Geld - Macht - Hass: William Shakespeare:Immerhin mit Bettwäsche

Vier Villen für die Tochter, Geld für die Saufkumpanen und für die Frau nur das "zweitbeste Bett": Der englische Dramatiker William Shakespeare dichtete zwar wie ein Gott, aber bei seinem Testament stümperte er gewaltig herum.

Willi Winkler

Es sieht aus wie die Handschrift eines Verwirrten, ohne große Geste, geschweige denn, dass sie die Geläufigkeit verriete, mit welcher der größte Autor der englischen Sprache seine 38 Stücke, die berühmten Sonette, die Epen verfasst hatte. Sein "geliebter Shakespeare", so schrieb ihm sein Freund und Rivale Ben Jonson hinterher, habe nach Auskunft seiner Schauspieler "nie eine Zeile gestrichen", sondern gedichtet wie ein Gott, auf Diktat gleichsam von Apoll oder wem auch immer.

Geld - Macht - Hass: William Shakespeare: Ein Porträt von William Shakespeare, gemalt im Jahr 1610.

Ein Porträt von William Shakespeare, gemalt im Jahr 1610.

(Foto: AFP)

Das Testament freilich, entstanden zu Anfang des Jahres 1616 und zwei Monate später bereits revidiert, ist voller Korrekturen, Verbesserungen, Änderungen. Es ist, als wollte die Erbtante in letzter Minute noch einmal Gnade und Ungnade ausgießen über die neidige Verwandtschaft, dieses geldgierige Pack, bei dem es keiner erwarten kann, dass der Erbfall endlich einer wird, endlich den Löffel abgibt, hinschmeißt, abschrappt, rauspfeift. Und tschüss.

William Shakespeare war fünfzig, als er London endgültig verließ und in seinen Geburtsort Stratford-upon-Avon zurückkehrte. Er hatte sich dort schon vor Jahren ein Haus gekauft, das zweitgrößte in der allerdings kleinen Stadt, und blendender Beweis dafür, dass er es als Schauspieler, Stückeschreiber und Mitbesitzer eines Theaters in der Hauptstadt zu einigem Wohlstand gebracht hatte.

Trotz dieses vorgezogenen Ruhestands mochte er vom Theater nicht ganz lassen, schrieb noch manchmal Ideen auf, Entwürfe für spielbare Stücke, die dann ein anderer, ein Kollege ausführte und aufführen ließ. Ansonsten wird er das Leben eines Landedelmannes gepflogen haben, viel Müßiggang, viel Essen und Trinken, denn sonst wäre er nicht schon 1616, angeblich genau an seinem 52. Geburtstag, selig verschieden. Ob's eine nicht auskurierte Syphilis war, das verfettete Herz oder der damals grassierende Typhus, ist nicht mehr festzustellen.

Wenige Tage vor diesem frühen Tod jedenfalls nahm sich Master Shakespeare die drei eng beschriebenen Blätter seines Testaments noch einmal vor und ergänzte seinen Letzten Willen. Judith, seine etwas überjährige Tochter, hatte am 10. Februar dieses Jahres 1616 überstürzt den Thomas Quiney geheiratet, einen Weinhändler, der eine Frau brauchte, die ihm die Wirtschaft führte. Fast genau neun Monate vorher hatte dieser eine andere Frau geschwängert. Die brachte das gemeinsame Kind im März zur Welt und starb fast sofort mit ihm, aber Quiney musste wegen Hurerei vor Gericht.

Eine Silberschüssel obendrauf

Die Strafe bestand darin, dass er an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen, eingeschlagen in ein weißes Laken, in der Kirche erscheinen sollte, wo ihn der Priester vor der Gemeinde als abschreckendes Beispiel maßregeln wollte: "Sehet hin, wie die Farbe der Reinheit die Sünde des Unzüchtigen tadelt." Eine Komödienszene, ländlich-sittlich und eigentlich ganz nach dem Geschmack des Dichters, auf dem Dorf aber kränkend und nur gegen Erlegung von fünf Schillingen noch eben abzuwenden.

Für den inzwischen recht theaterfernen Erblasser war das Grund genug, die dumme Judith für ihren schlechten Geschmack bei der Gattenwahl extra zu züchtigen. Hundert Pfund erhielt sie und weitere fünfzig, wenn sie auf alle Ansprüche gegen ihre Schwester verzichtete. Weitere 150 sollten ihr nach drei Jahren zufallen. Aber nur, wenn ihr liederlicher Ehemann Grundbesitz in gleichem Wert beibringen könnte, was ihm, Hallodri, der er war und blieb, niemals gelang.

Eine vergoldete Silberschüssel gab es noch obendrauf, pfeilgrad das Richtige für eine Schankwirtin. Denn weder sie noch die Gäste kannten den Gebrauch von Gabeln, sondern aßen nach alter Weise mit den Fingern, mussten sich also hinterher die fettigen Finger in Rosenwasser reinigen, das sich in der Schüssel reichen ließ.

Für die ganze Verwandtschaft ist was vorbei

Weit besser fuhr die ältere Schwester Susanna. Sie hatte einen Arzt geheiratet und erhielt, ihrem gehobenen Stand entsprechend: alles. Das Haus "New Place", noch zwei in der Henley Street, eins in London; dazu Grundbesitz. Natürlich sollte später alles auf ihren männlichen Erben übergehen. Sie brachte aber nur eine Tochter zur Welt, und die dann überhaupt keine Kinder.

Die Schwester, deren Kinder, die Nichte, der Patensohn: für alle ist etwas dabei, und auch die Armen von Stratford sollen nicht leer ausgehen, sondern sich seiner erinnern, weil er ihnen zehn Pfund zuwendete. Shakespeare, der immerhin den lustigsten Säufer der Weltliteratur erfunden hatte, den dicken Falstaff, vergaß auch seine Freunde nicht. Seinen Degen, den er als Gentleman tragen durfte, vermachte er Thomas Combe.

Hamlet Sadler, William Reynolds, Anthony und Thomas Nash erhielten wie seine Londoner Geschäftspartner Geld, um sich damit - sehr vorausschauend - Ringe zu kaufen, die sie zu seinem Angedenken tragen sollten. Und natürlich sollte auch an das Grab gedacht werden, Aufgabe für die Haupterbin Susanna. Sogar der Anwalt wurde bedacht, wobei sich der Anteil für Francis Collins (13 Pfund, sechs Schilling, acht Pence) schon fast wie die Testiergebühr inklusive vorweggenommener Umsatzsteuer liest.

Und sonst?

Shakespeare war selbstverständlich verheiratet. Bereits mit achtzehn hatte er Anne Hathaway geehelicht, war dann aber nach London aufgebrochen, um seiner Leidenschaft fürs Theater zu frönen. Wohl wird er Geld nach Hause geschickt haben und Stratford auch hin und wieder mit seiner Anwesenheit beehrt haben. Schließlich gab es als Beweis dafür die beiden Töchter; außerdem war ihm 1585 ein Sohn, Hamnet geheißen, geboren worden, Zwilling der Judith, aber bereits mit elf Jahren gestorben.

Recht bald langweilig

In London wird der Dichter nicht unbedingt mönchisch gelebt haben, davon zeugen die nach Hunderten zählenden erotischen Anspielungen in seinen Stücken. Er wird schon auch ein bisschen gespielt, gesoffen und nach Schauspielerart herumgehurt und in den Tavernen geprahlt haben mit seinen Künsten, doch vergaß er dabei nicht, für sein Alter vorzusorgen.

Als er sich dann als Immobiliar in Stratford zur Ruhe setzte, hatte die gute Anne allerdings nicht mehr viel von ihm zu erwarten. Nach dem Trubel in der Großstadt muss ihm bei ihr recht langweilig geworden sein. In London wurde er gefeiert, sogar bei Hofe empfangen, und um Frauen- wie Männergunst musste ein so witziger Mann ganz gewiss nicht betteln. Aber hier in der Provinz? Ob er wusste, dass er das größte dichterische Genie seit Petrarca, seit Dante, vielleicht sogar seit Homer war?

Jedenfalls sagte es ihm keiner und Anne schon gar nicht, denn die konnte weder lesen noch schreiben. Und so wurde die Frau, die jahrelang als Strohwitwe auf ihn gewartet, die seine Kinder aufgezogen hatte, am 26. April 1616 von einem Mann endgültig verlassen, der ihr in einem juristisch unanfechtbaren Testament das "zweitbeste Bett" im Haus vermachte, immerhin samt der Bettwäsche. Saukerl.

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