Frankfurter Skyline:Termitenbau mit Eisbär-Prinzip

Am Frankfurter Horizont wird es 2011 einen neuen Riesen geben: Die EZB-Zentrale. Die Gestaltung der Fassade orientiert sich am Tierreich.

Stephanie Schmidt

Als die ersten Wolkenkratzer in Frankfurt gen Himmel wuchsen, hagelte es Proteste von Bürgern - manche jubelten sogar, als 1973 ein Brand am Rohbau eines Hochhauses am Platz der Republik gewaltigen Schaden anrichtete.

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So soll nach dem Entwurf von Coop Himmelblau die neue EZB-Zentrale in Frankfurt aussehen.

(Foto: Foto: AP)

War "Mainhattan in den siebziger Jahren ein Schimpfwort, so bezeichnet der Begriff heute einen Ehrentitel für die hessische Bankenstadt.

Oberbürgermeisterin Petra Roth sieht in Frankfurts Wolkenkratzern einen "Ausdruck wirtschaftlicher Vitalität und Zukunftsorientierung". Die Stadt am Main feierte ihre Hochhaus-Kulisse dieses Jahr zum vierten Mal mit einem zweitägigen Festival.

Einzug im Jahr 2011

Und es kommt ein neuer Gigant hinzu: Nach einem Entwurf von Coop Himmelblau aus Wien wird im Frankfurter "Ostend" von 2008 an die neue Europäische Zentralbank (EZB) gebaut - das Bauwerk soll noch vor Ende 2011 bezugsfähig sein.

Der Sitz der EZB, in der Vertreter aus etwa 30 Nationen arbeiten, befindet sich derzeit noch in der Kaiserstraße in der Nähe des Willy-Brandt-Platzes. Ihr Neubau-Vorhaben nahm die Stadt unlängst zum Anlass, einen breitgefächerten Workshop zum Thema Hochhaus-Bau zu veranstalten und zu einem Blick hinter die Kulissen einzuladen.

In der westlichen City formen mehr als 20 Hochhäuser einen Cluster - der höchste ist der Commerzbank Tower von 1997, der es auf 258 Meter, mit Antenne sogar auf mehr als 300 Meter bringt; der beliebteste dürfte der 256 Meter hohe Messeturm von 1990 mit Bleistiftform sein, gebaut vom Architekten Helmut Jahn.

Der 200 Meter hohe Maintower besitzt ganz oben eine Aussichtsplattform und ein Restaurant, und in den Zwillingstürmen der Deutsche Bank-Zentrale kann man auf dem Weg über die Etagen ein Panorma deutscher Kunst der sechziger, siebziger und achtziger Jahre erleben.

Einen circa 180 Meter hohen Doppelturm in polygonaler Form hat Coop Himmelblau für den Neubau der EZB entworfen. Er tritt in Blickbeziehung zu wichtigen Bezugspunkten Frankfurts - der Alten Oper, dem Museumsufer und dem Bankenviertel.

Bekenntnis der Mainmetropole zur Skyline

In das Turmensemble integriert wird die von den Frankfurtern "Gemieskerch" ("Gemüsekirche") genannte, 1928 gebaute Großmarkthalle. Drittes Element ist ein sogenannter Cantilever, der den Turm und die denkmalgeschützte Halle verbindet und den Nordeingang der EZB definiert.

Das Atrium mit seiner bewachsenen Stahl-Skulptur verkörpert die Idee der "vertikalen Stadt". Durch Plattformen entstehen zwischen den Türmen Räume, Plätze und Verkehrsverbindungen, wie sie auch in einer Stadt vorkommen.

Die neue EZB ist als Bekenntnis der Mainmetropole zu ihrer Skyline zu werten und als Symbol für den Aufbruch des industriell geprägten Frankfurter Ostens in eine neue Ära: Die Werft des Frankfurter Osthafens wurde zu einem Naherholungsgebiet ausgebaut und an der Hanauer Landstraße haben sich Werber und Gastronomen niedergelassen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, mit welchen bionischen Raffinessen das Hochhaus energieeffizient wird.

Termitenbau mit Eisbär-Prinzip

Die Fassade der EZB soll mit einem modernen Sonnenschutz-System ausgestattet werden und so ein hohes Maß an Energieeffizienz bringen. Für letztere dient mitunter die Natur als Vorbild.

Zu diesem Thema referierte Professor Werner Nachtigall, einer der Gründerväter der Bionik in Deutschland. Eines der von ihm angeführten Beispiele für das Lernen von Entwicklungs-Prinzipien der Natur bezieht sich auf eine afrikanische Termiten-Gattung, deren Behausung nach dem Prinzip der sonnenangetriebenen automatischen Klimatisierung belüftet wird - natürlich ganz ohne Hightech.

Luft von unten

Sonnenwärme sorgt dafür, dass im geschlossenen Röhrensystem des Termitenbaus Luft von unten durch das Nest in den oberen Teil des Baus strömt und dann unmittelbar an der Außenwand wieder zurück.

Das Baumaterial ist porös, sodass Sauerstoff ein- und Kohlendioxid ausströmen kann. "Solche Termiten-Kamine sind bereits von Architekten nachgebaut worden, wodurch sie 60 Prozent der erforderlichen elektrischen Leistung einsparen konnten", erklärte der Bionik-Experte.

Auch das "Eisbären-Prinzip" hilft in puncto Energiesparen. Der Eisbär kann in arktischer Kälte nur deshalb überleben, weil sein Fell Licht- und Wärmestrahlen nach unten leitet - sie werden von der dunklen Hautoberfläche des Tieres absorbiert.

Isoliert wie ein Eisbär

Aufgrund der zahlreichen, in seinem Fell eingeschlossenen Luftpolster kann die Wärme nicht mehr entweichen. Seit kurzem gibt es laut Professor Nachtigall ein neues Patent für ein transparentes Isolationsmaterial zur Fassadenverkleidung von Bauten, das auf dem "Eisbären-Prinzip" basiert.

Gerade dem Hochhausbau könnte eine solche Methode zugute kommen, deren Gegner immer wieder die hohen Nebenkosten von Wolkenkratzern anführen.

Dafür verfügen sie über flexible Flächen und sind deshalb für Umnutzungen geeignet. Insbesondere in Frankfurt besteht ein großer Bedarf an Wohnraum, wofür leerstehende Büroflächen, beispielsweise in Hochhäusern, ein großes Potential bieten.

Aus diesem Grund hat das Immobilienforum Frankfurt gemeinsam mit dem Deutschen Architekturmuseum dieses Jahr den Ideenwettbewerb "Neue Formen des städtischen Wohnens" ausgelobt, an dem sich Hochschulen aus aller Welt beteiligen.

"Was in Manhattan in großem Stil praktiziert wird, kann doch auch in Mainhattan funktionieren", sagte Professorin Alexandra Hartig, die Leiterin des Wettbewerbs. "Bestimmt finden es viele Menschen repräsentativ, in einem Hochhaus zu wohnen", ergänzte die Gründerin des Frankfurter Architekturbüros "Earlybirds".

Die prämiierten Arbeiten von Studenten für die Umnutzung von Büroimmobilien und Hochhäusern sollen im Oktober im Deutschen Architekturmuseum ausgestellt werden.

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