Euro-Wechselkurs:Allein gegen die Spekulanten

Die Schweizerische Nationalbank greift zu drastischen Mitteln: Um die heimische Wirtschaft zu retten, legt sie im Kampf gegen die starke Landeswährung eine Höchstgrenze im Verhältnis zum Euro fest. Diese will sie künftig "mit allen Mitteln" verteidigen. Der Schritt hat enorme Bedeutung - nicht nur für die Schweiz.

Hans von der Hagen und Lutz Knappmann

Reisen in Europa waren in den letzten Monaten für die Schweizer zum Vergnügen geworden: Die Stärke des Franken machte Einkäufe in der Euro-Zone spottbillig. Das war die angenehme Seite der massiven Aufwertung des Franken, die Folge der großen Verunsicherung an den Finanzmärkten ist.

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Im Kampf gegen den starken Franken greift die Schweizerische Notenbank nun zu drastischen Mitteln.

(Foto: AFP)

Doch die Industrie des Landes stöhnte, denn ihre Produkte verteuerten sich gewaltig. Zeitweise war das Verhältnis Euro/Franken nicht mehr weit von der sogenannten Parität entfernt: In dem Fall wäre ein Euro einen Franken wert gewesen. Die Politik witterte eine große Bedrohung für die heimische Wirtschaft - und die Schweizerische Nationalbank handelte.

Doch die üblichen Mittel halfen zuletzt nicht mehr: Obwohl die Zinsen faktisch auf null Prozent gesunken waren, ja, Anleger sogar schon Gebühren dafür zahlten, um ihr Geld in Franken anzulegen, stieg die Währung unaufhaltsam.

Darum entschloss sich jetzt die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu einem drastischen Schritt: Sie legte einen Mindestpreis für den Euro fest: Fortan muss ein Euro mindestens 1,20 Franken kosten. Billiger darf die Gemeinschaftswährung nicht mehr werden - aus deutscher Sicht ist nun der Preis des Franken nach oben gedeckelt.

Der UniCredit-Experte Alexander Koch nennt das die "ultimative Waffe". Denn mit der nunmehr anvisierten Höchstgrenze des Franken fährt die SNB ein Geschütz auf, das sie mehr als dreißig Jahre nicht mehr eingesetzt hat. Zuletzt hatte sie im Jahr 1978 eine Obergrenze zur damaligen Deutschen Mark festgesetzt. Seinerzeit konnte die Notenbank zwar die Aufwertung des Franken stoppen, allerdings nur um den Preis einer stark steigenden Inflation. Auffällig ist zugleich die energische Wortwahl der Nationalbank. Sie toleriere ein Absinken des Euro unter 1,20 Franken ab sofort nicht mehr, teilte sie offiziell mit. "Die Nationalbank wird den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen."

Zugleich stellte sie weitere Maßnahmen in Aussicht, falls diese nötig werden sollten. "Der Franken ist auch bei 1,20 pro Euro hoch bewertet und sollte sich über die Zeit weiter abschwächen. Falls die Wirtschaftsaussichten und die deflationären Risiken es erfordern, wird die Nationalbank weitere Maßnahmen ergreifen."

Euro verteuert sich sprunghaft

Der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann lobte den Schritt der SNB. Er bringe Entlastung und Sicherheit, sagte er in einem Interview mit dem Zürcher Lokalsender Radio 24. Die Schweizer Nachrichtenagentur SDA zitiert zudem den Chefökonom des Wirtschaftsdachverband Economiesuisse Rudolf Minsch mit den Worten, dass auch ein Wechselkurs von 1.20 nicht in Stein gemeisselt sei. Bei Bedarf könne er später nach oben angepasst werden. Die Frage laute immer, welchen Kurs die Notenbank durchsetzen könne. Allerdings ein ein Kursziel von 1.40 Franken - wie es der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert - illusorisch.

Der Euro verteuerte sich nach der SNB-Ankündigung binnen weniger Minuten von 1,1250 auf mehr als 1,21 Franken. Später wurden für die Gemeinschaftswährung Kurse um 1,20 Franken bezahlt. Für eine gewöhnlich so gemütliche Währung wie den Franken ist ein derart gewaltiger Kurssturz ein Erdbeben.

"Ultimativer Schritt"

Doch wie lange kann die SNB dem starken Aufwertungsdruck etwas entgegenhalten? Schweizer Politiker hatten spekuliert, dass die Notenbank dafür "Hunderte von Milliarden Franken" ausgeben müsste.

Lutz Karpowitz, Devisenstratege bei der Commerzbank, sagte sueddeutsche.de, dass die "SNB unbegrenzt Euro kaufen und Franken verkaufen kann, denn sie kann ja selbst zusätzliche Franken ausgeben".

Konjunkturpaket für Osteuropa

Damit erhöhe sie zwar die umlaufende Geldmenge, was langfristig ein großes Inflationspotential berge. "Im Falle der Schweiz ist das aber genau der erwünschte Effekt. Die SNB warnt ja vor deflationären Tendenzen - sie will also erreichen, dass die Währung wieder an Wert verliert."

Mario Mattera, Analyst beim Bankhaus Metzler, sagte: "Das ist der Schritt, über den lange spekuliert wurde. Die Ausgabe eines Kursziels von 1,20 Franken ist eine klare Aussage und der ultimative Schritt der SNB." Der Devisenmarkt werde das SNB-Ziel aber wohl auch testen.

Die Nationalbank wird also womöglich viele Franken drucken müssen, um die von ihr nun vorgegebene Obergrenze für die Schweizer Währung zu halten: Es wird am Markt vermutet, dass die Schweizer bereits interveniert haben, um den Franken von seinem zeitweisen Stand um 1,00 Euro auf 1,20 Euro zu heben - und dafür zwischen 20 und 40 Milliarden Franken in den Markt gepumpt haben.

Wie viel Geld die Schweizer bei der aktuellen Intervention in den Markt pumpen müssen, ist kaum abzusehen. "Theoretisch ist nur eine geringe Intervention nötig, wenn die Märkte die politische Haltung für glaubwürdig erachten", sagte Jaco Rouw, Währungsexperte bei ING investment Managment, sueddeutsche.de. "In der Praxis wird die SNB aber wohl viele Euros aufkaufen müssen, angesichts ihres sehr hohen Bilanzüberschusses und der Sorgen um die Lage in der Eurozone."

Es ist Geld, das an anderer Stelle übrigens wie ein kleines Konjunkturpaket wirkt, denn die Deckelung des Franken hat nicht nur für die Schweiz enorme Bedeutung.

Da vor allem in Osteuropa zahlreiche Kreditnehmer ihre Darlehen in Franken aufgenommen habe, profitieren sie von der jüngsten kräftigen Abschwächung des Franken. Die Kosten für Zinszahlungen reduzieren sich drastisch.

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