Geldanlage:Warum sich Aktien für Sparer jetzt besonders lohnen

Letzter Handelstag 2008 an der Börse

Mit Bulle und Bär, den Symbole für sinkende und steigende Aktienkurse, sollten sich Sparer momentan besonders vertraut machen.

(Foto: dpa)
  • Sicher und zugleich gewinnbringend zu sparen ist schwierig geworden, seit die großen Zentralbanken die Zinsen immer weiter gesenkt haben.
  • Für Sparer, die etwas Geld übrig haben, kann es sich derzeit lohnen, in Aktien zu investieren. Durch Dividenden kann man doppelt profitieren. Und durch spezielle Fonds lässt sich sogar das Risiko minimieren.

Von Harald Freiberger und Jan Willmroth

Die türkisfarbene Dose sieht noch fast so aus wie vor hundert Jahren. Die Rezeptur der Zinksalbe ist noch die gleiche, die Zahl der Kunden, die auf sie schwören, bleibt stabil. Auf wenige Dinge im Kosmetikregal können Kunden so blind vertrauen wie auf Penaten-Creme. Und auf wenige Unternehmen ist so sehr Verlass wie auf den Konzern hinter der Salbe: Die amerikanische Gesellschaft Johnson & Johnson, notiert an der Börse seit 1944, zahlt seither in jedem Jahr eine Dividende. 2015 war es das 53. Mal in Folge, in dem die Firma ihre Gewinnbeteiligung erhöht hat.

Johnson & Johnson gehört eigentlich zu jenen Konzernen, deren Aktien als langweilig gelten: Eine alte, große Firma, erprobtes Geschäftsmodell, keine Wunder, keine großen Sprünge im Aktienkurs - und keine großen Überraschungen. Genau solche Aktien sind aber derzeit interessant.

Es ist nämlich verdammt schwierig geworden, zugleich sicher und gewinnbringend zu sparen. Viele sagen: unmöglich. Seit die großen Zentralbanken die Zinsen immer weiter gesenkt haben - der europäische Leitzins liegt jetzt bei null - sind weder Sparbücher, Lebensversicherungen noch sichere Schuldpapiere renditeträchtige Alternativen. Die Inflation mag niedrig sein, die meisten sicheren Anlageprodukte sind trotzdem geringer verzinst. Sparer verlieren derzeit also sehr wahrscheinlich Geld. "Wer auf ein stetiges Einkommen mit seinem Sparvermögen Wert legt, muss mehr Risiken eingehen und vom Sparer zum Anleger werden", sagt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei der Fondsgesellschaft Fidelity International. Die Zeiten, in denen man das mit Bundesanleihen oder vergleichbar sicheren Papieren erreichen konnte, seien vorbei.

Die Dividendenrendite im Dax liegt im Durchschnitt bei mehr als drei Prozent

Schon vor bald zwei Jahren hat irgendein findiger Marketingstratege aus der Fondsbranche deshalb den Spruch erfunden, Dividenden seien die neuen Zinsen. Das stimmt nicht: Mit Dividenden schenken Konzerne ihren Eignern einen Teil des Gewinns; Zinsen sind versprochene, stetige Zahlungen an Gläubiger. Nur Aktionäre erhalten Dividenden. Und Aktionär sein heißt: sein Vermögen aufs Spiel setzen. "Die schönste Dividende bringt nichts, wenn sich der Kurs halbiert", sagt Michael Haker von der Fonds-Ratingagentur Morningstar. Zinsen und Dividenden seien völlig verschiedene Dinge.

Wer sich der Risiken bewusst ist, kann mit Dividendenpapieren trotzdem besser fahren, vor allem, wenn er langfristig sparen will. Zum Beispiel für die Altersvorsorge. "In Aktien sollte man nur mit Geld investieren, das man nicht dringend braucht", sagt Haker. Auf Sicht von drei Monaten sei die Entwicklung von Aktien immer unsicher. Doch langfristig rentieren sie besser als alle anderen Anlageformen.

Mit Dividendenstrategien lassen sich die Risiken zudem verringern. Die Dividendenrendite, also die Ausschüttung gemessen am Aktienkurs, liegt für die 30 Unternehmen im deutschen Leitindex Dax derzeit bei deutlich mehr als drei Prozent. 24 von 29 Dax-Konzernen, die bisher ihre Dividende für 2015 veröffentlichten, erhöhten die Ausschüttung. "Im Umfeld der niedrigen Zinsen ist das ein starkes Signal, sich gedanklich mit der Beimischung von Dividendenpapieren zu befassen", sagt Martin Steinbach, Aktienexperte des Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY).

Mit Dividendenfonds lassen sich Risiken streuen

Anlagespezialisten von Allianz Global Investors haben in einer vor Kurzem veröffentlichten Studie den Effekt von Dividenden auf die Entwicklung europäischer und amerikanischer Aktien untersucht. Der Abstand zwischen Dividendenrenditen und den Renditen europäischer Staats- und Unternehmensanleihen sei im historischen Vergleich selten so groß wie heute gewesen, heißt es darin.

Außerdem entwickelten sich dividendenstarke Aktien erstens im Vergleich zu Titeln mit niedrigen oder überhaupt keinen Dividenden im langfristigen Vergleich deutlich besser. Die Entwicklung des MSCI Europa, ein Index für europäische Aktien, wurde seit 1970 zu etwa 39 Prozent allein durch den Beitrag von Dividenden beeinflusst. Zweitens schwanken die Aktienkurse von verlässlichen Dividendenzahlern weniger. Insgesamt, urteilen die Allianz-Analysten, lieferten Dividenden also einen stabilisierenden Beitrag für das Depot.

Dividendenaktien haben in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Fondsgesellschaften und Banken legen immer mehr Indexfonds (ETF) und Fonds auf, die in Aktien mit hoher Ausschüttung investieren. Ein Grund dafür ist auch, dass professionelle Anleger wie Pensionsfonds oder Versicherungen, die langfristig in Aktien investieren, nur über die Dividende jährlich Kapital bekommen, um ihre Kosten zu decken - Zinsen gibt es ja kaum mehr.

Privatanleger, die in Dividendenaktien investieren wollen, stehen vor der Frage, wie sie dies am besten tun. Dabei gilt dasselbe wie für Aktien allgemein: nicht in einzelne Aktien investieren, möglichst breit streuen. Selbst stets zuverlässige Dividenden-Zahler können in die Krise kommen, wie man am Beispiel des Energiekonzerns RWE sieht, der die Dividende für Inhaberaktien diesmal ausfallen lässt.

Wer auf Dividenden setzt, kann doppelt profitieren

Auf zwei Wegen lässt sich das Geld relativ einfach streuen: über ETFs, die spezielle Dividenden-Indizes nachbilden. Das sind Aktien-Indizes, die bevorzugt Papiere mit hoher Ausschüttung abbilden. Es gibt zum Beispiel einen Div-Dax, in dem sich die 15 Werte mit der höchsten Dividendenrendite aller 30 deutschen Dax-Konzerne befinden. Fonds-Experte Haker rät zu einem breiter investierenden Dividenden-ETF wie den Euro Stoxx Select Dividend 30, der die 30 europäischen Großkonzerne mit der höchsten Ausschüttung abbildet. Gleichzeitig ist hier das Fremdwährungsrisiko ausgeschaltet, das bei US-ETFs besteht. Ein Beispiel dafür ist der S&P High Yield Dividend Aristocrats, der allein in US-Aktien investiert, die generell eine längere und kontinuierlichere Dividenden-Tradition haben - siehe Johnson & Johnson. Solche Werte werden auch "Dividenden-Aristokraten" genannt. In Deutschland kommen ihnen die Versicherer Allianz und Munich Re am nächsten. Auch einige kleinere Unternehmen haben eine lange Geschichte als verlässliche Dividendenzahler.

Der zweite Weg, in Dividendenpapiere zu investieren, sind aktiv gemanagte Fonds. Der bekannteste ist der DWS Top Dividende. Gute Noten von Morningstar erhalten auch der Blackrock European Equity Income, der Fidelity Global Dividend Fund und der M&G Global Dividend. Aktiv gemanagte Fonds sind teurer als die passiven ETFs, bei denen nur Verwaltungsgebühren von 0,30 bis 0,50 Prozent pro Jahr anfallen; bei Fonds mit aktivem Management sind es in der Regel 1,40 bis über 1,80 Prozent. Trotzdem können sich solche Fonds lohnen: Bei europäischen Dividendenaktien schlugen immerhin 60 Prozent der Fondsmanager 2015 den Vergleichsindex, fand Morningstar heraus. Eine andere Erkenntnis: ETFs und Fonds mit Dividendenaktien schwanken kaum weniger als solche mit "normalen" Aktien - ein Argument mehr dafür, in solche Papiere nur langfristig zu investieren.

Erkenntnisse aus der empirischen Finanzmarktforschung stützen zudem die These vom positiven Einfluss der Dividenden auf die Aktienkurse. Die Finanzforscher Doron Nissim und Amir Ziv von der New Yorker Columbia Universität zeigten 2001 in einem Papier, dass Aktien von Unternehmen, die ihre Dividende erhöhten, in den Folgejahren stärker im Preis gestiegen sind. Wer auf Dividenden setzt, kann also mitunter doppelt profitieren: Von steigenden Gewinnausschüttungen - und von relativ stärker steigenden Kursen.

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