Griechenland tut sich ein Fass ohne Boden auf", glaubt deshalb Hans-Werner Sinn, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. "Es bleibt nur eine offene Abwertung der Währung, und das heißt: Austritt aus dem Euro."

Griechen sind vom Kollaps weit entfernt

Für die Besitzer griechischer Staatsanleihen wäre das eine Katastrophe. Die Kurse würden abstürzen. Im schlimmsten Fall müssten Anleger nicht nur vorübergehende Kursverluste verkraften, sondern dauerhaft auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

"Haircut" nennen Banker verharmlosend diese rabiate Methode, mit der Staaten ein Teil ihrer Schulden abschneiden wie einen alten Zopf. Die Anleihen würden dann nicht mehr zu 100 Prozent zurückgezahlt, sondern zu einem deutlich geringeren Teil.

So schwarz muss die Zukunft aber nicht aussehen, davon gehen auch die Anleger nicht aus. "Schauen Sie sich die Zinsen von Staaten an, die kurz vor der Pleite stehen!", sagt Markus Mezger, Fondsmanager bei Tiberius Asset Management. "Die springen auf 20 Prozent und mehr." Von solchen Horrorszenarien ist Griechenland weit entfernt, das Investoren derzeit 6,4 Prozent Rendite zahlen muss, damit sie ihm zehnjährige Staatsanleihen abkaufen.

Anleihen finden reißenden Absatz

Das ist doppelt so viel wie die Bundesrepublik bietet - und auch weit mehr als für italienische, spanische oder portugiesische Staatstitel zu bekommen ist. Und so hat das Problemland seine beiden jüngsten Anleihe-Serien ohne Schwierigkeiten bei Investoren untergebracht. Die Nachfrage überstieg das Angebot um ein Vielfaches.

Klaus Holschuh, Chefvolkswirt der DZ-Bank rät denn auch zu mehr Gelassenheit in der aufgeheizten Debatte um Griechenland und andere Schuldensünder. "Es ist ganz normal, dass in einer Rezession die Budgetdefizite steigen und verstärkt über die Sicherheit von Staatsanleihen diskutiert wird."

Die Diskussion gebe es in jedem Abschwung, wenn der Staat einen Teil der schrumpfenden privaten Nachfrage ersetze, um die Konjunktur zu stabilisieren. Dann gerieten die Schulden, die damit zwangsläufig verbunden seien, ins öffentliche Bewusstsein. "Die Aufmerksamkeit verschwindet aber schnell, wenn mit dem nächsten Aufschwung das Wachstum zurückkehrt und sich die Haushaltslage einer Regierung verbessert", sagt der Ökonom, der schon viele Auf- und Abschwünge erlebt hat.

Wetten gegen Griechenland sind populär

Wetten gegen Griechenland sind populär

Holschuh erinnert an das Jahr 2000. Damals haben die Auguren in den Banken nachgerechnet, wann es keine amerikanischen Staatsanleihen mehr geben wird, so gut lief die Wirtschaft. Oder Großbritannien: Das Königreich hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Schulden in Höhe von 200 Prozent der Wirtschaftsleistung aufgetürmt - und ging doch nicht pleite; vielmehr gelang eine Konsolidierung.

Heute stehen allerdings beide angelsächsischen Staaten unter verschärfter Beobachtung der Anleger, weil ihre Finanzlage ähnlich bedrückend ist wie die griechische. Großbritannien wies 2009 ein Budgetdefizit von beinahe zehn Prozent der Wirtschaftleistung aus, in diesem und dem nächsten Jahr wird es kaum besser werden.

Das bedeutet, dass die Gesamtschulden in nur drei Jahren um rund 30 Prozent steigen werden, ein gefährliches Tempo. Dennoch wetten Anleger lieber gegen Griechenland als gegen das Königreich oder die USA - aus einem einfachen Grund: "Briten und Amerikaner haben eine Druckerpresse im Keller stehen. Sie können so viele Pfunde und Dollar herstellen, wie sie wollen und werden deshalb kaum zahlungsunfähig", glaubt Holschuh.

Griechenland bringt andere in Gefahr

In Griechenland sieht die Lage schon anders aus. Mangels eigener Notenpresse beugt sich das Land dem Druck der Eurogemeinschaft und der Spekulanten - und spart, um eine Katastrophe abzuwenden. Zur Not stehen ja noch die Eurostaaten mit Hilfskrediten bereit. Auch wenn die Finanzminister offen gelassen haben, wann der Notfall eintritt, wie großzügig die Hilfe ausfällt und zu welchen Bedingungen sie gewährt wird.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die europäische Gemeinschaft Griechenland fallen lässt oder ausschließt, solange die Regierung bereit ist, ihren Haushalt zu konsolidieren", sagt Holschuh. Der Ökonom hält die Hellenen-Bonds deshalb für ein reizvolles Investment, selbstverständlich dürften sie nur einen kleinen Teil im Depot ausmachen.

Sein Kalkül: Europa kann es sich nicht leisten, das kleine Mittelmeerland fallen zu lassen, weil das auch Italien, Spanien, Portugal und wer weiß, wen noch, in Gefahr bringen würde. Der Schaden für alle wäre immens, weil sich Staaten nur finanzieren können, solange Anleger auf die Stabilität von Staatsanleihen vertrauen. Und darauf sind auch die großen Euromitglieder wie Deutschland angewiesen. Stürzt Griechenland, wird jeder fragen: Wer ist der nächste? Und was ist überhaupt noch sicher?

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