Geldanlage:Wohin mit all dem Vermögen?

Anleger leben in einer Welt der Extreme, fast wie in der Achterbahn: Die Szenarien für Preisentwicklung und Konjunktur wechseln ständig. Nötig ist die richtige Strategie.

Catherine Hoffmann

Steigen die Preise oder fallen sie? Selten waren Notenbanker, Ökonomen, Anleger und Verbraucher so unsicher wie heute, ob Niedrigzinspolitik und Rekordverschuldung in eine Inflation führen. Oder droht die westliche Welt in Deflation zu erstarren, weil sie die Finanzkrise nicht abschütteln kann? Vielleicht kommt es ja auch ganz anders: Auch ein Szenario ganz ohne Horror ist möglich, in einer normalen Welt. Für Sparer ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten und das Vermögen über alle Unwägbarkeiten zu retten.

Neue Achterbahn im Freizeitpark Belantis

Inflation, Deflation oder Disinflation? Anleger müssen genau auf die konjunkturelle Entwicklung achten. Das Bild zeigt die Achterbahn im Freizeitpark Belantis im Süden von Leipzig.

(Foto: ddp)

Deflation

Unter Deflation wird eine Preisspirale nach unten verstanden, die Preise sinken. Erwarten Konsumenten und Unternehmer, dass sich diese Phase über mehrere Quartale, ja sogar Jahre erstreckt, ist das Gift für die Konjunktur. Die Verbraucher halten sich zurück, da sie gelernt haben: Was ich heute nicht kaufe, bekomme ich morgen billiger. Der Absatz bricht ein, Investitionen werden auf die lange Bank geschoben. Oft ist auch die Kreditvergabe gestört: Die Banken geizen mit Geld. Deshalb geht eine Deflation in der Regel mit einer Rezession einher, das Wachstum legt den Rückwärtsgang ein. Damit es so schlimm kommt, müssen die Preise auf breiter Front zurückgehen, nicht nur in einzelnen Zweigen der Wirtschaft. In der Computer- und Halbleiterindustrie etwa ist der Preisrückgang schon lange die Norm. Allerdings verfällt deswegen niemand in Panik. Anders ist es, wenn der dauernde Preisrückgang ganze Volkswirtschaften erfasst. Für Anleger, die gewöhnlich vor Inflation Angst haben, bedeutet Deflation: Sie müssen ihr Verhalten grundlegend ändern - und sich auf viel niedrigere Renditen einstellen.

Aktien

Um Aktien ist es in einer Deflation schlecht bestellt, denn sie bedeutet Kaufzurückhaltung. Konsumausgaben, Investitionen und Produktion schrumpfen. "Bei sinkenden Preisen laufen die Firmen Gefahr, gestern teuer eingekauft zu haben, was sie heute als Endprodukt nur schwer verkaufen können", erklärt Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse von Allianz Global Investors. "Der Endkunde sagt: Ich kaufe nur mit Rabatt." Die Gewinnmargen geraten deshalb unter Druck, das Lager füllt sich mit Waren, die keiner haben will, die Wirtschaft erstarrt in einer abwartenden Haltung. Aktien sind klare Verlierer dieser Entschlusslosigkeit. Das zeigt auch das Beispiel Japan, wo die Aktienkurse nach dem Crash 1990 nie wieder die alten Höchststände erreichten. Ist ein Preisrückgang nur moderat und dauert nur kurze Zeit, wird er die Kurse aber kaum beeindrucken. Entscheidend für die Richtung ist auch: Was macht die Konjunktur? Gibt es andere Regionen in der Welt, die boomen? Ist die Wachstumsschwäche auf Europa beschränkt, begrenzt das den negativen Einfluss auf den Aktienmarkt.

Anleihen

Mit Anleihen und Bargeld liegen Anleger in einer Deflation richtig, weil das Geld bei sinkenden Preisen an Kaufkraft gewinnt. Die Verbraucher müssen es wie die Japaner machen: Auf das Sparbuch setzen, möglichst lange laufende Staatsanleihen kaufen, Geld horten. Wer Käufe aufschiebt, bekommt Auto, Sofaecke oder Kücheneinrichtung bald schon günstiger. Gut dran sind alle Gläubiger, denn das Geld, das sie beispielsweise einem Unternehmen geliehen haben, ist morgen mehr wert, wenn es zurückgezahlt wird. Das Wörtchen "wenn" ist entscheidend, denn etliche Unternehmen gehen in einer Deflation pleite. "Schuldverschreibungen von Unternehmen mit sehr guter Bonität sind dagegen ein prima Investment in einem deflationären Umfeld", sagt Uwe Burkert, Leiter der Anleihenanalyse bei der Landesbank Baden-Württemberg. Die Rendite steigt noch durch die Deflation, die auch als Geldaufwertung verstanden werden kann: Zu den Zinsen können noch die negativen Inflationsraten addiert werden. Rentiert eine Anleihe beispielsweise mit drei Prozent und legt die Kaufkraft um zwei Prozent zu, ergibt sich eine reale Rendite von fünf Prozent. Diese Überlegung gilt selbstverständlich auch für Staatsanleihen. Käufer von Unternehmensanleihen profitieren aber davon, dass diese in der Regel höher verzinst sind als Staatspapiere.

Rohstoffe und Immobilien

Rohstoffe sind die Verlierer in Zeiten von Deflation oder Stagflation. Werden weniger Autos, Kühlschränke und Maschinen gebaut, braucht man weniger Industrie- und Buntmetalle, die Nachfrage nach Öl, Benzin, Heizöl knickt ein, diese Rohstoffe werden in einem deflationären Umfeld als erste getroffen. "Hier finden wir oftmals Überschüsse und hohe Lagerbestände vor", sagt Christoph Eibl, Geschäftsführer der Tiberius Asset Management AG. Ein anderes Bild böten Agrarrohstoffe wie Weizen, Mais oder Kaffee, die sich auf vergleichsweise niedrigen Preisniveaus befänden, wo die Lagerbestände niedrig seien. Wer Angst vor Deflation habe, könne durchaus Agrarrohstoffe kaufen. Die Immobilienmärkte neigen dagegen zur Schwäche, sie reagieren aber nur zeitverzögert. Es bedarf schon einer langanhaltenden Deflation und man muss von einem hohen Preisniveau kommen, damit es an diesem Markt weh tut. Wenn die Löhne sinken und keine Aussicht auf Besserung besteht, wird es schwierig, die Miete zu erhöhen.

Inflation

Die Geschichte zeigt: Inflation tritt wesentlich häufiger auf als Deflation. Immer wieder kommt es vor, dass die Preise über Gebühr steigen, weil sich Rohstoffe enorm verteuern, die Notenbank eine allzu lockere Geldpolitik verfolgt, eine starke Wirtschaft zu Lohn- und Preiserhöhungen einlädt oder eine starke Nachfrage auf voll ausgelastete Fabriken trifft. Teuerungsraten von bis zu zwei Prozent halten die Währungshüter allerdings für unbedenklich, ja sogar gesund. Kritisch wird es erst, wenn das Preisniveau noch schneller anzieht und die Zentralbank nichts dagegen unternimmt. Ab einer Teuerungsrate von 20 Prozent wird von einer "galoppierenden Inflation" gesprochen. Hyperinflation liegt ab Preissteigerungen von 50 Prozent im Monatsvergleich vor, was über das Jahr einer Rate von 13.000 Prozent entspricht. Die Deutschen haben das Drama der Hyperinflation 1923 erlebt, im Dezember kostete ein Frühstücksei 320 Milliarden Papiermark.

Aktien

Aktien gelten gemeinhin als Gewinner einer Inflation, schließlich handelt es sich um Sachwerte. Mit einer Aktie kaufen Sparer einen winzigen Anteil an einem Unternehmen wie Siemens oder BMW mit all seinen Fabriken, Waren, Immobilien, Blaupausen. Solche Substanz ist gefragt in inflationären Zeiten. Das gilt aber nur, solange ein Unternehmen steigende Preise an seine Kunden weiterreichen kann. Historisch betrachtet, sagt Stratege Naumer, waren Aktien bei bis zu vier Prozent Inflation ein gutes Investment; schießt die Teuerungsrate darüber hinaus, wird es schwierig. Die Wirtschaft plagen dann nicht nur steigende Preise, sondern oft auch eine schwache Konjunktur. Ökonomen sprechen bei Zusammenspiel hoher Inflation und geringer Nachfrage von "Stagflation", es ist ein gefürchtetes Wort. Für die Unternehmen wird es dann mühsam, die Preise zu überwälzen. Steigen die Kosten stärker als die Absatzpreise, geraten die Gewinnmargen unter Druck. Je höher die Inflationsrate und je stärker das Preissystem destabilisiert wird, desto kniffliger wird jegliche sinnvolle Planung von Investitionsprojekten. In der Hyperinflation bestehen für Unternehmen kaum mehr Anreize zur Produktion. Das schadet ihren Aktien. Aber die Frage der Anleger heißt natürlich immer auch: Welche Alternativen gibt es? "In hyperinflationären Zeiten kann man einen größeren Teil seines Vermögens mit Aktien oder anderen Sachwertanlagen retten als etwa mit Geldvermögen", sagt Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut. "Kursverluste wird es aber auf jeden Fall geben."

Anleihen

In einer Inflation ist Bargeld ein Verlustgeschäft und Anleihen büßen Wert ein, denn die Teuerung schmälert oder vernichtet ihre Rendite. Drei Prozent nominale Rendite werden bei einer Inflation in gleicher Höhe zu real null Prozent, die Steuern sind da noch nicht berücksichtigt. Gerade zu Beginn einer Phase hoher Teuerung rutschen die Anleihenkurse ab. "Wer erwartet, dass die Inflation bald ins Laufen kommt, steckt sein Erspartes in den Geldmarkt, kauft Anleihen mit variabler Verzinsung oder inflationsindexierte Papiere, die ihren Käufern eine bestimmte reale Verzinsung sichern", empfiehlt Uwe Burkert von der Landesbank Baden-Württemberg. Die Notenbank wird auf ein Anziehen der Teuerungsraten mit höheren Zinsen antworten, am Geldmarkt steigt das Zinsniveau dann ebenfalls rasch - das bietet einen gewissen Ausgleich zur Teuerung. Auch bei langlaufenden Anleihen steigen die Renditen, das allerdings führt erst einmal zu herben Kursverlusten. Also: Finger weg! Unternehmen und Staaten, die sich am Rentenmarkt Kapital beschaffen wollen, müssen mit anhaltender Inflation immer höhere Kupons draufschreiben. Anleger können also getrost warten und auf eine höhere Nominalverzinsung der nächsten Anleihe hoffen.

Rohstoffe und Immobilien

Typischerweise werden in der Inflation Waren gehortet, da diese ihren Wert nicht verlieren. Das Horten allerdings treibt die Inflation an, da die Güter immer knapper werden. Gut für den, der Sachwerte besitzt. In einer Hyperinflation bunkern die Menschen also Schnaps, Zigaretten und Lebensmittel. Wer es sich leisten kann, legt sein Vermögen in Grundstücke, Rinderfarmen oder Rohstoffe an und profitiert so von Preissteigerungen. Das zahlt sich schon bei hohen einstelligen Inflationsraten aus. Allerdings ist es nicht so, dass alle Rohstoffe gleichermaßen von hoher Inflation profitieren. "Wenn ich einen Inflationsanstieg erwarte, muss meine Antwort ,Energierohstoffe' sein und nichts anderes, denn Energie ist der größte Preistreiber", sagt Fondsmanager Eibl. Nicht zu vergessen sind als Inflationsschutz Edelmetalle wie Gold und Silber. "Die Investoren kaufen schon jetzt wie wahnsinnig Gold", so Eibl. "Die große Kaufpanik kommt aber erst noch, wenn die Inflation kommt." Viele Rohstoff-Anlagen haben aber ihre Tücken. Nicht immer entwickeln sie sich so wie erwartet. Wer etwa Zertifikate oder Indexfonds kauft, investiert nicht in physisches Gold oder Erdöl, er kauft Terminmarktkontrakte. Da ihre Laufzeit begrenzt ist, muss die Bank sie regelmäßig kurz vor dem Laufzeitende in ein neues Kontrakt tauschen, das länger läuft. Mit steigenden Preisen verlieren Anleger dabei Geld, wenn das Anschlusskontrakt teurer ist als das auslaufende. Das führt zu Frust. Goldmünzen oder eine Immobilie könnten da mehr Freude als Inflationsschutz machen.

Disinflation

Es ist das unspektakulärste Szenario, aber wohl auch das wahrscheinlichste. Die Welt zwischen den Extremen Inflation und Deflation ist wohltemperiert. Die Konjunktur fasst Tritt, die Wirtschaftsleistung wächst in den USA und Europa Jahr für Jahr um etwa zwei Prozent. Gleichzeitig bleiben alte Probleme hartnäckig bestehen: Die hohe Staatsverschuldung, die nur zögerliche Genesung der Banken und die Vertrauenskrise im Euroraum hemmen das Wachstum. Dies ist der Preis der Krise. Die Globalisierung rollt dennoch weiter, allerdings reicht die Kraft Chinas, Indiens und Brasiliens nicht, um das weltweite Wirtschaftswachstum auf das rasante Tempo der Vorkrisenjahre zu beschleunigen. Die Unternehmer haben zunächst noch freie Produktionskapazitäten, niemand muss in den Industrieländern eine Lohn-Preis-

Spirale fürchten - schon gar nicht in der Mittelmeerregion; die Rohstoffpreise sind im Zaum; die Verbraucherpreise legen in den USA und Europa jährlich um etwa zwei Prozent zu. Ein intensiver Wettbewerb und eine moderate Nachfrage sorgen dafür, dass die Preise nicht überhitzen. Die Inflationserwartungen sind stabil. Die US-Notenbank hält - trotz des spürbaren Aufschwungs - an ihrer Nullzinspolitik fest, um die Genesung der Wirtschaft nicht zu gefährden. Auch die EZB lässt sich Zeit mit der Zinswende.

Aktien

Es ist ein Wohlfühlszenario für die Börsen. "Aktien sind ganz klare Favoriten bei geringem Wachstum und niedriger Inflation", sagt Allianz-GI-Fachmann Naumer. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne ziehen ein wenig an, die Nachfrage verbessert sich. Die Unternehmen können ihre Margen halten, Preisentwicklungen an Kunden weitergeben, die Gewinne der Aktiengesellschaften legen weiterhin kräftig zu - und erlauben damit höhere Aktienkurse. In Europa sind die Aktien ohnehin günstig bewertet, insbesondere im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Anleihen oder Gold. Natürlich sind nicht alle Sorgen weggeblasen: Der harte Sparkurs in Europa führt dazu, dass sich die Länder auf dem alten Kontinent langsamer erholen. Steigende Steuern und sinkende Staatsausgaben verhindern einen dynamischen Aufschwung. Deshalb ist es nicht einfach, Firmen mit Wachstumspotential in Europa zu finden. Alexander Scurlock, Manager des Fidelity European Growth Fund, bevorzugt deshalb Unternehmen, die in den Schwellenländern aktiv sind und Firmen, die von der Konjunkturerholung besonders stark profitieren, aber auch Exporteure, Personaldienstleister und Logistikanbieter. Vor allem den Exporteuren dürfte der schwache Euro Auftrieb geben, glaubt Scurlock. Daneben setzt der Fondsmanager auf Unternehmen mit monopolistischer Preismacht, dazu zählt er Banken, die sich in der Krise bewährt haben, Brauereien und Bergbaugesellschaften.

Anleihen

Bargeld und Anleihen machen nicht allzu viel Freude. Die Zinsen für Tagesgeld bleiben mickrig. Das gilt auch für sichere Zinspapiere. Bundesanleihen bieten bei zehn Jahren Laufzeit gerade einmal 2,5 Prozent Rendite. Zieht die Inflation auch nur ein klein wenig an, bleibt davon nicht viel übrig. Und Teuerungsraten von rund zwei Prozent sind in normalen Zeiten durchaus zu erwarten. Mittelfristig müssen Sparer damit rechnen, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht, wenn auch nur in Trippelschritten. "Da verlieren Sie mit Anleihen am laufenden Band Geld, ohne dass Sie es merken", sagt Kapitalmarktexperte Naumer. Das Gleiche gilt für Unternehmensanleihen, die bei guter Bonität des Emittenten gegenwärtig nur bescheidene Renditen bieten.

Rohstoffe und Immobilien

Für Rohstoffanlagen ist entscheidend, ob die Disinflation mit schwachem Wachstum einhergeht. Denn die Angebotsseite bleibt normalerweise stabil: Die Unternehmen fördern wie gewohnt Öl, Gas und Erze. Schwächelt die Nachfrage, kommt es schnell zu einem Überangebot. Anleger müssen sich deshalb genau Angebot und Nachfrage jedes einzelnen Rohstoffs ansehen. Eine entscheidende Rolle spielt hier China, das je nach Sektor für 40 bis 80 Prozent der zusätzlichen Rohstoffnachfrage verantwortlich ist. Setzen die Frühindikatoren das richtige Signal, wird sich das Wachstum in den Schwellenländern 2011 abschwächen und mit ihm das Ölverbrauchswachstum. Große Preissprünge sind bei Öl dann nicht zu erwarten, selbst wenn der Aufschwung in den Industrieländern anhält. Bei den Industrierohstoffen rechnen Experten für die kommenden Monate mit rückläufigen Kursen. Gleichzeitig gehen sie davon aus, dass die Teuerung bei Lebensmitteln weiter zunimmt. Und noch etwas gilt es zu bedenken: Rohstoffpreise reagieren nicht nur auf die Konjunktur. Zu Jahresbeginn beispielsweise sind sie unter Druck geraten, weil die Euro-Krise Anleger verunsichert hat; schwindet die Risikofreude, leiden die Notierungen von Rohstoffen, auch wenn es der Wirtschaft gut geht.

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