Gesundheitspolitik:Schnell einen Zahn zulegen

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Die Wirtschaft drängt Minister Rösler zur Eile, er soll weitere Vorschläge für Einsparungen im Gesundheitssystem auf den Tisch legen. Auch die Arbeitgeber haben eine Idee.

Guido Bohsem

Wirtschaft und Krankenkassen haben die schwarz-gelbe Koalition aufgefordert, die Finanzprobleme im Gesundheitssystem schnell zu lösen. "Das Regierungsbündnis muss endlich seine Streitigkeiten in der Gesundheitspolitik beenden", sagte der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der Süddeutschen Zeitung. Union und FDP müssten jetzt damit beginnen, die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen vom Arbeitsverhältnis zu entkoppeln.

Die Milliardenlücke im Gesundheitssystem muss geschlossen werden - aber wie? (Foto: ag.getty)

Auch der Vorsitzende der Techniker Kasse, Norbert Klusen, drängte die Koalition zum Handeln. Um die drohende Insolvenz einzelner Kassen im System abzuwenden, sei es notwendig, die Regelung der Zusatzbeiträge zu überarbeiten. Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Herbert Reichelt, sprach sich dafür aus, im Rahmen von Einsparungen auch die umstrittenen Hausarztverträge zu verändern.

Gigantische Finanzlücke

Hintergrund der Appelle ist die für 2011 erwartete Finanzlücke bei den gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von elf Milliarden Euro. Während die Kassen mit Sorge auf mögliche Insolvenzen in ihren Reihen blicken, fürchten die Arbeitgeber, dass es durch den permanenten Streit der Koalition am Ende doch noch zu Beitragserhöhungen kommen wird, um das Defizit zu stopfen.

Hundt sprach sich dementsprechend dafür aus, vordringlich den Arbeitgeberanteil auf dem gegenwärtigen Niveau einzufrieren. "Es darf keine zusätzlichen Belastungen für Arbeit und Wirtschaft geben, um Wachstum und Beschäftigung nicht zu gefährden", sagte der Chef der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Derzeit zahlen alle Kassenmitglieder einen Beitrag von 14,9 Prozent auf ihren Bruttolohn. Der Anteil der Arbeitgeber liegt bei sieben Prozent. Steigt der Beitragssatz, steigen auch die Lohnkosten für die Arbeitgeber, was ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen kann. Hundt sprach sich deshalb für eine Kostenbremse aus: "Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler ist aufgefordert, weitere Vorschläge für Einsparungen vorzulegen."

Rösler kommt am Freitag mit den Gesundheitsexperten der Bundestagsfraktionen von Union und FDP zu einer zweitägigen Klausur-Sitzung zusammen. Nachdem die Koalitionsführung das Konzept des Liberalen zur Einführung einer Kopfpauschale verworfen hat, sollen nun Einsparmöglichkeiten ausgelotet werden. Der Streit über das Modell hatte zu einem tiefen Riss im Regierungsbündnis geführt. Insbesondere das Verhältnis zwischen CSU und FDP ist seitdem von starkem Misstrauen geprägt.

Wahrscheinlich ist, dass die Koalitionäre auch über die Möglichkeit höherer Zusatzbeiträge sprechen werden. Die derzeitige Regelung gilt als dringend reformbedürftig, weil sie finanzschwache Kassen dazu zwingt, gerade ihre wenigen besserverdienenden Mitglieder besonders hoch zu belasten. Die FDP will zudem die drohende Kostenexplosion bei den Hausarzt-Verträgen eindämmen, was die CSU jedoch vehement ablehnt.

© SZ vom 17.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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