Gärtnern zuhause:Kräuter gegen die Krise

Schön und zugleich praktisch: Gärtnern ist zu einem der beliebtesten Hobbys avanciert.

Von Ingrid Weidner

Frischer Schnittlauch, ein grüner Salat oder rote Tomaten: Glaubt man den Umfragen, bevorzugen immer mehr Hobbyköche nicht nur frische, sondern selbst gezogene Zutaten. Selbst die First Lady hat am Weißen Haus einen Gemüsegarten angelegt. Wer Michelle Obama nacheifern möchte, braucht neben guten Gartengeräten vor allem viel Elan.

Gärtnern zuhause: Kinder sind oft zu begeistern fürs Gärtnern.

Kinder sind oft zu begeistern fürs Gärtnern.

(Foto: Foto: ddp)

Bärbel Steinberger, Gartenbauingenieurin aus Leibfing in Niederbayern, rät: "Unterschätzen Sie die Arbeit nicht!" Wer als berufstätiger Mensch seinen kompletten Bedarf an frischem Gemüse im eigenen Beet anpflanzen und ernten möchte und unabhängig vom Angebot im Supermarkt sein will, benötigt etwa zwischen 25 und 40 Quadratmeter Anbaufläche pro Person. Selbst Steinberger hält solche Pläne in der Regel für illusorisch.

Realistischer sei es, mit kleineren Flächen zu beginnen, um nicht am übergroßen eigenen Anspruch zu scheitern. Wer die ersten Salatköpfe schneckenfrei geerntet und mit den Radieschen in der Biergartenrunde angegeben hat, könne ja auch anschließend noch gartentechnisch expandieren.

Rückzug ins Private

Der Trend zum eigenen Garten ist weiterhin ungebrochen. Auch Klein- und Schrebergärten erfreuen sich vor allem bei jungen Familien in den Großstädten wieder großer Beliebtheit. Nach einer Studie des Bundesverbraucherministeriums aus dem Jahr 2008 verfügt jeder zweite Privathaushalt in Deutschland über einen Garten.

Horst Opaschowski, Leiter der BAT Stiftung Zukunftsfragen, sieht die Gesellschaft in einem Umbruchprozess. Wirtschaftskrise, die Sorge um den Arbeitsplatz sowie ein Rückzug ins Private führten dazu, dass viele Menschen abwarten und zu Hause bleiben. Gärtnern zählt inzwischen zur zweitliebsten Freizeitbeschäftigung in Deutschland. Immerhin gibt es hierzulande eine Million Kleingärten.

"Das Frühjahr ist die beste Zeit, um mit dem eigenen Gemüsegarten zu beginnen", sagt Gartenbauingenieur Thomas Wagner vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) in Berlin. Die Neugärtner sollten nur darauf achten, dass keine Gras- oder Queckenwurzeln sich unter die Erde des zukünftigen Gemüsebeets mischen. Ein umgegrabener Rasen eigne sich dagegen hervorragend als Gründünger. "Ich empfehle, noch Kompost dazuzugeben", sagt Wagner.

Bedüfrnis nach besonderen Pflanzen

Bevor Karotten oder Radieschen ausgesät werden, müssen die Oberflächen der Beete möglichst feinkrümelig sein. Pflanzen wie Zucchini, Radieschen, Steckzwiebeln, verschiedene Kräuter oder Möhren eignen sich hervorragend für erste Anbauversuche. "Von Eisbergsalat würde ich Anfängern abraten, denn der ist ziemlich kapriziös", warnt Wagner. Auch Spargel oder Meerrettich gelten unter Gartenprofis als anspruchsvoll.

"Sparen Sie nicht am Saatgut", rät BDG-Mann Wagner. Gutes Saatgut aus dem Fachhandel zeichne sich zum Beispiel dadurch aus, dass die Pflanzen widerstandsfähiger gegenüber bestimmten Schädlingen seien. Auch der Hinweis auf einer Packung "F1 Hybrid" stehe für die Qualität.

Auf die Giftspritze könne man verzichten. Wer sich die Mühe mache und eigenes Gemüse anpflanze, sollte nicht mit der chemischen Keule anrücken, sagt Wagner. Da gelte es, den eigenen Ekel, etwa vor lästigen Schnecken, zu überwinden, um diese täglich vom Salatbeet zu entfernen. Ein Wagnis ist auch die Ernte, denn schließlich gibt es keine Garantie, dass die ausgesäten Karotten auch wirklich keimen oder die Bohnen sich an den neu angeschafften Stangen wie im Lehrbuch in windige Höhen schlängeln. Wagner empfiehlt daher Anfängern, ein Gartentagebuch zu führen, um aus den gesammelten Erfahrungen in den kommenden Jahren zu profitieren.

Platz für Exotisches

Neben dem Gemüse lassen sich auch Blumen anpflanzen. In traditionellen Bauerngärten wurde immer Wert auf eine gelungene Mischung aus Nutz- und Schmuckpflanzen gelegt. Schon während ihres Studiums an der Fachhochschule in Weihenstephan interessierte sich Steinberger für Bauerngärten. Viele dieser bunten Blumen- und Pflanzenparadiese hinter den Holzzäunen gibt es mittlerweile nicht mehr.

Wenn heute Nostalgiker von diesen Gärten als Hort für einheimische Stauden und Gemüsesorten schwärmen, dann irren sie sich. Denn über die Jahrhunderte waren diese Beete immer ein Experimentierfeld für allerlei ausgefallene Gewächse. "Exotische und fremdländische Pflanzen waren sehr begehrt", fand die Autorin in ihren Recherchen heraus. "Es gab immer ein großes Bedürfnis nach besonderen Pflanzen."

Rundum-Fitness

Schon weit vor der Globalisierung gab es Wege, an die begehrten Gewächse zu kommen. Oft führte der Weg über die Klostergärten. Von dort fanden Gemüse und Blumen aus anderen Regionen und Erdteilen Einzug in die bäuerlichen Biotope. "Das tränende Herz beispielsweise gilt als typische Bauerngartenpflanze, kommt aber ursprünglich aus Japan", sagt Steinberger. In den experimentierfreudigen Klostergartenanlagen wurde viel ausprobiert, die importierten Sorten getestet, etwa ob sie Frost und Schnee überleben.

So war auch das Wissen um die toxische Wirkung vieler Gewächse schon damals weit verbreitet. Denn viele schöne Blumen wie Eisen- oder Fingerhut sind giftig. Aus den Wurzeln des Fingerhuts beispielsweise wurde ein Sud gekocht, mit dem man Schädlingen zu Leibe rückte. Selbst Wirtshäuser nutzten früher solche Mischungen, um ihre Holztische zu schrubben, wie Bärbel Steinberger herausfand. Doch kaum jemand nutze heute noch dieses Wissen.

Wer jetzt ins Fachgeschäft eilt und sich die notwendigen Werkzeuge einkauft und am kommenden Wochenende gleich den Rasen umgräbt, kann sich möglicherweise bald das Fitnesscenter sparen. Denn auch während des Jahres brauchen die frisch gekeimten Pflänzchen regelmäßige Pflege. Damit schaffen es Hobbygärtner möglicherweise auch, der amerikanischen First Lady in einer weiteren Hinsicht nachzueifern. Als Lohn von Umgraben und Harken gibt es richtig gut durchtrainierte Oberarme.

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