Geldanlage:Die politische Börse

Fliehen Anleger in Scharen aus Aktien, sind oft die Regierungen schuld. Nicht nur in Vietnam und Russland reagieren Investoren empfindlich auf Fehler des Staates.

Catherine Hoffmann

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AFP, Olympiade in Peking

Quelle: SZ

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Fast hätten es die Anleger vergessen: Die Börsen der aufstrebenden Volkswirtschaften sind auch politische Börsen. Und die haben nicht nur kurze Beine, wie man ihnen gemeinhin andichtet. Wenn Moskau in Georgien einen Krieg anzettelt, ziehen sich die Investoren erschrocken vom Aktienmarkt zurück.

Dass sich die Kurse nicht vom Treiben der Regierungen und Notenbanken freimachen können, zeigt eine Reihe von aktuellen Beispielen. Die Ausnahme China bestätigt die Regel.

China: Müder Drachen So haben sich die Chinesen das nicht vorgestellt. Die Pracht und Herrlichkeit der Olympischen Spiele in Peking strahlt so gar nicht auf den Aktienmarkt ab.

Der Shanghai Composite Index ist seit dem Beginn der Spiele am vergangenen Freitag deutlich gefallen. Seit dem jüngsten Kurshoch im Oktober haben Anleger mit chinesischen Aktien rund 60 Prozent eingebüßt.

Vermutlich hoffen die armen chinesischen Zocker noch immer darauf, dass es einer Regierung mit einem "wheather modification department", das den Regen vertreiben soll, auch gelingt, die heimischen A-Aktien vor weiteren Unbilden zu schützen. Doch bislang drücken der weltweite Konjunkturabschwung und die hohe Inflation in China die Wachstumschancen und Gewinnmargen der Unternehmer. Das spricht gegen höhere Kurse.

Die Macht der Regierung ist begrenzt, wenn es darum geht, den Aktienmarkt zu beleben. Sie kann die Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften kaum davon abhalten, im großen Stil chinesische Aktien abzustoßen. Bislang bleiben die chinesischen Athleten mit ihren vielen Goldmedaillen die bessere Wette.

Foto: AFP, Olympiastadion Peking

Reuters, Indien

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Indien: Land der Extreme Jeder kennt die Anlagestory von Indien: Ein Milliardenvolk befindet sich auf dem Weg zur Konsumweltmacht. Vorerst hat diese Geschichte ihren Glanz verloren - der Leitindex der Börse Bombay büßte seit Januar ein Viertel seines Wertes ein.

Schon Mitte Oktober war der Markt plötzlich um rund zehn Prozent eingebrochen. Die Regierung hatte zuvor angekündigt, den Zugang für ausländische Investoren erschweren zu wollen.

Danach ging es noch einmal aufwärts, aber der Aufschwung war nicht von Dauer. Im Januar drehte die Stimmung jäh - ein Umdenken hatte eingesetzt. Inzwischen ist den Anlegern klar: Die Wirtschaft wird 2008 und 2009 zwar kräftig wachsen, aber nicht mehr so schnell wie gewohnt.

Größere Sorgen noch bereiten die steigenden Inflationsraten, zumal die Notenbank mit ihren Zinssenkungen der Teuerung hinterherläuft. Investoren erinnern sich wieder: In dem Land gibt es immer noch eine große Bürokratie, ethnische und geopolitische Konflikte, eine hohe Verschuldung des Staates sowie ein anhaltendes Budget- und Leistungsbilanzdefizit - mithin nicht gerade das ideale Umfeld für steigende Aktienkurse.

Foto: Reuters, Shopping mall in Bombay

obs/BASF SE, Juschno Russkoje

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Russland: Böser Bär Der russische Bär ist wieder zurück. Bis Mitte Mai hielt sich der Aktienindex der Börse Moskau besser als jedes andere europäischen Börsenbarometer. Denn die Russen haben etwas, was andere Länder nicht haben: Öl.

Russland ist der zweitgrößte Ölexporteur der Welt nach Saudi- Arabien. Deshalb erlebt das Land seit Jahren ein enormes Wirtschaftswachstum, getrieben durch den steigenden Ölpreis. Das hat auch den Öl- und Gaskonzernen wie Lukoil und Gazprom einen Boom ohnegleichen beschert; sie haben den gesamten Aktienmarkt mitgezogen.

Im RTS-Index machen die Energieaktien rund die Hälfte des gesamten Börsenwertes aus. Doch jetzt fällt der Ölpreis, und Russland führt Krieg gegen Georgien.

Ungeachtet eines Friedensplanes gehen die Kämpfe im Kaukasus weiter. Skeptiker, die schon immer die Finger von russischen Aktien ließen, fühlen sich bestätigt: Moskau ist eine politische Börse, die Regierung mischt sich in Geschäfte ein, die nicht die ihren sind.

Auch das bis heute unentschiedene Tauziehen zwischen Kremel und Briten um das Joint Venture TKN-BP hat das Vertrauen der Investoren erschüttert. Binnen weniger Monate sind die Kurse um ein Drittel eingebrochen. Auch der Rubel verliert an Wert. Anleger strafen politische Börsen eben mit einem Abschlag. Wer sein Geld in aufstrebende Märkte investieren will, findet weniger riskante Orte.

Foto: obs/BASF SE, Erdgaslagerstätte Juschno Russkoje

AP, Vietnam

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Vietnam: Aus der Traum Vor drei Jahren schien Vietnam ein verheißungsvoller Markt. Ausgehend von der im Jahr 1986 ausgerufenen Reform "Doi Moi", was so viel wie Erneuerung heißt, vollzog das Land den Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft.

Bald schon wurde es als das "kleine China" bewundert. Belohnt wurde diese Entwicklung mit hohen Wachstumsraten. Die Privatisierung schürte einen gewaltigen Boom an der Börse an. Doch das Wunderkind Vietnam war vom Ansturm überfordert. Viele Milliarden ausländischen Kapitals sind ins Land geströmt und haben dort - gemeinsam mit den hohen Rohstoffpreisen - die Teuerung angetrieben.

Im Mai betrug die Inflation 25 Prozent. Leider hat die kommunistische Regierung keine Erfahrung mit Krisen. Dementsprechend war die Reaktion: Die Notenbank erhöhte den Leitzins zu langsam, zudem wurde zu lange an einer starken vietnamesischen Währung festgehalten.

Beides setzte den Aktienkursen zu. Keine Börse der Welt ist in diesem Jahr so schlecht gelaufen wie Vietnam: Die Kurse haben sich halbiert. - Zwar wird Vietnam als Reiseland immer beliebter. Doch die vietnamesische Börse ist derzeit völlig out. Foto: AP, Reispreise in Ho Chi Minh City (Vietnam)

AFP, Proteste an Börse von Karachi

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Pakistan: Ab ins Chaos Noch vor einem Jahr lobten Börsenmagazine die beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung Pakistans und seine zunehmende politische Stabilität.

Extra für deutsche Anleger wurden Zertifikate aufgelegt, mit denen auch Privatinvestoren "einfach und kostengünstig"im fernen Karatschi spekulieren konnten. Leider war das eine schlechte Idee. Nach der Ermordung der Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto im Dezember hat die zunehmende Unsicherheit zu schweren Kursverlusten am Aktienmarkt geführt.

Investoren befürchten, die politischen Unruhen könnten das Land in eine wirtschaftliche Krise stürzen. Danach beruhigte sich die Lage zwar, aber nur vorübergehend. Seit April geht es steil bergab.

Die amtierende Zivilregierung zeigt sich uneins über eine Zusammenarbeit mit Präsident Pervez Musharraf, der am Montag seinen Rücktritt erklärte. Zudem sorgt das angespannte Verhältnis zu Afghanistan für schlechte Stimmung auf dem Parkett.

Wütende Anleger haben im Juli kurzerhand die Börse in Karatschi zerstört. Die Regierung kündigte - offensichtlich erschrocken - an, einen Hilfsfonds einzurichten. Gebracht hat es nichts.

Foto: AFP, Proteste an der Börse von Karachi (Pakistan)

AP, Cristina Kirchner

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Argentinien: Wie gehabt Leidgeprüfte Anleger kennen das: Wer vor Jahren argentinische Staatsanleihen besaß, erlitt schwere Verluste, als das südamerikanischen Land vor sechs Jahren pleiteging.

Heute zweifeln Analysten schon wieder an Argentiniens Bonität - dabei lief es zwischendurch recht gut. Auch die Wirtschaftsdaten des Landes sehen noch ganz ordentlich aus. Seit Ende der schweren Wirtschaftskrise im Jahr 2002 erzielt das Land Wachstumsraten zwischen acht und neun Prozent.

Der Staatshaushalt und die Handelsbilanz weisen Überschüsse auf. Kritisch sehen viele Unternehmen allerdings die häufigen Staatseingriffe und die zunehmende Inflation.

Mit Preiskontrollen, Exportverboten und ähnlichen Eingriffen versucht Präsidentin Cristina Kirchner die Teuerung in den Griff zu bekommen.

Mal verbietet sie den Export von Fleisch, mal den von Benzin, um die Preise zu drücken. Dadurch macht die Regierung vielen Unternehmen immer wieder überraschend einen Strich durch die Rechnung. Das bremst die Wachstumschancen des Landes und löst nicht das Inflationsproblem. Anleger wenden sich von Anleihen und Aktien ab.

Foto: AP, Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner

dpa, AKP-Verbotsverfahren

Quelle: SZ

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Türkei: Schlechter Stern Der türkische Aktienmarkt bietet keinen schönen Anblick: Seit Jahresanfang hat der Leitindex der Börse Istanbul 25 Prozent an Wert verloren. Bis vor kurzem noch galt die Türkei als eine der großen Erfolgsgeschichten der Emerging Markets, als Vorbild für die islamische Welt.

Die Aktienkurse haben sich während einer fünf Jahre anhaltenden Rally mehr als verfünffacht. Anleger waren begeistert, dass das Land Kurs Richtung EU genommen hatte. Doch heute wird das Land wieder mit politischer Instabilität und Unzuverlässigkeit verbunden. Polizeirazzien, Putschgerüchte und ein drohendes Verbot der Regierungspartei:

Die Türkei ging in den vergangenen Monaten durch die schwerste Staatskrise seit Jahrzehnten. Das hat auch die türkischen Finanzmärkte erschüttert. Aktien und Anleihen sind auf Talfahrt, die Lira gab kräftig nach. Auch wenn das Verfassungsgericht die türkische Regierungspartei AKP überraschend nicht verboten hat, ist die Krise noch nicht vorüber. Zudem verliert die Konjunktur an Schwung.

Einmal mehr zeigt sich: Anleger am Bosporus brauchen gute Nerven, denn die Börse ist extrem schwankungsanfällig.

Foto: dpa, Anhänger der türkischen Regierungspartei AKP Text: Catherine Hoffmann/mel

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