Geldanlage:Warum sich Anleihen von Unternehmen kaum lohnen

EZB

Die EZB ist aktuell einer der größten Käufer von Anleihen.

(Foto: imago/allOver)
  • Für Kleinanleger sind Anleihen von Unternehmen aktuell nicht sehr lohnenswert. Profi-Investoren und die Europäische Zentralbank haben den Markt quasi unter sich aufgeteilt.
  • Versuche von Firmen, den Kunden entgegenzukommen, und ein Ende der lockeren Geldpolitik könnten das ändern.

Von Simone Boehringer und Nils Wischmeyer

Wir sind im Jahr zehn nach Ausbruch der Finanzkrise - und die Rendite-Misere zieht sich wie ein roter Faden durch praktisch alle Zinsmärkte: Wer sein Geld nicht zu fast null Prozent auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto liegen lassen möchte oder zu kaum mehr Zins Bundeswertpapiere kauft, muss ins Risiko gehen.

Das bedeutet: Entweder man muss Zinspapiere europäischer Südländer kaufen - zehnjährige Staatsanleihen Spaniens, Portugals oder Italiens rentieren derzeit aber auch nur zwischen 1,3 und 1,6 Prozent - oder man setzt auf Unternehmensanleihen. Hier liegen die Renditen bei den sogenannten investiven und damit einigermaßen sicheren Papieren derzeit bei bis zu zwei Prozent für Fünf- bis Zehnjährige, bei kürzeren Laufzeiten sind es kaum mehr.

Die meisten Profis sind daher sehr zurückhaltend, wenn es um Engagements von Kleinanlegern in diesem Segment geht: ,,Der Einstieg für Privatanleger ist derzeit noch nicht wirklich lohnenswert, solange die EZB so stark engagiert ist im Markt", erklärt etwa Klaus Stopp, oberster Anleihehändler bei der Baader Bank vor den Toren Münchens. Die Notenbank kauft seit Juni 2016 vermehrt Unternehmensanleihen und pumpt damit massiv Geld in den Markt. Das macht Investments für Kleinanleger unattraktiv. Denn bei Anleihen gilt: Je größer die Nachfrage, desto höher der Kurs und desto niedriger die Rendite.

Die Gretchenfrage lautet also: Wie lange noch wird die Europäische Zentralbank zur Stützung der Märkte Anleihen aufkaufen und somit die Nachfrage künstlich hoch halten?

"Der Anleihenmarkt braucht Privatanleger derzeit nicht"

Hinzu kommt die Konkurrenz institutioneller Anleger. Sie kommen dank der niedrigen Zinsen leicht an Geld und legen dieses an. Gerade Versicherer und Pensionsfonds dürfen ihr Vermögen aber nicht ausschließlich in Aktien, Immobilien oder Edelmetallen investieren, sondern brauchen auch sichere Anlagen. So schreiben es deren Satzungen und die europäischen Regulierer vor. Als sicher gelten unter anderem Unternehmensanleihen mit guten Bonitätsnoten, die die großen Investoren reihenweise kaufen. Es klingt hart, aber: "Der Anleihenmarkt braucht Privatanleger derzeit nicht", erklärt Uwe Burkert, Chefvolkswirt bei der LBBW. Es werde auch so verkauft, was auf den Markt kommt. Kleinanleger werden zurzeit systematisch rausgedrängt. Neben der großen Käuferkonkurrenz auf dem Markt hat das auch regulatorische Gründe. Die Herausgeber der Produkte müssen für den Vertrieb der Papiere am breiten Markt ausführliche Emissionsprospekte beim Regulierer einreichen sowie den Privatkunden Basisinformationsblätter (PRIIPS) zur Verfügung stellen. Werden diese nicht geliefert, dürfen Banken und Finanzdienstleister das entsprechende Papier gar nicht an ihre Retailkunden verkaufen. Die Folge: Manche Unternehmen schließen Privatanleger von Anfang an aus, um die regulatorischen Anforderungen zu umgehen. Gut beobachten lässt sich dieser Trend an den Stückelungen der neuen Papiere. Während die Gesamtvolumina der Titel ansteigen, sinkt hierzulande der Anteil der Neuemissionen, bei denen die Stückelung 1000 Euro beträgt. Das zeigen Zahlen von Bloomberg und der Börse Stuttgart (Grafik).

Im ersten Quartal 2016 lag der Anteil der Emissionen mit einer Mindeststückelung von 1000 Euro bei 26,6 Prozent. Zwei Jahre, ein milliardenschweres Anleihenkaufprogramm der EZB und neue regulatorische Vorschriften später, liegt der Anteil der kleinen Stückelung nur noch bei 10,8 Prozent. Stattdessen beschränken sich viele Firmen bei der Herausgabe von Anleihen auf die nur für Großinvestoren erreichbaren Nennwerte von 100 000 Euro pro Stück. Auch das zeigen die Zahlen der Börse Stuttgart. Sie ist der größte inländische Umschlagplatz für Unternehmensanleihen an Privatanleger.

Für die Anleger wird es immer schwieriger, am Markt mitzumischen, wie auch Michael Görgens beobachtet, Leiter des ETF- und Anleihenhandels an der Börse Stuttgart. Das jeweils erste Quartal ist ihm zufolge erfahrungsgemäß das Quartal mit der höchsten Emissionstätigkeit und daher sehr aussagekräftig.

Wie lange noch wird die EZB Anleihen kaufen?

Einige Unternehmen versuchen, den Kunden entgegenzukommen. Sie splitten ihre Anleihenemission und behalten einen kleinen Teil in 1000er Stückelungen bei. Dennoch kann es sein, dass man als Privater von der Bank einen Korb bekommt, will man einen solchen Titel kaufen. Vor dem Hintergrund möglicher Leitzinsanhebungen "versuchen Banken, im Geschäft mit Privatanlegern Schaden von sich abzuwenden", so Stopp von der Baader Bank. Je nachdem, wie hoch die Zinsen steigen, fallen die Kurse, Bankberater müssten sich womöglich dann dafür rechtfertigen, warum Kunden diese oder jene riskantere Firmenanleihe im Depot haben. Manche Institute geben daher bestimmte Papiere erst gar nicht an Private.

Ob und wann sich dieser wenig anlegerfreundliche Trend ändert, ist ungewiss: Selbst wenn die EZB ihre Anleihekäufe reduziert, aufgeben wird sie diese auf absehbare Zeit nicht. "Die Mittel, die aus auslaufenden Anleihen bei der EZB hereinkommen, werden reinvestiert", erklärt LBBW-Experte Burkert. Insofern werde sich "der erwartete Kursverfall im Rahmen halten". Große Renditesprünge aber wohl auch.

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