Geldanlage:Fakten? Nein, danke

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China? Eine einzige Enttäuschung. Stattdessen setzen Anleger auf andere Schwellenländer, zum Beispiel Chile, Peru oder Thailand. Doch die Investments dort sind riskant.

Catherine Hoffmann

Die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben sich. Während Industriestaaten wie die USA und Großbritannien unter riesigen Schuldenbergen ächzen, gewinnen aufstrebende Volkswirtschaften in Asien und Lateinamerika an Bedeutung. Diese Tatsache an sich überrascht nicht, wohl aber die Schnelligkeit, mit der China, Indien, Brasilien und andere Schwellenländer nach der Finanzkrise durchgestartet sind. Das zeigt sich auch an den Börsen. Der MSCI Welt, ein Aktienindex für die Erste Welt, gewann 2010 zwar 8,9 Prozent. In den Schwellenländern legten die Kurse, gemessen am MSCI Emerging Markets, aber kräftiger zu, nämlich um 13,7 Prozent.

In Chile werden etliche Aktien inzwischen so absurd hoch bewertet, dass es deutsche Anleger an die Zeiten der Internetblase am Frankfurter Börsensegment Neuer Markt erinnert. (Foto: dapd)

In vielen Industrienationen herrscht im dritten Jahr nach der Lehman-Pleite Katerstimmung, die Konjunkturdaten fallen beunruhigend schwach aus, die Währungen wackeln, und die Regierungen stoßen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Die aufstrebenden Wirtschaftsnationen scheinen dagegen in einer anderen Welt zu leben, einer mit hohen Wachstumsraten, starken Währungen und steigenden Aktienkursen.

"Die Schere geht weiter auf", glaubt Jens Wilhelm, für das Portfoliomanagement zuständiges Vorstandsmitglied bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. "Bei aller Ungewissheit von Prognosen ist klar: Das 21. Jahrhundert gehört den Emerging Markets, ihre ökonomische und politische Bedeutung wird zunehmen."

Das überdurchschnittliche Wachstum ließ sich in der Vergangenheit in stattliche Gewinne am Aktienmarkt ummünzen. Blicken Anleger zehn Jahre zurück, so haben sie mit Unternehmenspapieren aus etablierten Märkten keinen Cent verdient; der Aktienindex für die Schwellenländer schnellte dagegen um 240 Prozent in die Höhe. Ein stetiger Kursanstieg freilich sieht anders aus: Wer sein Geld in Shanghai, Mumbai, São Paulo oder Moskau investiert, braucht starke Nerven.

Viele Fondsmanager und Privatanleger wurden 2010 davon überrascht, dass etliche kleinere und risikoreiche Märkte deutlich besser liefen, als die großen und bekannten. Thailand, Malaysia, Indonesien, die Philippinen, Chile und Peru fielen durch hohe zweistellige Zuwächse von bis zu 63 Prozent auf. Das hätte wohl niemand gewagt vorherzusagen. Bangkok drohte nach Unruhen im Frühjahr der Bürgerkrieg. Malaysia hat die hohen Gewinne seiner Börse vor allem der starken Aufwertung der Landeswährung Ringgit zu verdanken. Und in Chile werden etliche Aktien inzwischen so absurd hoch bewertet, dass es deutsche Anleger an die Zeiten der Internetblase am Frankfurter Börsensegment Neuer Markt erinnert.

Und noch etwas hat die Börsianer verwundert: Ausgerechnet in China, der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Welt, wollten die Kurse nicht mehr recht laufen. "Die Volksrepublik war eine große Enttäuschung", sagt Thomas Gerhardt, Chef des Teams für Emerging Markets bei der DWS, Fondstochter der Deutschen Bank. Warum es so schlecht lief, lässt sich nur schwer sagen. Das Gewinnwachstum der Unternehmen ist so hoch wie nie, Aktien sind für chinesische Verhältnisse niedrig bewertet.

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Doch dies zählte in den Köpfen der Anleger nicht viel, sie ließen sich von schlechten Nachrichten in den Bann ziehen: den nicht abreißenden Warnungen vor einer Immobilienblase und den faulen Krediten in den Bilanzen der Banken. Kummer bereitet Investoren auch der Versuch der Notenbank, die Wirtschaft abzukühlen, um die Inflation zu dämpfen.

Gerhardt hält die Sorgen der Anleger für übertrieben: "Die Entwicklung wird langsam irrational", sagt der Fondsmanager. "Wenn die Unternehmensgewinne in dem Maße weiter steigen wie bisher, wird sich das über kurz oder lang auch in den Aktienkursen niederschlagen."

Daran würden auch die vorsichtigen Bremsmanöver der chinesischen Zentralbank nichts ändern. Was die notleidenden Kredite in den Büchern der Banken angehe, so habe sich deren Anteil an allen Darlehen im zurückliegenden Jahr sogar halbiert. Das Beispiel Chinas zeigt: Manchmal interessieren sich Anleger nicht sonderlich für Fakten.

Als Faktum gilt auch, dass die Chinesen ihre Wirtschaftsleistung 2010 um 10,5 Prozent steigern werden. Im kommenden Jahr werde es kaum weniger sein, schätzen die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds.Auch der große Rivale Indien wartet mit gewaltigen Wachstumszahlen von 9,7 Prozent in diesem Jahr auf. In Brasilien boomt die Konjunktur mit plus 7,5 Prozent. Selbst die russische Wirtschaft, vor einem Jahrzehnt noch geplagt von der schweren Rubelkrise, soll 2010 mit 4,3 Prozent deutlich stärker anziehen als beispielsweise die US-amerikanische.

Mit ihren hohen Wachstumsraten treiben die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China die gesamte Weltwirtschaft an. Davon profitieren viele kleinere Schwellenländer in Asien, Lateinamerika, ja sogar in Afrika. Und noch etwas ändert sich gerade: "Wachstum entsteht nicht mehr nur durch Export, sondern wird zunehmend durch lokale Nachfrage getrieben", sagt Aktienstratege Gerhardt.

Brasilien und Indien etwa haben verstanden, dass sie wie China massiv in ihre Infrastruktur investieren müssen. Und natürlich in Bildung, um Wachstum und Wohlstand zu stabilisieren. In großem Tempo wächst in der Zweiten Welt eine neue Mittelschicht heran, die eine große Nachfrage entfalten wird. An der Börse wetten viele Fondsmanager schon heute darauf.

© SZ vom 29.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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