Geldanlage:Traut euch was, legt euer Geld an!

Die Deutschen misstrauen der Börse und sparen lieber. Langfristig werden aber nur die ihr Vermögen mehren, die aktiv mit ihrem Geld umgehen.

Kommentar von Stephan Radomsky

Die Reflexe sind so einfach wie vorhersehbar. Sagt einer "Niedrigzinsen", heißt es "Sparer-Enteignung!", zum Stichwort "Börse" kommt "Zocker!" als Antwort. Gerade jetzt, wo die Aktienkurse unter Druck sind, wo die Verwerfungen an Chinas Börsen die Anleger weltweit verunsichern, werden sich die vermeintlichen Warner und Mahner wieder bestätigt fühlen. Zu Unrecht.

Die Deutschen, so scheint es, wollen sich einfach nicht mit ihrem Geld beschäftigen. Sie wollen nicht darüber nachdenken und schon gar nicht darüber reden. Am besten, sie können es irgendwo abwerfen, sich jahre- oder besser noch jahrzehntelang nicht darum kümmern, um es irgendwann wieder abzuholen. Dann aber mit satter Rendite bitte schön.

Allein: So kann Vermögensaufbau nicht funktionieren. Nicht heute, wo Leit-, Darlehens- und Sparzinsen historisch niedrig sind und es wohl auch noch eine Weile bleiben. Aber auch nicht damals, als es in scheinbar seligen Sparer-Zeiten noch ordentliche drei Prozent aufs Sparbuch gab. Da lag die Inflation nämlich meist auf ähnlichem Niveau, das belegen die Daten der Bundesbank für lange Zeiträume. Real wuchs das Ersparte also auch nicht wirklich, nur die jährliche Zinsgutschrift sah hübscher aus.

Nicht einmal damit dürfen Sparer in nächster Zeit jedoch rechnen. In den USA steigen die Leitzinsen zwar wieder, das aber wohl nur sehr langsam. In Europa wird nicht einmal das absehbar der Fall sein. EZB-Präsident Mario Draghi hat klargemacht, dass er das Geld sogar eher noch billiger machen will.

Unternehmerisch denken ist angesagt

Wer es wirklich mehren will, muss unternehmerisch denken, damals wie heute. Er muss die Perspektive wechseln, vom Sparer zum Anleger - Börsenturbulenzen und Verunsicherung hin oder her. Da nützt es auch nichts, dass vielen Sparern dieser Sprung zutiefst zuwider sein wird. Der offensivere Umgang mit dem eigenen Geld ist keine Glaubensfrage, er ist die einzige Alternative für alle, die ihr Vermögen mehren möchten. Wirklich vom volkswirtschaftlichen Wachstum profitieren wird nur, wer dazu bereit ist.

Natürlich, das ist mit Risiken verbunden. Aber nur dafür gibt es Rendite, sie ist die Belohnung für ein finanzielles Wagnis. Wer verspricht, völlig risikolos acht Prozent Zinsen zu zahlen, ist ein Scharlatan - und wer ihm glaubt, wird verlieren. So war es am Neuen Markt, so lief es mit Schiffs- und Immobilienfonds, so ging es den Geldgebern von Prokon und S & K. Nur: Das taugt nicht ernsthaft zum Argument gegen eine aktive Geldanlage.

Das sture Festhalten an Lebensversicherungen hat ausgedient

Wie problematisch dagegen stures Festhalten am althergebrachten Sparen ist, zeigt die Lebensversicherung. Jahrzehntelang war sie die beliebteste Altersvorsorge der Deutschen, lockend mit stattlichen Zinsgarantien und noch höheren Renditeversprechen. Noch immer gibt es an die 70 Millionen Policen, fast so viele wie Menschen im Land. Für die Versicherungskonzerne waren sie lange ein blendendes Geschäft, sie kassierten hohe Gebühren und legten das Geld der Kunden schließlich auch nur am Kapitalmarkt an. Inzwischen haben sie aber größte Mühe, ihre alten Zusagen von bis zu vier Prozent Mindestverzinsung noch zu erfüllen. Heute sind noch maximal 1,25 Prozent fixe Zusage bei Neuverträgen erlaubt. Und dass es die auch weiterhin geben soll, ist wohl vor allem eine Sicherheitsmaßnahme, damit sich die Konzerne im Konkurrenzkampf nicht endgültig übernehmen.

Die Lebensversicherung ist damit im Grunde zum Fonds-Sparplan mit Sicherheitsnetz geworden: Der Kunde bekommt am Ende zumindest das heraus, was er über die Jahre einbezahlt hat - plus einer eher symbolischen Garantierendite, aber abzüglich der viel zu hohen Kosten. Dafür bindet er sich über Jahrzehnte an einen Anbieter, den er kaum ohne neue Kosten wechseln kann. Die Lebensversicherung ist damit zwar bequem, auf lange Sicht ist sie aber höchstwahrscheinlich ein schlechtes Geschäft.

Dabei ist es weder kompliziert noch teuer, sich über bessere Alternativen zu informieren. Für kleines Geld bieten zum Beispiel die Verbraucherzentralen Ratgeberliteratur an, die auch Anfängern einen Einstieg bietet, sei es bei der Altersvorsorge, bei Aktien oder Immobilien.

Enteignen wird sich der Sparer also am ehesten selbst, dann, wenn er treu den Versprechen der Verkaufsprofis folgt. Oder, noch schlimmer, wenn er der Gier erliegt und windigen Geschäftemachern aufsitzt. Sich mit dem eigenen Geld auseinanderzusetzen und es - informiert auch über die Risiken - zu investieren, hat nichts mit Zockerei zu tun. Es ist zwar aufwendiger, als reflexhaft scheinbar einfache Antworten zu geben. Aber es ist der vernünftige Weg, mit Geld umzugehen.

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