Glücksspiel:Zoff unter Zockern

Automaten-König Paul Gauselmann aus dem ostwestfälischen Espelkamp muss sich mit Widersachern herumschlagen, die ihn angeblich erpressen wollten - jetzt attackiert ihn auch noch sein größter Konkurrent.

Corinna Nohn, Klaus Ott

Er ist einer der letzten Patriarchen, der ein Großunternehmen wie einen Familienbetrieb steuert, und der Beiname "Daddel-König" beschreibt sein Wirken nur unzureichend. Paul Gauselmann, 73, aus Westfalen stammend und dort ansässig, hat in fünf Jahrzehnten eine international agierende Glücksspielgruppe aufgebaut, die das Geschäft mit Automaten aller Art beherrscht wie kaum ein anderer. Mit Fleiß und Tüftlergeist habe er sich nach oben gearbeitet, sagt er über sich. Weltweit stehen seine Glücksspielmaschinen, vom Flipper alter Bauart bis zum modernen "Mega Gamer" mit Jackpot, in den Spielhallen.

Glücksspiel: Paul Gauselmann - der "Daddel-König" hat Ärger mit der Konkurrenz.

Paul Gauselmann - der "Daddel-König" hat Ärger mit der Konkurrenz.

(Foto: Foto: ddp)

Auch nach Las Vegas hat die Gauselmann-Gruppe lange Zeit geliefert, zeitweise zählten sogar Indianerstämme in den USA zu den Abnehmern. 5500 Mitarbeiter setzten 2007 eine Milliarde Euro um. Die 50-Jahr-Feier war ein rauschendes Fest, mit Politikern (Kurt Biedenkopf, Guido Westerwelle) als Gastredner und Udo Jürgens am Flügel. Der "Automatenpapst", wie er auch genannt wird, ist bestens vernetzt. Auf Vorschlag des früheren Ministerpräsidenten Wolfgang Clement hat er längst das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Zeuge aus dem Café

Der alte Herr hat ein imposantes Lebenswerk vorzuweisen, doch jetzt muss er sich mit Widersachern herumschlagen, die ihn angeblich erpressen wollten. Er wird von seinem härtesten Konkurrenten attackiert.

Es geht um viel Geld und Marktanteile, der Einsatz ist hoch. Auf eine Strafanzeige von Gauselmann hin ermittelt die Staatsanwaltschaft in Hannover gegen mehrere Gründer der Interessengemeinschaft der Spielautomatenbetreiber (IdS), einem kleinen Verband, der seit Jahren versucht, dem Branchenführer das Leben schwer zu machen. Zehn Millionen Euro soll die in der Nähe von Hannover ansässige IdS vor drei Jahren von Gauselmann dafür verlangt haben, dass sie bei einer hart umkämpften Novelle der Spielverordnung nicht länger gegen seine Interessen agiert.

Damals wurde alles mögliche neu geregelt: die Steuerlast für die Spielhallen, die Zahl der zulässigen Automaten, die Höhe der Gewinne und der Verluste an den Zocker-Maschinen. Viel Geld stand auf dem Spiel, gerade auch für den geschäftstüchtigen Westfalen. Dem gehe es nicht um das Wohl der Branche, sondern nur darum, in "möglichst kurzer Zeit möglichst viele Geräte zu verkaufen", sagt ein IdS-Mann.

Gauselmann kontert mit schweren Vorwürfen. Im Januar 2005 soll bei einer Fachmesse in Nürnberg ein IdS-Vertreter aufgetaucht sein und ihm einen merkwürdigen Vertrag angeboten haben. Man stelle alle Aktionen zur Spielverordnung ein, falls der Preis stimme. Darüber sei natürlich Stillschweigen zu bewahren. Und die Gauselmann AG müsse ausdrücklich erklären, dass sie sich durch dieses Abkommen in keiner Weise genötigt oder erpresst fühle. Ob dem so war, das müssen die Strafverfolger herausfinden. Die IdS weist den Vorwurf der versuchten Erpressung zurück, "mit aller Entschiedenheit".

Anzeige in Nürnberg erstattet

Bereits 2005 wurde in dieser Causa aus Gauselmanns Umfeld Strafanzeige erstattet, damals bei der Staatsanwaltschaft in Nürnberg, dem Ort des angeblichen Geschehens. Mangels Beweisen wurde das Verfahren eingestellt. Mittlerweile soll eine Zeugenaussage vorliegen, die den Vorwurf der Erpressung stützt. Der Zeuge will seinerzeit, also Anfang 2005, in einem Café in Hannover mitbekommen haben, wie Gauselmann um zehn Millionen Euro erleichtert werden sollte. Das habe einer der Beteiligten auf Seiten der IdS so erzählt.

Diese Aussage war für Gauselmann Anlass, jetzt Anzeige in Hannover zu stellen. Die dortige Staatsanwaltschaft will den Fall aber nach Nürnberg abgeben, da dort der mögliche Tatort sei. Die IdS bezeichnet die Anzeige als "Ablenkungsmanöver". Gauselmann habe selbst Ärger mit der Justiz. Der Familienkonzern soll, behaupten dessen Widersacher, Automaten so frisiert haben, dass das Spielhallenpersonal die Gewinnausschüttung nach Belieben steuern und manipulieren könne.

Armin Gauselmann, einer der Söhne des Patriarchen, streitet das in einem Schreiben an die Belegschaft ab. Man habe zu einem Zeitpunkt "illegale Eingriffe" bei Spielgeräten vorgenommen. Der Junior gehört wie einer seiner Brüder dem Vorstand an, die Mutter sitzt im Aufsichtsrat, und der Vater ist Vorstandssprecher. Ein richtiger Familienbetrieb eben, den irgendwann die nächste Generation übernimmt. Armin Gauselmann hat den Mitarbeitern geschildert, dass schon die Staatsanwaltschaft Augsburg in dieser Sache ermittelt und das Verfahren eingestellt habe (gegen 5000 Euro Geldbuße und Zahlung von 1500 Euro an eine soziale Einrichtung).

Zoff unter Zockern

Die Anzeigeerstatter, ein Spielhallenbetreiber aus Augsburg und zwei IdS-Leute, seien nun in Bielefeld vorstellig geworden. Das IdS-Duo lasse wohl keine Möglichkeit aus, seinen "persönlichen Frust" gegenüber der Gauselmann-Gruppe auszuleben, schreibt Gauselmann junior. Dass die Staatsanwaltschaft aus "scheinbar formalen Zwängen" ermitteln müsse, dafür habe man Verständnis.

In Bielefeld gibt es noch einen anderen Fall. Dort steht bald ein Augsburger vor Gericht, der laut Staatsanwaltschaft die Gauselmann-Gruppe erpressen wollte. Der Mann aus Schwaben habe behauptet, Belege für manipulierte Geldautomaten zu besitzen, und 300 000 Euro verlangt. Der Konzern sei zum Schein darauf eingegangen und habe die Behörden alarmiert. Ein Polizist gab sich nach Angaben der Strafverfolger als Gauselmann-Mitarbeiter aus und spielte den Geldboten. Der Augsburger sei festgenommen worden und habe ein Geständnis abgelegt. Sein Vorwurf, Gauselmann habe Geräte manipuliert, sei falsch.

Etwas gesitteter, aber hart in der Sache verläuft ein Machtkampf unter Automaten-Giganten. Die NSM-Löwen Entertainment GmbH, einer der führenden Hersteller von Glücksspiel-Geräten für den deutschen Markt, hat ihren Austritt aus dem Verband der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) erklärt. Das kommt einer Attacke auf Gauselmann senior gleich, der den VDAI seit 1981 leitet.

Waigel bei der Konkurrenz

In der Branche heißt es, Anlass für den Austritt sei ein Streit von Ende 2007. Damals wurde bekannt, dass die Bundesregierung bis 2010 mehr als 100 000 Automaten aus den Spielhallen verbannen will, da diese Geräte mit vermeintlich zu hohen Gewinnen lockten. Dieser Fehlentwicklung müsse begegnet werden. Gauselmann gab öffentlich der NSM die Schuld an dem Malheur. NSM habe Zehntausende der inkriminierten Geräte ausgeliefert. "Wir mussten nachziehen, damit wir nicht den Markt verlieren." Der Mutterkonzern von NSM, die österreichische Novomatic, wies die Vorwürfe zurück. Nun zoffen sich die Zocker.

Bislang dominiert Gauselmann über den VDAI und andere Verbände die Branche, doch sein Einfluss könnte schrumpfen, falls die Novomatic und deren Tochter NSM eigene Wege gehen. Die Novomatic agiert weltweit, sie hat doppelt so viel Umsatz und Beschäftigte wie die Gauselmann AG. Und der deutsche Ableger NSM-Löwen Entertainment hat wie der Patriarch aus Westfalen gute Drähte zu wichtigen Leuten. Aufsichtsratschef bei Löwen Entertainment ist Theo Waigel, einst CSU-Chef und Bundesfinanzminister. Gauselmann hat in seinem Kontrollgremium nur einen früheren nordrhein-westfälischen Minister zu bieten.

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