Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank:"Komplizierter als die Einführung des Euro"

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Integrationsvorstand Ulrich Sieber erlebt turbulente Zeiten: Er führt die Mitarbeiter der Dresdner Bank und der Commerzbank zusammen. Dabei bleiben viele Enttäuschte zurück.

Harald Freiberger, Frankfurt

Ulrich Sieber sitzt in der 47. Etage des Commerzbank-Turms, sein Blick geht in Richtung Norden, in den Taunus, wo er in etwa 20 Kilometer Entfernung mit seiner Familie lebt. "Ich hatte für meine Frau und meine drei Kinder in den letzten zwei Jahren häufig wenig Zeit", sagt er. Aber das werde nun hoffentlich besser, je weiter die Integration von Commerzbank und Dresdner Bank vorangeht.

Nach der Dresdner-Übernahme gab sich die Commerzbank ein neues Logo. Es erinnert in seiner Form an das alte Firmenzeichen der Dresdner Bank. (Foto: dpa)

Sieber, 44, ist als Personalvorstand verantwortlich für die Fusion, die vor zwei Wochen ihren Höhepunkt erreichte. "Seitdem sinkt das Energieniveau langsam", sagt er. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres wird die Fusion komplett vollzogen sein, dann kommen für ihn normalere Zeiten.

Die anormalen Zeiten begannen vor genau zwei Jahren, am 31. August 2008. Es war der Tag, an dem die Commerzbank ankündigte, die Dresdner Bank von der Allianz zu übernehmen. Es ist die größte Fusion zweier Banken in Deutschland - und keine stand je unter einem so schlechten Vorzeichen. Zwei Wochen später geht die US-Investmentbank Lehman pleite, was beiden Banken Milliardenverluste beschert. Der Staat muss sie mit insgesamt 18,2 Milliarden Euro retten.

Den Menschen die Wahrheit sagen

Inmitten dieser Turbulenzen muss Siebers Team die beiden Banken zusammenführen, 9000 von 65.000 Stellen abbauen, Führungspositionen neu besetzen, Kündigungsgespräche führen. "Wir haben die komplette Bank einmal bewegt, jede Planstelle wurde angeschaut und mit dem besten Mitarbeiter besetzt. Wir haben uns dabei mit jedem Mitarbeiter intensiv beschäftigt", sagt der Personalchef.

So ein Prozess lässt auch viele Enttäuschte zurück. "Ich habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Trennungsgespräche führen müssen und dabei immer versucht, wertschätzend und fair zu sein", sagt er. "Wenn ich einen Mitarbeiter nur als Nummer sehen würde, müsste ich sofort aufhören." Das Wichtigste sei, sich auf jeden Menschen persönlich einzustellen. Das sei in den meisten Fällen gelungen, aber natürlich gebe es auch Kollegen, die sich ungerecht behandelt fühlen.

"Man muss den Menschen die Wahrheit sagen, man darf nicht um den heißen Brei herumreden", ist Sieber überzeugt. Er glaubt, dass ihm eine Erfahrung aus dem Jahr 2001 bei seiner Tätigkeit hilft. Damals saß er auch in einem Trennungsgespräch, aber auf der anderen Seite des Schreibtischs: Bei der Investmentbank JP Morgan, wo er einer von fünf Geschäftsführern in Deutschland war, wurden nach der Fusion mit der Chase Bank nicht mehr so viele Geschäftsführer gebraucht. "Das war ein großer Einschnitt, aber es hat mir geholfen, die Dinge anders zu sehen", sagt er.

Er habe erlebt, wie wichtig es ist, dass die Verantwortlichen eines Unternehmens dem Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten ihre Wertschätzung entgegenbringen, offen sind, die Dinge klar ansprechen und wenn möglich eine Perspektive aufzeigen. "Ich habe auch gesehen, dass eine neue Tür aufgehen kann, wenn eine andere zugeht", sagt er. Er habe sofort wieder eine neue Aufgabe bekommen.

Zum Personalexperten wurde Sieber eher durch Zufall. Er hatte bei der Vereinsbank in seinem Geburtsort Altötting gelernt, kam danach in die Zentrale nach München. Dort war er in der Kreditabteilung tätig. "Auf einer Veranstaltung fragte ich den damaligen Personalchef etwas zu forsch, was er und seine 400 Leute eigentlich den ganzen Tag machten", erzählt er. "Am nächsten Tag kam sein Anruf, ich könne mir das ja mal näher anschauen."

Nach der Wende rekrutierte er in Sachsen und Thüringen das Personal für neue Filialen der Vereinsbank. Er erinnert sich an eine Anekdote: "Wir schalteten Stellenanzeigen für Auszubildende, auf die vier Wochen lang nichts kam, und dann kamen auf einmal 500 Bewerbungen. Das lag daran, dass es in der ehemaligen DDR kaum Möglichkeiten gab, Passbilder zu machen und die jungen Leute sich erst Fotos organisieren mussten. Da kamen dann zum Teil Familienfotos und echte Schnappschüsse." Die wichtigste Lehre in Ostdeutschland aber war für ihn, die Fähigkeiten von Bewerbern genau einzuschätzen. "Wir mussten lernen, genau zuzuhören und zu unterscheiden, weil es dort Privilegierte und Benachteiligte gab", sagt Sieber.

Nach dieser Zeit wechselt er 1991 zur Credit Suisse nach Frankfurt, danach zu JP Morgan, später kam er als Personalverantwortlicher zur Dresdner Bank. 2006 wechselte er Commerzbank. Er kannte beide Banken schon vor der Fusion von innen, auch das qualifizierte ihn zum Integrationsvorstand. "Vor zwei Wochen haben die Kollegen einen entscheidenden Schritt für die Zusammenführung der Computersysteme getan", sagt Sieber. Über das Wochenende konnten manche Kunden kein Geld abheben oder Kontoauszüge drucken. "Die Schaffung der neuen IT-Plattform war technisch so komplex wie die Jahr-2000- und die Euro-Umstellung zusammen. Die Anspannung sei deutlich spürbar gewesen, inzwischen normalisiere es sich langsam wieder.

Wichtig sind die Details

Nach außen lief der Prozess verglichen mit anderen Bankenfusionen fast ruhig ab. Sieber weiß, dass ihm auch die turbulenten Ereignisse in der Finanzkrise geholfen haben. "Die Wahrnehmung war häufig woanders, etwa bei der Soffin-Beteiligung oder der Ergebnisentwicklung", sagt er. Man habe aber auch gelernt, auf Details zu achten. "Von anderen Fusionen hörten wir, dass man heute nach Jahren noch an der Telefonnummer sieht, wer vorher bei welcher Bank war", sagt Sieber. "Das gibt es bei uns nicht mehr, alle Telefonnummern fangen mit den gleichen Ziffern an."

Im Übrigen gebe es bei der Commerzbank keine Kollegen, die "aberwitzige Beträge" verdienen. "Wir lassen uns auf dieses Spiel nicht ein, da sage ich lieber schon mal: ,Gute Reise'." Und was das Gehalt der Vorstände betrifft, das derzeit auf gedeckelt ist, sagt Sieber: "500.000 Euro sind viel Geld."

© SZ vom 31.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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