Geforderte Architekten:Ein Wort sagt mehr als tausend Pläne

Professionelle Architektur-Vermittlung bietet Jobs mit Zukunft - und könnte sogar einem ganzen Berufsstand auf die Beine helfen.

Von Gerhard Matzig

An der Akademie der Bayerischen Architektenkammer in München wird gerade ein Workshop für Architekten vorbereitet. Im Juli sollen die Planer hier lernen, wie man "effektive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" betreibt. Wie man also als Architekt das eigene Tun erfolgreich, tja, "kommuniziert". Kommunikation: Das ist das neue Zauberwort einer Branche, die bisher eher als verschwiegen, wenn nicht als autistisch gelten durfte.

Geforderte Architekten: Es geht nicht nur ums Konstrieren, sondern auch ums Kommunizieren: Architekten müssen bisweilen weltoffener werden.

Es geht nicht nur ums Konstrieren, sondern auch ums Kommunizieren: Architekten müssen bisweilen weltoffener werden.

(Foto: Foto: ddp)

"Autismus" wird in der Medizin - zum Beispiel - als "angeborener abweichender Informationsverarbeitungsmodus" beschrieben, der sich "durch Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie durch stereotype Verhaltensweisen" auszeichnet. In medizinischer Hinsicht war es also nicht korrekt, als der Journalist Oliver Hamm vor einigen Jahren in der SZ schrieb: "Architekten sind Autisten." Denn es ist fraglich, ob die Kommunikationsstörung tatsächlich angeboren ist im Reich der Baukunst. Womöglich handelt es sich um eine zu erwerbende "Déformation professionnelle".

Dass Hamm, zum Zeitpunkt der fraglichen Veröffentlichung als Chefredakteur des Deutschen Architektenblattes tätig, aber im Übrigen richtig lag mit seinem Befund, zeigte schon die Reaktion der deutschen Architektenschaft, die man nur als Schwäche in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie als stereotype Verhaltensweise bezeichnen kann. Hamm wurde skandalisiert, von seinem Arbeitgeber nach allen Regeln der Arbeitgeberkunst abgewatscht und von etlichen Architekten noch Jahre nach dem Autismus-Skandalon angefeindet. Nur änderte all das nichts daran, dass er Recht hatte. Sein Beitrag damals war ein Weckruf.

Studienfach Architekturkommunikation

Und siehe da: Einige Architekten sind aufgewacht. Denn mittlerweile scheint der Berufsstand der Architekten endlich einzusehen, dass das kommunikative Verhalten der gesamten Branche vor allem eines ist: dringend verbesserungsbedürftig. Die Bemühungen darum, die Architektenschaft mit dem Rest der Gesellschaft wieder ins Gespräch zu bringen, angestoßen von einigen Architektenkammern, von Verbänden, Stiftungen und von den Universitäten, angestoßen auch von manchem großen Architekturbüro, haben sogar einen neuen Beruf erfunden: Architekturvermittlung ist inzwischen ein boomendes Geschäftsfeld. Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen.

Inzwischen aber gibt es immer mehr Kommunikationsprofis und Medienvermittler, die sich erfolgreich auf das Terrain der Architektur spezialisiert haben. Ihre Dienste werden zunehmend in Anspruch genommen - aber nur allmählich auch angemessen honoriert.

An der Universität Karlsruhe wurde jüngst sogar eine Stiftungsprofessur für "Architekturkommunikation" (mit Hilfe der Wüstenrot Stiftung) etabliert. Der Ruf ist soeben ergangen - demnächst werden die Architekturstudenten in Karlsruhe also nicht nur das Entwerfen und Konstruieren lernen, sondern auch die gesellschaftliche Vermittlung ihrer Bemühungen üben. Das ist sehr sinnvoll, denn die Fähigkeit, das eigene Handeln zu reflektieren und zu kommunizieren, wird in Zukunft darüber entscheiden, ob sich Architekten auf einem extrem umkämpften Markt durchsetzen.

Ein Wort sagt mehr als tausend Pläne

Die Branche leidet seit langem an Auszehrung. Die jüngste Zahl dazu stammt vom Nürnberger Institut für Freie Berufe. Demnach haben im Jahr 2007 gut 40 Prozent aller deutschen Architekturbüros nur Verluste erwirtschaftet, während auch die 60 Prozent der Gewinner kaum über die Runden gekommen sind. Kein Wunder also, dass die Arbeitslosigkeit unter Architekten seit Jahren zu den höchsten in Akademikerkreisen gehört. Zuletzt, 2005, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung eine Arbeitslosigkeitsquote von 16,6 Prozent genannt. Und von den Verbänden ist zu hören, dass jedes zweite Büro vor dem wirtschaftlichen Aus stehe.

Beim "Branchenhearing Architekturmarkt", das auf Einladung der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung soeben in Hamburg veranstaltet wurde, stellte Thomas Welter von der Bundesarchitektenkammer fest: "Es reicht nicht, wenn Architekten gut entwerfen können. Ein guter Entwurf ist so selbstverständlich wie die Tatsache, dass Zahnärzte Zähne angemessen behandeln." Es geht in der Architektur eben auch um Kosten und Termine, um Technik, Beratung und, vor allem, um Kommunikation. Architekten werden sich zunehmend zu "Experten rund um die Immobilie" weiterentwickeln müssen. Zu Experten, die in Schrift und Wort kompetent sind, die Informationen analysieren, bündeln und effektiv austauschen können.

Neue Jobs entstehen nämlich in der Planer-Branche vor allem im gesprächsintensiven Bereich der Projektentwicklung, bei Maklerhäusern und im Bereich der Forschungs- und Beratungsunternehmen. Dort aber werden die Fähigkeiten zu Moderation, Integration und Kommunikation abgerufen. Und genau diese Bereiche werden in der traditionellen Architektenausbildung sträflich vernachlässigt.

Wer schon einmal angehende Architekten unterrichtet hat, der weiß, dass viele von ihnen kaum in der Lage sind, ihre eigenen Entwurfsideen abseits eines zum Teil bizarren Architektenjargons zu erläutern. "Viele Architekturbüros", so sagt Andreas Grosz, Fachmann für Unternehmenskommunikation, "befinden sich auch deshalb in Schwierigkeiten, weil sie sich den Herausforderungen zeitgemäßer Kommunikations- und Organisationsstrukturen nicht stellen."

Bis jetzt. Aber allmählich spricht sich in Architektenkreisen herum, wie wichtig die kommunikativen Fähigkeiten in der Praxis sind. Auch deshalb ist Jan R. Krause, Professor für Architektur und Media Management, so erfolgreich. An der Hochschule Bochum hat er schon vor Jahren den Masterstudiengang eingeführt, der Architekten an der "Schnittstelle zwischen Architektur und Öffentlichkeit" hilfreich weiterqualifiziert.

Ein Wort sagt mehr als tausend Pläne

Für die 20 Ausbildungsplätze bewerben sich alljährlich vier mal so viele Architekten. In sechs Jahren hat der Studiengang bereits 100 Absolventen hervorgebracht, die das neue Wissen im angestammten Beruf verwerten - oder sich erfolgreich Chancen in der boomenden Architekturvermittlung erschließen. Sei es in Agenturen, Galerien, Museen, in der Immobilienwirtschaft, der Baubranche, bei den neu entstehenden Architektur-Portalen (wie etwa "Be urban"), bei Messen, in den Medien oder in den Büros selbst. Falls also ein angehender Architekt ausnahmsweise mal nicht die neue Guggenheim-Filiale, ein Olympiastadion oder auch nur eine neue chinesische Stadt bauen möchte: Es gibt durchaus Alternativen.

Kommunikation alleine genügt auch nicht

Die Agentur Goldmann Public Relations mit Sitzen in München und Berlin, die zu den Marktführern der Kultur-Vermittlung zählt, könnte auch für kommunikative Fachleute der Architektur ein potentieller Arbeitgeber sein. Daniela Goldmann sagt: "Architektur-PR ist in unserer Agentur ein Bereich, der sich überproportional entwickelt hat. Noch können die Aufbaustudiengänge an den Akademien und Hochschulen den Bedarf nicht stillen." Die Agentur vertritt Architekten im In- und Ausland.

Die großen, weltberühmten Büros haben ohnehin schon vor Jahren die Bedeutung der Kommunikation erkannt - auch deshalb sind sie ja so erfolgreich. Cynthia Kallmeyer, Leiterin der Abteilung Kommunikation und somit Chefin von knapp zehn Mitarbeitern bei Coop Himmelb(l)au, hat schon vor einigen Jahren die interne und externe Kommunikation des Büros professionalisiert. Das ist mehr als nur PR-Arbeit. Heute zählt die Kommunikationsabteilung der Wiener Architekten zu den effizientesten der Branche.

Davon ließe sich mancherorts lernen. Eine Lektion ist allerdings auch diese: Kommunikation allein genügt nicht - man muss auch etwas zu sagen haben. Den Architekten ohne kluge Ideen nützen auch die schönsten Worte nichts.

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