Geldanlage:Japanische Magie

First Trading Day For 2013 As Japan Exchange Group Starts Trading On Tokyo Stock Exchange

Seit Neujahr hat die Tokioter Börse schon wieder um 13 Prozent zugelegt. Die Party geht noch lange weiter, wenn es nach dem Willen der Regierung geht.

(Foto: Kiyoshi Ota/Bloomberg)

Rasant steigende Kurse - obwohl die Anleger Aktien verkaufen? Die Regierung in Tokio macht es möglich. So will sie das Land aus der Lethargie reißen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Am Montag war es soweit: Der Nikkei-Index erreichte mit 19 769 Punkten seinen höchsten Stand seit 15 Jahren. Seit Neujahr hat der Tokioter Leitindex 13 Prozent zugelegt. Schon vorige Woche jubelte die Wirtschaftszeitung Nikkei, Japans Börse habe sich vom Dow Jones gelöst. Sie stehe am Beginn einer längeren Hausse. Während die Anleger in New York Zinserhöhungen fürchteten, "dürften Japans Aktien am Start einer autonomen Rally stehen".

Die Regierung in Tokio will das als Zeichen eines wiedergewonnenen Vertrauens in die Wirtschaft des Landes verstanden wissen. Japans Exportfirmen erwarteten dieses Jahr satte Profite, findet sie. Und vergisst bewusst, dass sich diese zu guten Teilen aus heimgeholten Gewinnen ausländischer Tochterfirmen ergeben, die in Yen umgerechnet werden. Da die japanische Währung um ein Drittel schwächer ist als 2013, sind sie in Yen gewechselt um ein Drittel größer. Japanische Finanz-Magie.

Ostasien wähnte sich schon einmal immun gegen Erschütterungen der US-Finanzmärkte. Der Währungsfonds sprach 2007 von einem "Decoupling". Man glaubte, Asiens Börsen hätten sich von Amerika abgekoppelt. Demnach hätte der Lehman-Schock kaum auf die Volkswirtschaften Asiens übergreifen sollen. Die tiefe Krise, in die das schon seit den 1990er-Jahren schwächelnde Japan von 2009 an taumelte, strafte die Theorie Lügen. Jetzt wird in Japan wieder eine Entkoppelung beschworen. Einige Medien freuen sich sogar, dass der Nikkei mit mehr 19 000 Punkten den Dow Jones numerisch überflügelt habe. Zwar legen auch die Börsen in New York und Europa derzeit deutlich zu. Die extrem lockere Geldpolitik ("Quantitative Easing", kurz "QE") vieler Notenbanken hat die Welt mit Cash überschwemmt, das Anlagemöglichkeiten sucht. Japan lockert freilich viel radikaler.

Optimisten glauben, das Land sei gegen all die Krisen der Welt immun

Notenbankchef Haruhiko Kuroda nennt seine Geldpolitik "QQE", "Quantitative and Qualitative Easing": Die Bank of Japan (BoJ) kauft am Markt für 80 Billionen Yen pro Jahr (600 Milliarden Euro) japanische Staatsanleihen, das Doppelte aller neu ausgegebenen Staatspapiere. Damit trocknet sie den Obligationen-Markt aus und hält die Zinsen künstlich tief.

Wichtiger noch: Über sogenannte ETF (Exchange Traded Funds) kauft sie auch japanische Aktien. Und zusätzlich Immobilien-Papiere. Diesen Monat erwarb die Notenbank an vier Terminen ETFs für jeweils 35,2 Milliarden Yen (270 Millionen Euro). An diesen Tagen gab der Nikkei-Index jeweils etwas nach. Die Käufe der Bank of Japan hätten ihn gestützt, damit er nicht noch tiefer tauche, wie Marktteilnehmer glauben. Die Kurse kleiner Titel, die weniger beachtet werden, bleiben derzeit markanter hinter den großen Namen zurück als sonst.

Wenn die Wirtschaftszeitung Nikkei meint, Tokio stehe am Anfang einer "autonomen Rally", dann nicht, weil die hiesige Wirtschaft das Vertrauen der Anleger zurückgewonnen hätte. Japanische Privatanleger bleiben skeptisch. Sie haben, obwohl der Nikkei-225 in den vergangenen zwei Jahren fast 70 Prozent zugelegt hat, sowohl im Jahr 2013 wie erneut 2014 netto Aktien abgestoßen.

Die Zuversicht der Medien stützt sich nicht auf die Gesundung der Wirtschaft, sondern auf die Markteingriffe der BoJ und der Regierung. Wie die Japan Times schrieb, wissen "alle Marktteilnehmer", dass die Kurse "durch die massiven Käufe öffentlicher Fonds, unter ihnen der Pensionsfonds und die Bank of Japan mehr oder weniger in die Höhe getrieben" würden.

Die Regierung von Premier Shinzo Abe hat den staatlichen Pensionsfonds - mit einem Kapital von 1,15 Billionen Euro ist er der größte der Welt - im Oktober angewiesen, seine Strategie zu ändern. Seither verdoppelt er den Anteil japanischer Aktien von bisher zwölf Prozent seines Portfolios auf 25 Prozent. Das heißt, er erwirbt in diesen Monaten für mehr als 100 Milliarden Euro Aktien. Bislang investierte der Fonds die Renten-Guthaben der Japaner konservativ und vor allem in Staatsanleihen.

Offiziell soll der Fonds so seine Profitabilität verbessern. Aber Shinzo Abe und Haruhiko Kuroda haben auch schon oft eine andere Formel ausgegeben: Wenn es gelinge, die wirtschaftlichen Erwartungen der Japaner zu verbessern, dann wachse auch die Wirtschaft wieder. Mit anderen Worten: In Japan sollen steigende Aktienkurse zu Wirtschaftswachstum führen. Bislang kannte man das nur andersherum.

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