Gas-Streit: Gazprom gegen Kiew:Der Kampf um die Pipeline

Angst vor Versorgungsengpässen mitten im Winter: Der Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine beunruhigt auch die Verbraucher in Deutschland.

S. Liebrich und H.-W. Bein

Gut die Hälfte aller Haushalte hierzulande heizt mit Erdgas. Die Gasimporteure und Energieunternehmen sehen derzeit jedoch keine Anzeichen für Lieferengpässe bei russischem Gas. "Die Kunden können sich auf eine zuverlässige Belieferung mit Erdgas verlassen", sagte Martin Weyand, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin. Er verwies darauf, dass neben der Route über die Ukraine auch Gas über Weißrussland nach Deutschland fließe.

Gas-Streit: Gazprom gegen Kiew: Russisches Gas für Deutschland - ein Überblick.

Russisches Gas für Deutschland - ein Überblick.

(Foto: Grafik: Eiden, SZ)

Die Verträge über die Lieferung von russischem Erdgas nach Deutschland würden eingehalten, betonte am Freitag eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Das Unternehmen Eon Ruhrgas, der größte deutsche Gasimporteur, bekomme nach wie vor die vereinbarte Menge geliefert. Deutschland habe zudem fast ein Viertel des Jahresbedarfs an Gas gespeichert, hieß es weiter. Andere Lieferländer wie Norwegen oder die Niederlande könnten zudem ihre Mengen erhöhen.

Auch beim Großhändler Bayerngas sieht man keinen Grund zur Beunruhigung. "Es gibt keine Hinweise auf Lieferprobleme", so ein Firmensprecher. Bayerngas beliefert kommunale Versorger und Industriekunden im Freistaat und im benachbarten Tirol. Selbst ein kurzfristiger Lieferausfall sei kein Problem. "Die Gasspeicher sind gut gefüllt", bestätigte der Sprecher. Ein großer Teil des in Süddeutschland verbrauchten Erdgases stammt aus Russland. Eine der wichtigsten Pipelines führt über die Ukraine an die deutsch-österreichische Grenze.

15 Prozent kommen aus dem eigenen Land

Haushalte und Industrie in Deutschland verbrauchen knapp 950 Milliarden Kilowattstunden Gas im Jahr. 15 Prozent des Bedarfs werden aus inländischer Förderung gedeckt. Einen immer größeren Anteil beziehen die deutschen Versorger aus dem Ausland. Größter Lieferant ist Russland mit 37 Prozent, gefolgt von Norwegen mit 26 Prozent, den Niederlanden mit 18 Prozent sowie Dänemark und Großbritannien mit insgesamt vier Prozent. Vor allem die Liefermenge aus Norwegen dürfte in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Die deutschen Importeure haben sich mit Lieferverträgen von 30 Jahren und mehr große Mengen des Brennstoffs gesichert. Im Gegensatz zu anderen Regionen hat Europa den Vorteil, über ein weit verzweigtes Leitungsnetz mit den Förderregionen verbunden zu sein. Das Gas wird über Entfernungen von teilweise mehr als 5000 Kilometer geleitet. Allein in Deutschland haben etwa 700 Betreiber von Leitungsnetzen Pipelines von zusammen 420 000 Kilometern zur Versorgung der 20 Millionen Haushalte.

Projekte gefährdet

Der Streit zwischen Russland und der Ukraine ist nicht neu. Schon in den neunziger Jahren führte die Entnahme von für den Westen bestimmtem Erdgas aus den Pipelines über dem Territorium der Ukraine zu Spannungen zwischen den beiden Ländern. Schon lange wird deswegen der Bau einer großen Pipeline durch die Ostsee erwogen. "Die aktuelle Situation macht die große energiepolitische Bedeutung dieser Pipeline deutlich", meint Eon-Ruhrgas-Chef Bernhard Reutersberg. Mit der Leitung könne langfristig die Lieferung großer Erdgasmengen für die europäische Union gesichert werden.

Das 7,4-Milliarden-Euro-Projekt wird vom privatwirtschaftlichen Unternehmen Nord Stream geplant, an dem der halbstaatliche russische Gasversorger Gazprom 51 Prozent hält. BASF/Wintershall und Eon Ruhrgas sind mit jeweils 20 Prozent beteiligt, die niederländische Gasunie mit neun Prozent.

Der Ausbau der internationalen Gasversorgungsnetze gerät jedoch zunehmend ins Stocken - auch, weil aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise das Kapital für die teuren Projekte knapp ist. Daneben spielen auch politische Interessen eine Rolle. Die geplante Nabucco-Pipline, die Europa unabhängiger von russischem Gas machen würde, wird von Russland hintertrieben. Durch das Leitungsnetz, an dem der österreichische Energiekonzern OMV beteiligt ist, soll Gas aus dem Irak und Iran über den Balkan nach Zentraleuropa geschleust werden. Die russische Seite plant in Konkurrenz dazu ebenfalls eine Verbindung über den Balkan. Außerdem soll die Ostsee-Pipeline über Petersburg direkt nach Deutschland führen. Alle drei Projekte gelten als gefährdet.

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