Steigende Nachfrage:Russen warnen: Gaspreis verdoppelt sich

Warnung aus berufenem Munde: Der russische Energiekonzern Gazprom stellt die Deutschen auf drastisch steigende Erdgaspreise ein. Das Unternehmen ist hierzulande ein gewichtiger Anbieter.

Keine gute Aussicht für deutsche Verbraucher: Erdgas wird nach Ansicht des russischen Energieriesen Gazprom wieder deutlich teurer werden. "Bis 2012 ist unserer Meinung nach das Niveau der Vorkrisenzeit wieder erreicht", sagte der Vizechef von Deutschlands wichtigstem Gaslieferanten, Alexander Medwedjew, der Financial Times Deutschland.

Gazprom startet Probebohrung fuer Erdgasspeicher Schweinrich

Gazprom will mehr Gas in Europa verkaufen - zu einem höheren Preis.

(Foto: ddp)

Die Großhandelspreise würden sich in diesem Fall nahezu verdoppeln. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ging der Bedarf der Industrie und damit auch der Preis in den Keller. Doch mittlerweile zieht die Nachfrage wieder an.

Gazprom will außerdem seinen Marktanteil in Europa weiter ausbauen, der momentan bei rund einem Viertel liegt. "Wir gehen davon aus, dass russisches Gas im Jahr 2020 mehr als 30 Prozent des europäischen Gasmarkts ausmachen wird", sagte Medwedjew. In Deutschland liefert Gazprom heute bereits über ein Drittel des verbrauchten Gases.

Unter Druck durch Konkurrent Statoil

Der russische Konzern steht allerdings unter Druck, weil er langfristige Lieferverträge abschließen will, deren Preise weit über dem aktuellen Marktwert liegen. Der größte europäische Konkurrent, das norwegische Unternehmen Statoil, hat bereits akzeptiert, bis zu 30 Prozent seines Gases zum aktuellen, niedrigen Marktpreis zu verkaufen.

Die Mehrheit der Verbraucher muss in jedem Fall mit steigenden Preisen rechnen. Davon gingen zuletzt zumindest mehrere Verbraucherportale aus. Der Dienst toptarif.de berichtete, die Gaspreise würden pünktlich zum Herbstbeginn bei etwa jedem zehnten Grundversorger heraufgesetzt.

Insgesamt hätten schon 74 Unternehmen Tariferhöhungen von bis zu 19,2 Prozent in den kommenden Monaten angekündigt. Allerdings gibt es auch eine gegenläufige Entwicklung. Bei mehr als 40 Unternehmen werde der Gasbezug im September und Oktober um bis zu 17,2 Prozent verbilligt.

Unterschiedliche Preispolitik

Das Portal Check24 hatte zuvor von 64 Gas- und elf Stromversorgern berichtet, die ihre Preise zum 1. September oder 1. Oktober anheben wollen. Gas werde um bis zu 19,2 Prozent teurer, Strom um bis zu 11,1 Prozent, berichtete der Dienst.

Die angekündigte Gaspreiserhöhung sei "nur der Anfang", spätestens zum Jahreswechsel drohten Preissteigerungen auf breiter Front. Auch beim Strom ständen signifikante Erhöhungen bevor. Der Strompreis stieg dem Portal zufolge seit Jahresbeginn 2000 bis August 2010 für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 kWh um über 56 Prozent.

Das Verbraucherportal Verivox.de geht ebenfalls von höheren Energiepreisen aus. Zum September und Oktober hätten bundesweit bereits 81 Versorger ihre Preise um durchschnittlich neun Prozent erhöht, teilte Verivox mit. 71 Gasanbieter senken ihre Preise in dem Zeitraum demnach aber, und zwar im Schnitt um acht Prozent.

Die unterschiedliche Preispolitik der Gasversorger in der gegenwärtigen Lage sei "bemerkenswert", erklärte der Dienst. Während 48 Anbieter eine Steigerung der Entgelte im zweistelligen Prozentbereich ankündigten, wollten 21 andere diese zur selben Zeit in einer ebensolchen Größenordnung senken.

Der höchste Preisaufschlag trifft demnach die Kunden der Hersbrucker Energie- und Wasserversorgungs-GmbH in Bayern, wo der Gaspreis um bis zu 20 Prozent steigt. Bei der GVL Gasversorgung im ebenfalls bayerischen Lauf an der Pegnitz sind es bis zu 19,9 Prozent, bei den Stadtwerken Geldern in Nordrhein-Westfalen 18,2 Prozent.

Starre an den Ölpreis weicht auf

Die höchsten Preissenkungen kommen hingegen den Kunden des Überlandwerks Schäftersheim aus Baden-Württemberg zugute. Sie müssen künftig bis zu 20 Prozent weniger als bislang zahlen.

Die Kunden der Gemeindewerke Everswinkel in Nordrhein-Westfalen können sich über einen Preisnachlass um bis zu 18,5 Prozent freuen.

Die Gründe für die sehr unterschiedlichen Preisentwicklungen der Anbieter lägen in deren jeweiliger Beschaffungspolitik und in dem Ausgangsniveau der Preise vor den neuerlichen Anpassungen, erklärte Verivox.

Der Toptarif-Experte Thorsten Bohg betonte, in den vergangenen Jahren seien die Preisanpassungen der Branche noch sehr einheitlich gewesen. Grund seien die relativ starre Bindung an den Ölpreis gewesen.In diesem Jahr dagegen ließen sich große Unterschiede ausmachen.

Versorger, die die Preise senken, verwiesen darauf, dass sie in der Lage gewesen seien, Gas günstiger zu beschaffen. Der mittelfristige Trend zeige allerdings nach oben, erklärte Bohg. Spätestens zu Beginn des kommenden Jahres drohten wieder flächendeckende Preiserhöhungen. Grund seien das anhaltend hohe Preisniveau bei Roh- und Heizöl sowie die sich verfestigende Erholung der Weltwirtschaft.

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