Glücksspiel im Netz:Die Bank gewinnt immer

Das Pokern im Internet ist verboten - dennoch verdienen viele Kreditinstitute gut daran, wenn sich ihre Kunden verschulden.

Grit Beecken

"Beim ersten Spiel hab ich sofort gewonnen, das war der Kick", sagt er. "Danach wurden die Einsätze höher und höher." Ulf Bauer, der eigentlich auf einen anderen Namen hört, hat 13 Jahre lang jeden Tag im Internet gepokert. "Ich bin abends nach Hause, habe mich um nichts gekümmert, den Rechner angestellt, gespielt". Seine Bilanz: 130.000 Euro Schulden, angehäuft über mehrere Ratenkredite und die Limits von vier Kreditkarten. "Es war unglaublich leicht, an Geld zu kommen", erzählt der 43-Jährige. "Als Postbeamter war ich ein gern gesehener Kunde." Postbank, Royal Bank of Scotland und die Baden-Württembergische Bank stellten bereitwillig Kreditkarten aus. "Niemand hat mich darauf angesprochen, dass ich meine Schulden beim Onlinepoker anhäufe."

Glücksspiel im Netz

Wenn das Spiel zur Sucht wird: Mehr als 400.000 Deutsche spielen im Internet Poker.

(Foto: Foto: AFP)

Seine Hausbanken dürften an seiner Spielsucht gut verdient haben. Neben den Kreditzinsen erhielten sie Gebühren für den Einsatz der Kreditkarte im Onlinekasino. Dass öffentliches Glücksspiel im Internet verboten ist, hält viele Banken nicht davon ab, die Zahlungen im Auftrag der Kunden durchzuführen.

"Sehr lukrative Margen"

"Die Margen in diesem Geschäft sind sehr lukrativ", sagt der Syndikus eines Zahlungsabwicklers. Denn Spielsüchtige können ihre Schulden oft nicht begleichen, und so fallen manche Forderungen aus. Dies treibe die Gebühren in die Höhe - Risiko hat seinen Preis. Über diesen möchte keiner öffentlich sprechen.

Experten vermuten, dass zehn Prozent aller Kreditkartenumsätze im illegalen Glücksspiel anfallen. Denn was in der virtuellen Welt nur ein Klick ist, löst in der Realität eine Zahlung aus. Dieses Missverhältnis senke die Hemmschwelle, sich zu verschulden, sagt Ilona Füchtenschnieder, Leiterin der Landesfachstelle Glücksspielsucht in Nordrhein-Westfalen. Gerade bei denen, die ohnehin knapsen. "Onlinepoker ist ein Verfahren, um die Mittelschicht kleiner und die Unterschicht größer zu machen", fügt Michael Adams an. Er ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Hamburg.

Gespielt wird abends und nachts

Nach einer Forsa-Umfrage im Juni 2008 spielen 430.000 Deutsche im Internet Poker. Die Agentur Global Betting and Gaming Consultants bezifferte die weltweiten Umsätze im Onlinepoker vor zwei Jahren auf mehr als drei Milliarden Dollar; sie dürften bis heute gestiegen sein. Auch der Zahlungsdienstleister der Deutschen Bank, Pago, beobachtet den Markt: Laut einer Studie ist die durchschnittliche Höhe der Einsätze 2007 gestiegen, gespielt wird abends und nachts. "Gezockt wird also offenbar zu Hause, nicht am Arbeitsplatz", so die Studie. Dort fühle sich der Spieler ungestört.

Die Banken könnten das illegale Spielen beenden. Bei einer Kreditkartenzahlung erkennen sie an einer Kennziffer, dass eine Forderung aus illegalem Glücksspiel eingezogen wird. Aber sie unternehmen nichts. "Für uns ist es unerheblich, was unsere Kunden tun und wo sie einkaufen", sagt ein Sprecher der Deutschen Bank. Es könne nicht Aufgabe der Bank sein zu prüfen, wo eine Zahlung herkommt. "Dass die Banken in dieser Form mitspielen, ist wirklich bedenklich", sagt Füchtenschnieder. Jurist Adams hat gemeinsam mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern herausgefunden, dass die meisten Banken ähnlich wie die Deutsche Bank agieren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum die Haltung der Banken auch rechtlich zum Problem werden könnte.

Die Bank gewinnt immer

Doch nicht nur moralisch, auch rechtlich könnte die Haltung der Banken problematisch sein. Wenn die Institute wissen, dass illegales Glücksspiel bezahlt wird, machen sie sich möglicherweise strafbar. "Die Staatsanwaltschaft müsste in jedem Einzelfall prüfen, ob sich die Verantwortlichen strafbar machen", heißt es im Bayerischen Justizministerium. Adams hat diese Frage an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zur Prüfung gegeben.

Die Behörde wird vorerst nicht reagieren: "Aus bankaufsichtsrechtlicher Sicht wird das Thema interessant, wenn ein Geschäftsleiter strafrechtlich verurteilt wird", lautet die Auskunft. Die Behörde sei zunächst nicht zuständig. "Wenn uns bekannt wird, dass sich Institute flächendeckend rechtswidrig verhalten, dann würden wir reagieren."

Prepaidkarten als Ausweg

Die Kreditkartenfirmen sind nach eigenen Angaben außerstande, das Glücksspiel zu unterbinden. Denn nicht sie selber schließen Verträge mit den Onlinekasinos, sondern Drittfirmen, sogenannte Aquirer. Diese prüfen, mit welchen Händlern sie Abkommen schließen und wissen, welcher Vertragspartner ein Onlinekasino ist. "Jede einzelne Zahlung zu prüfen, ist aber sehr aufwendig. Daher entfällt diese Kontrolle", sagt der Sprecher eines solchen Aquirers.

Nach Ansicht von Mastercard sind Banken und Aquirer gemeinsam dafür verantwortlich, die illegalen Zahlungen zu unterbinden. "Nach unseren Regularien sollte man bei diesen Plattformen nicht bezahlen können", sagt ein Mastercard-Sprecher. Dennoch ist in vielen Fällen die Zahlung mit Mastercard möglich. Auch bei Visa heißt es: "Wir erlauben nicht, dass unsere Produkte für illegale Transaktionen eingesetzt werden." Die Visa-Regularien würden alle Banken verpflichten, sich an dieses Verbot zu halten. Doch nur vereinzelt unterbinden einzelne Banken die Zahlungen.

Dann kann der Spieler immer noch mit einer Prepaidkarte zahlen. Sie funktioniert wie ein Gutschein. Der Käufer bezahlt beispielsweise 20 Euro und bekommt dafür eine mit 20 Euro aufgeladene Karte. Prepaidkarten werden auch an Minderjährige verkauft. Die Commerzbank beispielsweise gibt die "Presafecard" heraus, die laut Füchtenschnieder auf etlichen Pokerseiten akzeptiert wird.

Nur wenige Zahlungsanbieter wie die Ebay-Tochter Paypal sind aus dem Geschäft ausgestiegen. "Da Onlinepoker nach dem Glücksspielstaatsvertrag rechtlich nicht erlaubt ist, bietet Paypal in Deutschland in diesem Bereich keine Zahlungsdienstleistung mehr an", heißt es dort. Auch American Express unterstützt Onlinekasinos nicht, Inkassounternehmen ziehen sich laut Adams ebenfalls zurück: "Die seriösen Unternehmen kaufen keine Forderungen aus illegalem Glücksspiel an", sagt Jurist Adams. Ulf Bauer aber muss seine Kredite abzahlen: "Ich habe Insolvenz beantragt. In ein paar Jahren kann ich wieder bei Null anfangen". Darauf freue er sich, sagt er.

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