Gesetzentwurf zu Minijobs:Koalition plant Versicherungspflicht - und erhofft sich wenig

Großer Aufwand, kleiner Ertrag: Die Bundesregierung will zum 1. Januar 2013 die Verdienstgrenze für Minijobber auf 450 Euro erhöhen. Um das Risiko der Altersarmut zu senken, sollen die Beschäftigten gleichzeitig die Rentenbeiträge der Arbeitgeber selbst aufstocken - es sei denn, sie verzichten darauf. Das werden wohl 90 Prozent von ihnen tun.

Thomas Öchsner

Deutschland ist die Nation der Minijobber. 400 Euro verdienen und 400 Euro steuer- und sozialabgabenfrei netto im Monat kassieren - das ist für Millionen der Alltag. Für die einen, weil sie das Modell attraktiv finden, für die anderen, weil sie keine bessere Stelle finden. Als Rentner droht dann aber vielen, die lange geringfügig auf 400-Euro-Basis beschäftigt waren, die Altersarmut. Das Bundesarbeitsministerium rechnete im März den eher fiktiven Fall vor, wie viel Altersgeld ein Dauer-Minijobber nach 45 Versicherungsjahren erhalten würde: Es sind genau 139,90 Euro, die auf Grund der Rentenbeiträge des Arbeitgebers zustande kommen.

Schwarzarbeit in privaten Haushalten oder legaler Minijob

Die Koalition erhofft sich von einer Versicherungspflicht für Minijobber selbst nicht viel.

(Foto: DPA-SZ)

Dieses Problem sieht auch die Bundesregierung. Wenn die Verdienstgrenze für Minijobber zum 1. Januar 2013 auf 450 Euro erhöht wird, sollen sie deshalb den Rentenbeitrag des Arbeitgebers automatisch selbst aufstocken - es sei denn, sie verzichten ausdrücklich darauf. Doch funktioniert das auch? Der Süddeutschen Zeitung liegt nun der Gesetzesentwurf vor, und darin räumt die Regierungskoalition selbst ein, dass das von ihr ersonnene Modell nicht viel bringen wird.

Bislang können geringfügig Beschäftigte selbst freiwillig in die Rentenkasse einzahlen, in dem sie den Pauschalbetrag des Arbeitgebers von 15 auf 19,6 Prozent aufstocken. Diese Möglichkeit nehmen sie jedoch kaum in Anspruch, obwohl sie sich damit auch gegen eine Erwerbsminderung absichern könnten. Nur fünf Prozent im gewerblichen Bereich und sieben Prozent der Minijobber in Privathaushalten sind dies ein paar Euro im Monat wert.

"Sozialpolitisches Feigenblatt"

Wird von 2013 an die automatische Versicherungspflicht mit Austrittsrecht eingeführt, wird dies aber nicht viel besser aussehen. Das geht aus der Begründung von Union und FDP für ihren Gesetzesentwurf hervor. Demnach werden etwa 90 Prozent der Minijobber sich von der Zahlung von Rentenbeiträgen befreien lassen. Das seien bei 3,5 Millionen neu angemeldeten geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im nächsten Jahr 3,15 Millionen Fälle. Die Arbeitgeber, die den Befreiungsantrag annehmen müssten, koste dies pro Fall 15 Minuten, heißt es in dem Entwurf. Bei einem Stundenlohn von 28,50 Euro summiere sich so der Aufwand auf 22 Millionen Euro.

Für die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, ist die neue Regelung zur Rentenversicherung deshalb nichts anderes als ein "sozialpolitisches Feigenblatt". Hier werde für einen "minimalen Ertrag ein maximaler bürokratischer Aufwand erzeugt". Pothmer hält die Erhöhung der Verdienstgrenze auf 450 Euro für falsch. Vor allem für Frauen seien die Jobs eine "berufliche Sackgasse". Das Statistische Bundesamt hatte kürzlich berichtet, dass 84 Prozent der Minijobber einen Niedriglohn erhalten.

An diesem Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung über das Gesetz. Stoff für hämische Reden der Opposition gibt es jetzt genug.

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