Geldfälscher Jürgen Kuhl:"Ich habe so ein komisches Auto gekauft, das hieß Lamborghini"

Jürgen Kuhl gilt als einer der besten Geldfälscher der Welt. Bundeskriminalamt und Secret Service jagten ihn. Er musste ins Gefängnis. Jetzt ist er wieder draußen - und erzählt, warum Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il ein noch besserer Fälscher ist als er selbst.

Sophie Crocoll und Hannah Wilhelm

SZ: Herr Kuhl, reden wir über Geld. Sie haben Dollar-Scheine gefälscht, im großen Stil . . .

Kuhl: . . . und dafür vier Jahre gesessen. Ich schätze mal, die ganze Sache hat mich anderthalb Millionen gekostet. Ich habe da eine Liste, was ich noch alles abzahlen muss: BKA, JVA, Gerichtskasse.

SZ: Warum schulden Sie dem Bundeskriminalamt Geld?

Kuhl: Na, eine verdeckte Ermittlerin hat mir falsche Scheine abgekauft und mir dafür 21.000 Euro gegeben. 14.000 davon haben sie nach der Verhaftung noch bei mir gefunden. Den Rest stotter' ich ab. Der ganze Einsatz übrigens hat zwei Millionen gekostet, allein 750.000 Euro an die Telekom fürs Abhören meiner Telefonate. Und der Zugriff mit 30 Leuten.

SZ: Die haben 30 Leute losgeschickt, um einen 65-Jährigen zu verhaften?

Kuhl: Ich habe in meinem Atelier mit der verdeckten Ermittlerin Falschgeld in Kartons gepackt. Und dann springen 30 Leute aus Lastwagen. Viel Gebrüll und Geschreie, sie haben mich auf den Boden gedrückt, so richtig mit Stiefel im Kreuz.

SZ: Sie haben 16,5 Millionen Dollar gefälscht, das ist viel.

Kuhl: So eine Maschine druckt ja in der Stunde sechs Millionen Hunderter. Ja, der Richter sagte mir auch immer: "Kuhl, warum haben Sie nicht eine Bank überfallen? Da wären Sie mit weniger davongekommen." Beim Geldfälschen kennen die kein Pardon, weil die Angst um die Währung haben. Aber im Ernst: Wie kann ich mit ein paar Millionen eine Währung gefährden, während die Milliarden drucken, um die Griechen und die Banken zu retten?

SZ: Sie sind also nicht gefährlich?

Kuhl: Jeder Drucker, jeder Lithograph spielt mal mit dem Gedanken. Meine Cousine hat immer gesagt: "Jürgen, du verharmlost das so, das war eine Schandtat." Aber seit anderthalb Jahren ungefähr sagt sie: "Du bist ja harmlos gegen die Banker."

SZ: Aus was für einer Familie kommen Sie überhaupt, Herr Kuhl?

Kuhl: Mein Vater hatte hier in Köln eine Fabrik für Naturprodukte: Kuhls Fenchelsaft, Kuhls Misteltropfen, Kuhls Knoblauchsaft. So was. Die sollte ich übernehmen. Wollt' ich aber nicht. Meine Mutter ist früh gestorben und mein Vater hat noch mal geheiratet. Es war schwer mit meinem Alten. Meine Geschwister und ich waren froh, als wir zu Hause raus konnten.

SZ: Warum?

Kuhl: Letztens habe ich über die Onassis-Tochter einen Bericht gesehen, wo ein Vertrauer sagte: Was sollte aus der auch werden, die hat ihren Vater doch nur einmal die Woche für eine Stunde gesehen. Da habe ich mich amüsiert. Ich habe in meinem gesamten Leben vielleicht 20 Minuten mit meinem Vater gesprochen. Der war nicht da für uns. Wir hatten zwei Haushälterinnen, aber richtig gekümmert haben die sich nicht.

"Dann kamen so Kumpels"

SZ: Aber Geld war da?

Kuhl: Wir haben gut gelebt, bekamen viel Taschengeld, aber umarmt worden bin ich nie. Ich weiß auch nicht, was Väter mit ihren Kindern machen. Gehen die zusammen auf den Fußballplatz?

SZ: Zum Beispiel, ja.

Kuhl: Mhm. Ich habe halt immer gearbeitet. Im Sommer Tennisbälle aufgehoben. Morgens Brötchen ausgetragen. Ich wollte einfach noch mehr Geld haben. Zum Ausgeben.

SZ: Was war die beste Zeit Ihres Lebens?

Kuhl: 1965 bis 1985. Da habe ich Mode gemacht und mehr verdient, als ich ausgeben konnte. Ich habe so ein komisches Auto gekauft, das hieß Lamborghini. Das bin ich nie gefahren, weil es mir peinlich war. Ich hab das gleiche letztens in einer Motorshow gesehen, das kostet jetzt 250.000 Euro.

SZ: Wie kamen Sie zur Mode?

Kuhl: Ich hab immer alles umgeschneidert. Ich habe gesehen: Das ist scheiße, das sitzt nicht. Und dann kamen so Kumpels ...

SZ: . . . was heißt Kumpels?

Kuhl: Ich bin ein Nachtmensch gewesen, war immer in Clubs unterwegs. Und so habe ich eben die Leute aus dem Milieu kennengelernt. Das sind keine hundertprozentigen Freunde. Kumpels halt.

SZ: Okay.

Kuhl: Die haben Sachen in London und Paris eingekauft und hier vertickt. Einmal kam einer aus London zurück und sagte, die hätten da so super Hotpants gehabt, so kurze heiße Lederhöschen - ob ich so was machen könnte. Ich habe mich dann zu meiner Schwester in die Waschküche gesetzt, an die Nähmaschine, und habe die ersten heißen Höschen geschneidert. Aber nicht so schwarzes Leder, das wär' ja für den Puff. Ich hab sie nett verziert, in verschiedenen Farben und mit so Blümchen drauf. Swinging London und so, Hippie-Mode halt.

SZ: Und so wurden Sie Unternehmer?

Kuhl: Ja. Meine erste Firma hab ich dann verloren, weil ein Kumpel mich beschissen hat. Er hat gesagt: Ich kümmere mich um die Organisation, ich habe alles unterschrieben und dann war alles weg. Auch die 485.000 auf dem Konto.

SZ: Und dann?

Kuhl: Habe ich wieder neu angefangen. Später habe ich ganze Kollektionen gemacht. Ideen hatte ich immer genug. Ich hätte immer mehr machen können. Aber ich wollte morgens ausschlafen und abends ins Städtchen gehen, mit den Jungs unterwegs sein. So richtig mit reinhauen und malochen, das war nicht so mein Bier. Nee. Ich war jung und hatte 30.000 Mark Taschengeld im Monat. Ich habe nie fürs Häuschen gespart.

SZ: Mitte der achtziger Jahre haben Sie mit der Mode aufgehört und sind auf Kunst umgestiegen.

Kuhl: Ich hatte keine Lust mehr auf Mode, da kam dieser Safari-Look. Den wollte ich nicht mitmachen. Ich mochte die Warhol-Drucke, die waren neu und anders. Ich wollte mir die "Flowers" kaufen, das Original von Warhol, für 40.000 Mark. Da habe ich gedacht: Die kann ich mir an einem Wochenende selbst machen. Ich habe gleich 30, 40 Stück gedruckt und verkauft. Für 150 Mark. In den Museumsshops gab es ja nur schlechte Drucke. Ich habe die mit der gleichen Technik wie Andy Warhol gemacht.

SZ: Sie haben ihn gefälscht.

Kuhl: Das ist immer so die Diskussion. Ich habe sie etwas kleiner gemacht und mit anderen Farben. Die waren nicht zu verwechseln mit dem Original. Der Renner war der Kölner Dom. Da hat der Warhol aber zu mir gesagt: "Jürgen, mach den doch wenigstens von der anderen Seite." Ach, der war irgendwie komisch, dieses kalkige Gesicht; und der konnte einem gar nicht richtig die Hand geben. Aber gut war der.

"Ich habe dazu beigetragen, dass Warhol bekannt geworden ist."

SZ: Und Sie haben viel verdient an ihm.

Kuhl: Aber ich habe vielleicht auch ein bisschen dazu beigetragen, dass er so bekannt geworden ist. Denn man konnte ja nichts kaufen von ihm. Bevor ich dann kam.

SZ: Hatten Sie Ärger, weil ihre Drucke den Originalen so ähnlich sind?

Kuhl: Öfter. In Paris haben die Idioten in der Messehalle mal meine Maos und meine Marylins auf eine Säule gezogen, 30 Meter hoch. Und 40 Meter weiter war der Stand von Nouvelles Images, die die Warhol-Rechte hatten. Das war natürlich blöd. Ich habe 20.000 Mark gezahlt, dann war das erledigt.

SZ: Haben Sie auch mal etwas Eigenes gemacht?

Kuhl: Immer. Aber das interessierte die Leute gar nicht. Die kamen immer auf die Messe und sagten: Wo sind die Warhols? Ich fand das in Ordnung.

SZ: Was ist dann schiefgelaufen mit Ihrem Leben?

Kuhl: Irgendwann lief es nicht mehr mit den Warhols, als ob der Markt gesättigt war. Dann lief einiges falsch. Ich musste jeden Monat 500 Euro Kredit abstottern an meine Bank und hab mich so geärgert. Ein Albaner, ein Kumpel, hat immer gesagt: "Du könntest ruckzuck raus sein aus dem Schlamassel. Die Albaner warten ja nur auf Dollar." Ein Jahr hat der an mich hin geredet. 2006 war ich dann so weit.

SZ: Warum Dollar und nicht Euro?

Kuhl: Ich habe eine sehr strenge Moral. Wissen Sie, mit den Euros, da hätte sich hier jemand Zigaretten am Büdchen gekauft, und dann ist die arme Verkäuferin die 50 Euro los. Die kriegt von der Polizei keinen Ersatz. Und irgendwelche Dollars, die an albanische oder iranische Ganoven verkauft werden, das ist für mich weit weg. Das ist okay.

SZ: Was hat Sie gereizt? Das Geld?

Kuhl: Ich wollte gute Dollars machen. Nicht so einen Scheiß wie andere. Die erste Serie ist mir nicht so gelungen, da war die Farbe nicht gut. Später habe ich mit zwei Farben gedruckt, einmal mit einem helleren Grün, und mit dem dunkleren Grün noch mal drüber. So wurde das schöner, plastischer. Die erste Serie habe ich geschreddert, Hunderte Säcke voll.

SZ: Was haben Sie damit gemacht?

Kuhl: Wir haben sie zur Müllhalde gefahren. Da ist ein Arbeiter mit dem Gabelstapler dagegen gefahren und ein Sack ist geplatzt. Als er die Dollars gesehen hat, hat er die Polizei angerufen.

SZ: Wie kam die Polizei auf Sie?

Kuhl: Ich habe immer meine Post geschreddert, immer schön Papier zu Papier. Scheiße, ne? Das BKA hat dann gepuzzelt und hatte meine Adresse. Die haben mich beobachtet und eine verdeckte Ermittlerin geschickt, die mir ein Angebot machte. Ich habe ja gar nicht nach Käufern gesucht.

SZ: Und dann sind Sie zu sechs Jahren verurteilt worden.

Kuhl: Vier habe ich abgesessen, dreieinhalb davon im offenen Vollzug. Zum Glück. Das hat mir Hoffnung gegeben. Hätte ich die nicht gehabt, hätte ich das Ding schon hinter mir.

SZ: Sie hätten sich umgebracht?

Kuhl: Zwei Gramm, ein goldener Schuss. Das kriegt man alles im Gefängnis. Die haben ein Babyfon in meine Einzelzelle gestellt. Aber als Freigänger, das ist okay, damit kann man leben.

SZ: Wovon leben Sie heute?

Kuhl: Das mit den Drucken läuft nicht mehr so. Es gibt ja in jedem Ikea billige. Ich muss wieder malen. Eine Galeristin will mich jetzt ausstellen. Mal sehen, was da draus wird. Es gibt ein Buch über mich, ich verdiene 60 Cent pro Exemplar. Außerdem habe ich noch einen Stapel Drucke, die "Flowers" von Warhol. Daraus mache ich jetzt Handtaschen.

SZ: Bereuen Sie die Geschichte mit dem Falschgeld?

Kuhl: Logisch. Muss ich ja, es war dumm und extrem unprofessionell, mich mit diesem Albaner einzulassen.

SZ: Sie dagegen waren sehr professionell, Sie gelten als bester Geldfälscher nach Kim Jong Il, dem nordkoreanischen Staatschef.

Kuhl: Kim Jong Il hat 100 Millionen Dollar investiert, er hat Original-Maschinen gekauft und Original-Papier. Er hat sich aus dem ganzen Land die besten Drucker geholt. Und dann erzählt er seinem Volk immer, wir schädigen unseren amerikanischen Feind damit! Nee, der will noch einen goldenen Rolls-Royce.

SZ: Wäre der Albaner professioneller gewesen, würden Sie nichts bereuen?

Kuhl: Wenn das Falschgeld jetzt in Iran wäre und ich hätte mein Milliönchen, na, das wäre doch wunderbar.

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