Gesetzliche Krankenkassen im Vergleich:Die goldene Kasse

Von Abnehmkurs bis Zahnreinigung: Die gesetzlichen Kassen zahlen mehr, als viele Versicherte glauben. Wer nichts von den Extras weiß, kann sie auch nicht einfordern. Dabei lohnt der Vergleich: Pro Jahr sind mehrere Hundert Euro drin. Ein aktueller Produktfinder informiert über die Leistungen von derzeit 94 gesetzlichen Kassen.

Rund 600 Euro pro Kopf gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für ihre Gesundheit aus - zusätzlich zu ihren Krankenversicherungsbeiträgen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest. Die Befragten bezahlen zum Beispiel zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, Zahnersatz, Reiseimpfungen oder alternative Behandlungen aus der eigenen Tasche.

An manchen dieser Kosten würden sich gesetzliche Krankenkassen durchaus beteiligen oder sie sogar ganz übernehmen. Die Kunden müssten nur davon wissen und die Extras einfordern. Wie der Produktfinder der Stiftung Warentest zeigt: Die Mühe lohnt sich. Versicherte können bei manchen Kassen mehrere hundert Euro im Jahr sparen.

Homöopathie auf Kassenkosten

Bei drei von vier Kassen im Produktfinder können sich Versicherte von Ärzten homöopathisch behandeln lassen - nicht jedoch von Heilpraktikern. Die Ärzte müssen ein schulmedizinisches Studium und eine Ausbildung in Homöopathie absolviert haben.

In der homöopathischen Behandlung nehmen sich Ärzte oft mehr als eine Stunde Zeit für eine "Anamnese", also ein ausführliches Erstgespräch mit dem Patienten. So erfassen sie die Krankheitsgeschichte. Im normalen Medizinbetrieb ist das die Ausnahme: Ein Arztkontakt dauert durchschnittlich knapp acht Minuten.

Über die reguläre Kassenabrechnung erhält ein Arzt für eine Anamnese keine angemessene Vergütung. Aus diesem Grund müssen Patienten dafür Stundensätze zwischen 50 und 150 Euro privat zahlen - es sei denn, ihre Kasse bietet Homöopathie als Zusatzleistung an. Bei einigen gibt es diese Mehrleistung zwar, aber noch nicht im gesamten Geschäftsgebiet.

Kassen unterstützen außerdem Versicherte, die sich gesund erhalten wollen. Zweimal im Jahr können sie üblicherweise an einem Gesundheitskurs teilnehmen, um beispielsweise Entspannungsübungen zu lernen, ihren Rücken zu trainieren oder sich das Rauchen abzugewöhnen. Ein Großteil der Kassen bietet eigene Kurse an. Diese sind für Versicherte häufig kostenlos.

Schutzimpfungen gehen ins Geld

Wie viel Kassen für Kurse anderer Veranstalter bezahlen, unterscheidet sich erheblich: Die höchste Erstattung bieten einige AOKs und kleinere Betriebskrankenkassen: Sie übernehmen für zwei Kurse Kosten zwischen 400 und 500 Euro im Jahr. Wichtig bei der Erstattung der Kosten generell: Die Kurse müssen den Qualitätsanforderungen der Kassen entsprechen.

Richtig ins Geld gehen manche Schutzimpfungen, die für Auslandsreisen nötig sind. Eine Immunisierung gegen Hepatitis A und B kostet rund 230 Euro. Sie wird nicht nur für exotische Reiseziele, sondern auch für den Mittelmeerraum empfohlen. Eine Gelbfieberimpfung, die für etliche afrikanische und lateinamerikanische Länder vorgeschrieben ist, kostet rund 50 Euro.

Für eine reisefreudige Familie kommen schnell mehrere Hundert Euro im Jahr zusammen. Deshalb lohnt es sich zu prüfen, was die eigene Kasse bietet. Die meisten Kassen zahlen mittlerweile für Reiseimpfungen, manche übernehmen darüber hinaus die Kosten für eine reisemedizinische Impfberatung, die sonst etwa zehn bis 20 Euro kostet.

Eine private Auslandsreise-Krankenversicherung, die einige Kassen ihren Versicherten zusätzlich schenken, ist dagegen nicht so viel wert. Verträge mit sehr guten Bedingungen können Einzelpersonen ab acht Euro, Familien ab 18 Euro im Jahr direkt bei privaten Versicherern abschließen.

Eines sollten Kassenmitglieder, die auf Ersparnisse oder Extraleistungen aus sind, immer bedenken: Das Wichtigste bleibt, dass sie gut versorgt werden, wenn sie krank sind, womöglich sogar chronisch krank. Für alle Kassen gelten dieselben Vorschriften: Es ist gesetzlich festgelegt, welche Behandlungsverfahren und Medikamente zugelassen sind, in welche Krankenhäuser und zu welchen Ärzten Patienten gehen können und wann sie Anspruch auf Krankengymnastik oder auf Zahnersatz haben.

Wie gut eine Kasse es schafft, Kranke mit diesen vorgeschriebenen Leistungen zu versorgen, ist schwer zu sagen. Für eine gute Versorgung ist nicht die Kasse allein verantwortlich, sondern auch Ärzte, Krankenhäuser und die Patienten selbst. Trotzdem sollten sich alle Versicherten bei ihrer Entscheidung für eine Krankenkasse immer fragen, ob sie ihr zutrauen, dass sie fit für den Ernstfall ist. Denn wenn Menschen erst einmal ernsthaft krank sind, haben sie oft andere Sorgen, als sich um einen Kassenwechsel zu kümmern.

Nicht leichtfertig wechseln

Für Kranke ist ein guter Kontakt zur Kasse Gold wert. Wer gute Erfahrungen mit seinen Ansprechpartnern hat und die Geschäftsstelle in seiner Nähe schätzt, sollte das nicht leichtfertig aufgeben. Fühlt jemand sich zum Beispiel mit einer komplizierten Krankheits­geschichte bei seiner Kasse gut aufgehoben, kann es sich lohnen, ihr trotz Zusatzbeitrag treu zu bleiben.

Natürlich können Versicherte sich auch am Telefon beraten lassen - bei manchen Kassen sogar sieben Tage die Woche - oder sie können ihrer Kasse schreiben. Sobald die Fragen aber etwas komplizierter werden oder Anträge auszufüllen sind, geht nichts über das persönliche Gespräch.

Die Reklame der Krankenkassen zielt meist auf aktive, gesundheitsbewusste Menschen. Ob eine Kasse auch Extraleistungen für schwer oder chronisch Kranke bietet, ist kaum zu erfahren - selbst wenn die Kasse hier vorbildliche Angebote hat.

Andere Angebote sind in den Satzungen der Kassen versteckt. Dazu gehören zum Beispiel Extras bei Hauskrankenpflege und Haushaltshilfe. Bei der Hauskrankenpflege besteht die Mehrleistung darin, dass die Kasse eine umfassendere Hilfe bezahlt als vorgeschrieben, wenn ein Arzt die Krankenpflege verordnet hat. Der Pflegedienst wechselt dann zum Beispiel nicht nur Verbände, sondern hilft dem Patienten auch beim Duschen.

Diese Extrahilfe ist nicht nur für ältere Menschen interessant, auch jüngere Alleinlebende können in eine hilflose Lage geraten, zum Beispiel nach einem Unfall. Auch eine Haushaltshilfe kann für Kranke sehr wichtig werden. Gesetzlichen Anspruch darauf haben nur Menschen mit Kindern, wenn die Person, die sich normalerweise um Haushalt und Kinder kümmert, ins Krankenhaus oder zur Kur muss.

Fast die Hälfte der Kassen im Produktfinder bieten mehr: Sie gewähren eine Haushaltshilfe auch Versicherten ohne Kind, wenn sie schwer krank zuhause liegen und sich nicht selbst versorgen können. Dass eine Kasse mit solchen Extras wirbt, kommt jedoch selten vor - obwohl diese Mehrleistungen für die Patienten viel wert sind. Viele könnten es sich im Krankheitsfall gar nicht leisten, für mehrere Wochen eine Hilfskraft zu engagieren.

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