Fraunhofer-Experte:Spannung im Parkhaus

Ein Gespräch mit Diplom-Physiker Florian Klausmann über die Bedeutung von "Micro Smart Grids" und darüber, wie diese intelligenten Stromnetze die Energieversorgung in Zukunft effizienter machen könnten.

Interview von Lars Klaaßen

Wie intelligentes, dezentrales Energiemanagement in Zukunft aussehen kann, untersucht Florian Klausmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation mit seinen Kollegen anhand eines "Micro Smart Grid".

SZ: Was ist ein Micro Smart Grid und wozu wird es benötigt?

Florian Klausmann: Mit dem englischen Begriff bezeichnet man intelligente Stromnetze. Stromquellen, Speicher und Verbraucher werden durch sie miteinander verbunden, alle Komponenten solch eines Systems können miteinander kommunizieren und machen dadurch die Energieversorgung deutlich effizienter. Smart Grids können die schwankenden Energieeinspeisungen aus erneuerbaren Energiequellen in das Stromnetz so steuern, dass Spitzen und Flauten ausgeglichen werden. Solch ein System haben wir bei uns am Institut gebaut. Es sichert die Stromversorgung vor Ort. An die übergeordneten Stromnetze angebunden, vermeidet es an dieser Schnittstelle extreme Schwankungen des In- und Outputs. Wenn solche Micro Smart Grids künftig zusammenwachsen, können unsere Energiesysteme in kleinen, bedarfsgerechten Schritten zu einem ganzheitlichen Smart Grid ausgebaut werden. Mit den Anlagen am Institut können wir schon heute das zukünftig notwendige intelligente Energiemanagement anhand des lokalen Szenarios durchspielen und testen.

Elektroauto an einer Stromtankstelle

Der Fahrstrom für Elektroautos kann auch lokal produziert werden.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Und wie sieht so ein Projekt ganz konkret aus?

Ort des Geschehens ist das Parkhaus des Fraunhofer-Institutszentrums in Stuttgart. Mitspieler sind die verschiedenen Erzeuger, Speicher und Verbraucher auf dem Forschungsgelände. Dazu zählt eine Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge mit über 30 Ladestationen sowie mehrere Gleichstrom-Schnellladestationen mit bis zu 150 Kilowatt Leistung pro Fahrzeug. Der komplette Fahrstrom wird von einer Photovoltaikanlage lokal auf dem Dach des Parkhauses produziert. Erzeugung und Verbrauch können dabei mit Hilfe eines Lithium-Ionen-Batteriespeichers optimal aufeinander abgestimmt werden. Der Clou dabei: Alle Komponenten werden unter wissenschaftlicher Begleitung im realen Alltagsbetrieb genutzt. Herzstück unseres Micro Smart Grid ist die selbstentwickelte Steuerung. Über dieses Energiemanagement-System können wir alle Energieerzeuger, -speicher und -verbraucher hinsichtlich verschiedener Optimierungsziele ansteuern und überwachen.

Fraunhofer-Experte: Florian Klausmann ist Diplom-Physiker und Projektleiter für den Aufbau und Betrieb eines Micro Smart Grid am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.

Florian Klausmann ist Diplom-Physiker und Projektleiter für den Aufbau und Betrieb eines Micro Smart Grid am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.

Welche Rolle spielen die Elektrofahrzeuge dabei?

Die Fahrzeuge sind in unserem Micro Smart Grid der Hauptverbraucher und tragen durch die gesamte Anschlussleistung von über 500 Kilowatt wesentlich zu den Lastspitzen im lokalen Netz bei. Der Verbraucher ist dabei aber flexibel. So können wir bei geringer Stromproduktion durch die Photovoltaikanlage die Fahrzeugladung einschränken und bei hoher Einspeisung forcieren. Zukünftig kann die Energie aus den Akkus der parkenden Fahrzeuge auch direkt wieder in das lokale Netz eingespeist werden. Dabei stellt sich die Frage, wie spontan unsere Mitarbeiter die Flotte nutzen möchten: Wie viele Autos sollen mit vollgeladenem Akku in welchem Zeitfenster bereitstehen? Je komfortabler und effizienter wir das handhaben, desto geringer wird der Spielraum für die Nutzung der Auto-Akkus im Energiemanagement. Deshalb nutzen wir die stationäre Lithium-Batterie und für langfristige Reserven auch einen neuartigen Wasserstoffspeicher, der über eine Brennstoffzelle an die Stromversorgung angebunden ist.

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