G7 diskutieren Währungskurse:Starkes Interesse am schwachen Yen

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Der Yen-Kurs taumelt, der Euro steht stramm da: Worüber Europa nicht gerade glücklich ist, ist für Japans Exporteure ein Grund zum Jubeln.

Helga Einecke und Claus Hulverscheidt

Der Absturz ist dramatisch: Fast die Hälfte seines Wertes hat der japanische Yen seit der Jahrtausendwende gegenüber dem Euro verloren - allein in den letzten zwölf Monaten betrug das Minus zwölf Prozent.

Im Rahmen des G7-Gipfels ringen die Vertreter der führenden Industrienationen um eine gemeinsame Sprachregelung zum schwachen Yen-Kurs. (Foto: Foto: Reuters)

Was klingt wie eine Niederlage, ist für Japan in Wahrheit ein Segen, denn die Exportindustrie kann ihre Produkte deutlich billiger im Ausland verkaufen als noch vor Jahren. Leidtragende sind die Konkurrenten in Europa, insbesondere die Autoindustrie, die in dem scharfen Preiswettbewerb immer stärker ins Hintertreffen gerät.

Dennoch ist es sehr fraglich, ob sich die Finanzminister und Notenbankchefs aus den sieben führenden Industrienationen (G7) bei ihrem Treffen am Wochenende in Essen auf eine gemeinsame Sprachregelung verständigen werden.

Zwar hat Gastgeber Peer Steinbrück (SPD) das Thema Yen in der vergangenen Woche demonstrativ auf die Tagesordnung gesetzt, in den Vorgesprächen auf Beamtenebene gab es aber keine Annäherung. Während die Europäer Regierung und Notenbank in Tokio zur Stärkung der Landeswährung drängen wollen, geben sich die USA zurückhaltend. Japan selbst lehnt Druck von außen ab.

Politisches Kalkül

In G-7-Kreisen hieß es, der Streit werde - wenn überhaupt - erst während der Tagung entschieden. Auch an den Finanzmärkten ist man skeptisch, dass sich unterschiedlichen Positionen unter einen Hut bringen lassen werden. Ulrich Wortberg, Analyst der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), sagte, Grund für den Yen-Absturz sei neben der Schwäche der japanischen Wirtschaft vor allem politisches Kalkül: Der niedrige Wechselkurs komme der Regierung in Tokio schlicht gelegen.

Steinbrück und seine Kollegen aus Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und den Vereinigten Staaten kommen am Freitag und Samstag zu ihrem ersten Treffen im Jahr 2007 in der "Villa Hügel", dem früheren Haus der Industriellen-Familie Krupp, zusammen.

Die Wechselkurs-Passage war auch bei früheren G-7-Treffen oft der umstrittenste Teil des Abschlusskommuniqés. Immer wieder rangen die mit der Ausarbeitung der Erklärung beauftragten Staatssekretäre und Notenbank-Vizepräsidenten die halbe Nacht lang um eine gemeinsame Formulierung.

In ruhigen Zeiten beschränken sich die Minister und Zentralbanker meist auf die allgemeine Aussage, dass Wechselkurse die wirtschaftlichen Eckdaten widerspiegeln sollen und dass die G-7-Staaten bei einer groben Verletzung dieser Regel gemeinsam aktiv würden. Gemeint ist damit unter anderem der abgestimmte An- oder Verkauf einzelner Währungen durch mehrere Notenbanken wie im Jahr 2000, auch wenn diese Option im Kommuniqué nie explizit erwähnt wird. Wird nur ein einziges Wort an der Standardformulierung geändert, löst das an den Finanzmärkten oft große Hektik aus.

China im Mittelpunkt

Steinbrück und seine Kollegen aus Paris, London und Rom wollen nun erreichen, dass der deutliche Kursverlust des Yen im Kommuniqué explizit erwähnt wird. Die Vereinigten Staaten haben daran aber wenig Interesse, wie auch Stephan Rieke von der BHF-Bank beobachtet hat: Erstens habe der Yen gegenüber dem Dollar kaum abgewertet, zweitens stehe die chinesische Wechselkurs-Politik im Mittelpunkt des Washingtoner Interesses, und drittens solle aus amerikanischer Sicht der Markt über die Kurse entscheiden.

Möglicherweise gelingt es den Europäern, die USA mit dem Angebot ins Boot zu holen, dass neben dem Yen auch der chinesische Renminbi in der Abschlusserklärung genannt wird. Washington klagt bereits seit Jahren darüber, dass die Regierung in Peking den Kurs ihrer Landeswährung künstlich niedrig halte.

Größer ist allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass es Japan gelingt, die explizite Nennung einzelner Währung im G-7-Kommuniqué zu verhindern. Tokio hat gute Argumente, wie auch in den europäischen Hauptstädten eingeräumt wird: Anders als früher manipuliert die Regierung den Yen-Kurs seit 2004 nicht mehr. Außerdem kann auch den europäischen Partnern nicht daran gelegen sein, dass die japanische Notenbank das ohnehin schwächelnde Wirtschaftswachstum mit Hilfe einer deutlichen Erhöhung der Leitzinsen wieder abwürgt und das Land in eine neuerliche Rezession stürzt.

Eine solche Leitzinserhöhung wäre für eine Stärkung des Yen aber erforderlich. Die japanische Notenbank hatte zuletzt entschieden, ihren wichtigsten Ausleihesatz angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten und der sehr geringen Inflationsrate auf dem extrem niedrigen Niveau von 0,25 Prozent zu belassen.

Gefälle der Leitzinsen

Anleger machen sich das weltweite Gefälle der Leitzinsen zu Nutze, das vom japanischen Niedrigsatz und 3,50 Prozent in Europa bis zu 5,25 Prozent in den USA und Großbritannien reicht. Sie leihen sich in großem Umfang Geld in Yen und investieren es in Euro, Dollar oder Pfund.

Diese so genannten Carry Trades sind nach Angaben von Antje Praefcke, Analystin der Commerzbank, in ihrem Umfang nicht zu beziffern. Würde der Wechselkurs des Yen steigen, etwa durch die Aussage der Finanzminister, ginge das Kalkül dieser Anleger nicht auf. Sie würden massiv umschichten und den Devisenmarkt in Aufruhr versetzen.

© SZ vom 06.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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