Fragen und Antworten:Das Rettungspaket im Detail

Knapp ein halbe Billion Euro will Deutschland zur Rettung des Finanzsystems aufbringen. Wo kommt das Geld her? Die Details zum Paket.

Die Eckpunkte für den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Rettung der deutschen Banken sind bekannt. In Fragen und Antworten stellt sueddeutsche.de die Details des Rettungsplans vor - und beschreibt die Maßnahmen in den anderen EU-Ländern.

Das Kabinett hat am Montag einen Plan zur Rettung der deutschen Banken beschlossen. Insgesamt will der Staat den Finanzinstituten bis zu 500 Milliarden Euro in Form von Bürgschaften und direkten Kapitalhilfen zur Verfügung stellen. Die Regierung will mit den Bürgschaften erreichen, dass die Banken sich untereinander wieder Geld leihen, was sie derzeit wegen der Finanzkrise kaum noch tun. Mit den direkten Finanzhilfen will er sicherstellen, dass keine Bank schließen muss, weil ihr Eigenkapital nicht mehr ausreicht.

Welchen Umfang hat das Rettungspaket?

Das Paket umfasst insgesamt bis zu 500 Milliarden Euro - eine halbe Billion. Das geht aus einer Erklärung des Bundesfinanzministeriums zu dem Maßnahmenkatalog hervor.

Von der Gesamtsumme sollen allerdings nur 100 Milliarden Euro als direktes Kreditvolumen für den Finanzmarktstabilisierungsfonds aufgenommen werden; die übrigen 400 Milliarden sind als Bürgschaftsrahmen für Kredite der Banken untereinander vorgesehen. Die Gesamtschuld des Staates steigt somit zunächst um 100 Milliarden Euro.

Umgerechnet in Dollar hat das Paket übrigens fast die Dimension des 700 Milliarden Dollar schweren US-Pakets.

Muss der Bund nun tatsächlich 500 Milliarden Euro bezahlen?

Nein. Der Bund übernimmt die Rolle eines Versicherers, ähnlich wie dies schon seit Jahrzehnten im Exportgeschäft üblich ist. Erst wenn es einen Ausfall gibt, springt der Bund ein. Die Regierung rechnet mit einem Ausfall in Höhe von fünf Prozent von 400 Milliarden Euro, also 20 Milliarden Euro.

Woher bekommt der Bund das Geld?

Zunächst muss der Staat nur für die direkten Finanzspritzen Geld auftreiben. Diese machen nach den Planungen bis zu 80 Milliarden Euro aus. In einer ersten Tranche will die Regierung den Banken 70 Milliarden Euro anbieten. Reicht das nicht aus, kann der Bund das Paket um weitere zehn Milliarden Euro aufstocken. Außerdem schließt der Staat nicht aus, problematische Wertpapiere der Banken aufzukaufen. Das Geld dafür muss der Bund sich leihen. Das geschieht über die Bundesfinanzagentur. Diese gibt Bundesanleihen, -obligationen, Schatzbriefe und andere Staatspapiere aus, die von Banken und Sparern gekauft werden können. Da derzeit viele nach sicheren Anlagen suchen, dürfte es für die Agentur nicht allzu schwierig werden, das Geld aufzubringen.

Wie groß ist das Paket gemessen am Bundeshaushalt?

Der Bundeshaushalt 2008 sieht Gesamtausgaben von 283 Milliarden Euro vor. Das Rettungspaket macht also mehr als das Anderthalbfache des Haushalts aus. Der größte Einzelposten im Haushalt ist das Ministerium für Arbeit und Soziales: Hier summieren sich die Ausgaben auf 124 Milliarden Euro - gerade ein Viertel des Rettungspakets.

Was ist der Hauptzweck des Pakets?

Vor allem will der Bund Liquiditätshilfen bereitstellen. Mit Staatsgarantien sollen die Banken dazu gebracht werden, sich gegenseitig wieder mehr Geld zu leihen. Die Kreditvergabe zwischen Banken war zuletzt weitgehend versiegt, da keine Bank der anderen mehr traute.

Wie wird die Hilfe organisiert?

Der Bund richtet ein sogenanntes Sondervermögen "Finanzmarktstabilisierungsfonds" ein. Dafür haftet der Bund. Für den Fonds werden Schuldverschreibungen im Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro ausgegeben. Aus dem Fonds heraus werden die Garantien im Volumen von bis zu 400 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Im Rahmen von Sondervermögen stellt der Bund gewöhnlich Mittel für besondere Aufgaben zur Verfügung oder bündelt darin Kapital wie etwa das Bundeseisenbahnvermögen.

Lesen Sie im zweiten Teil, was das Maßnahmenpaket für den geplanten schuldenfreien Haushalt bedeutet - und wie die Länder an den Finanzhilfen beteiligt sind.

Das Rettungspaket im Detail

Was bedeutet das für das Ziel eines Bundeshaushalts ohne Schulden?

Formal nichts. Das liegt daran, dass der Bund einen Fonds einrichten will, eine Art Nebenhaushalt. Dieser umfasst dann bis zu 100 Milliarden Euro (bis zu 80 Milliarden Euro Kapitalhilfen und bis zu 20 Milliarden Euro Absicherung für die Garantien). Im Bundeshaushalt taucht dieses Geld nicht auf, weil der sogenannte Finanzmarktstabilisierungsfonds rechtlich davon getrennt ist und von der Bundesbank verwaltet wird. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2011 nicht wegen der Mittel für den Fonds in Frage gestellt, sondern weil er befürchtet, dass die Finanzkrise auf die Realwirtschaft übergreift und so die Steuereinnahmen sinken und die Ausgaben steigen. Wenn der Staat für die Finanzspritzen zum Beispiel Aktien der Banken erhält, gerät er auch nicht in die Gefahr, gegen den europäischen Stabilitätspakt zu verstoßen. Denn er hat ja für das ausgegebene Geld Werte erworben.

Zahlt nur der Bund oder auch die Länder?

Die Länder werden in Höhe von 35 Prozent an den Ausgaben beteiligt. Eine "besondere finanzielle Beteiligung" eines Bundeslandes ist dann erforderlich, wenn Finanzinstitute, an denen ein Bundesland beteiligt ist, Hilfe in Anspruch nehmen - also etwa Landesbanken.

Warum schließen sich nicht private Unternehmen zu einem Konsortium zusammen und übernehmen die Versicherung?

Weil ihnen das Risiko zu groß ist und nur der Staat derzeit das Vertrauen der Akteure am Finanzmarkt besitzt.

Müssen die Banken für die Garantien zahlen?

Der Fonds erhält ein Entgelt "in angemessener Höhe". Spekulationen zufolge könnte dies bei zwei Prozent der in Anspruch genommenen Garantiesumme liegen.

Wie lang will der Bund die Garantien übernehmen?

Die Garantien sollen eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2009 haben.

Knüpft der Bund weitere Bedingungen an die Garantievergabe?

Es soll ein "fairer Wettbewerb zwischen allen Finanzinstitutionen" sichergestellt und die Interessen des Steuerzahlers gewahrt werden. Daher gibt es Auflagen in Bezug auf die geschäftspolitische Ausrichtung, die Managementvergütung, die Dividendenausschüttung oder die Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen. Eine neue Rechtsverordnung des Finanzministeriums soll Auflagen regeln, welche die unterstützten Banken im Gegenzug für die Hilfe erfüllen müssen. Die Chefs der Banken haben dafür zu sorgen, dass die Auflagen eingehalten werden.

Dürfen auch ausländische Banken den Fonds in Anspruch nehmen?

Zumindest die deutschen Tochterunternehmen ausländischer Institute. Bedingung ist, dass sie zahlungsfähig sind. Nur in Ausnahmefällen werden "systemrelevante notleidende Unternehmen" unterstützt.

Lesen Sie im dritten Teil, welche Maßnahmen andere EU-Länder ergreifen, um ihre kriselnden Banken zu retten.

Das Rettungspaket im Detail

Was planen andere EU-Länder?

Frankreich hat ein Hilfspaket von 360 Milliarden Euro geschnürt. Mit 320 Milliarden Euro wird die Regierung Kredite zwischen den Banken absichern, mit 40 Milliarden Euro will sie notleidenden Banken frisches Kapital zuführen. Dabei kann der Staat zwischenzeitlich auch Anteile an den Instituten übernehmen. Die Garantie zur Kreditvergabe ist bis Ende 2009 befristet und bezieht sich auf Laufzeiten von Darlehen bis zu fünf Jahren.

Dafür soll eine Institution gegründet werden, um mit Garantie des Staates - also billig - Geld vom Markt aufzunehmen und den Banken zur Verfügung zu stellen. Die Banken können für das Geld Wertpapiere als Sicherheit geben, die von der Europäischen Zentralbank nicht akzeptiert werden. Das kostet den Staat weniger als eine Rundum-Garantie für die Kreditgeschäfte der Banken untereinander und könnte am Ende sogar Erträge abwerfen.

Zudem soll eine neue Gesellschaft für Staatsbeteiligungen (SPPE) das Eigenkapital notleidender Institute stärken. Sie wird zuerst 5,7 Prozent an der französisch-belgischen Bank Dexia übernehmen. Die Nationalversammlung soll am Mittwoch über die nötigen gesetzlichen Regelungen beraten, der Senat am Donnerstag. Noch vor dem Wochenende soll das Paket im Schnellverfahren beschlossen sein.

Großbritannien hat bereits in der vergangenen Woche ein nationales Maßnahmenpaket verabschiedet, nun werden erste Details bekannt. Bis zu 46 Milliarden Euro schießt die Regierung alleine drei Banken zu. Allein bei der Royal Bank of Scotland (RBS) könnte der britische Staat im Rahmen einer Kapitalerhöhung eine Beteiligung von bis zu 25 Milliarden Euro erwerben. Falls sich keine anderen Investoren an der Kapitalerhöhung beteiligen, würde die Regierung im Anschluss rund 60 Prozent der Bank halten.

Auch bei HBOS und Lloyds wird die Regierung voraussichtlich mit Milliardenbeträgen einsteigen. Barclays dagegen will eine Kapitalerhöhung ohne staatliche Hilfe stemmen. Bedingung für die staatlichen Hilfen sind Grenzen bei der Vergütung von Managern und eine erhöhte Kreditvergabe für Hypotheken und kleine Betriebe. Zudem wird die Regierung bei der Besetzung der Führungsgremien mitreden.

Die spanische Regierung garantiert Kredite zwischen Banken bis zu einer Gesamtsumme von 100 Milliarden Euro. Dieser Betrag wird für den Zeitraum bis Jahresende bereitgestellt. Das benachbarte Portugal hatte sich bereits am Sonntag zu einem derartigen Vorgehen entschlossen, hier beläuft sich die Garantiesumme auf 20 Milliarden Euro.

Mit einem Milliardenpakt greifen die Niederlande in den Finanzmarkt ein. Die niederländische Regierung will für Kredite der Banken untereinander mit bis zu 200 Milliarden Euro bürgen. "Es handelt sich um eine beachtliche Summe, mit der das Vertrauen in das Finanzsystem gestärkt und der Geldfluss wieder belebt werden soll", sagte Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Der Betrag wird für Notkredite an Banken verwendet. Außerdem werden die Guthaben niederländischer Bürger bei der kollabierten isländischen Bank Icesave bis zu einer Höhe von 100.000 Euro garantiert.

Bereits genehmigt ist das Krisenpaket der dänischen Regierung. Demnach sollen Banken auf einer freiwilligen Basis rund 4,7 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds einzahlen. Dafür garantiert der Staat im Gegenzug die Kundenguthaben der beteiligten Banken in unbegrenzter Höhe.

Lesen Sie abschließend, welche Pläne Österreich und Russland verfolgen - und warum sich Italiens Ministerpräsident Berlusconi auf der sicheren Seite wähnt.

Das Rettungspaket im Detail

Ein Maßnahmenpaket zur Rettung kriselnder Banken gibt es auch in Österreich. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) kündigte ein "umfassendes und massives Maßnahmenpaket zum Schutz der Sparer und der Banken" an. Inhalt des Pakets ist die bereits versprochene Sicherung der Spareinlagen "von natürlichen Personen rückwirkend ab 1. Oktober" und das "Verbot von spekulativen Leerverkäufen von Wertpapieren". Dazu will die Regierung "umfassende Instrumente zur Bereitstellung der notwendigen Liquidität für den Finanzsektor" präsentieren. Auch ein Einstieg des Staates bei Banken wird nicht ausgeschlossen.

Laut Medienberichten soll die Staatsholding ÖIAG stimmrechtslose Aktien in noch unbekannter Höhe zeichnen. Namen von Banken werden noch nicht kolportiert. Zu den relevanten Großbanken in Österreich zählen Bank Austria, Raiffeisen, Erste Bank, Volksbanken-Gruppe, die BAWAG, mit Abstrichen noch Hypo Alpe Adria und die Regionalbankengruppe (Oberbanken, BTV, BKS). Ex-Finanzminister Hannes Androsch schätzte in der Tageszeitung Österreich den Finanzbedarf grob auf 120 Milliarden Euro. Dies entspricht etwa drei Viertel der in den vergangenen Jahrzehnten angehäuften Staatsschuld. "Androsch rechnet mit rund 20 Milliarden Euro für Kapitalspritzen und 100 Milliarden für weitere Garantien", steht in dem Bericht. Allerdings knüpft Androsch den geplanten Einstieg bei den Banken an ein "Mitspracherecht".

Das russische Parlament hat bereits einem 63 Milliarden Euro teuren Rettungspaket von Präsident Dmitrij Medwedjew zugestimmt. Dafür erhält die nationale Entwicklungsbank VEB 49,3 Milliarden Euro, die anschließend an die größten Banken des Landes in Form von Krediten weitergereicht werden. Zusätzlich erhält die größte Geschäftsbank des Landes, Sberbank, von der Zentralbank einen Kredit in Höhe von 14,1 Milliarden Euro. Außerdem will die Regierung Aktien russischer Unternehmen in Höhe von fünf Milliarden Euro zeichnen - und das in den Jahren 2008 und 2009.

In Italien herrscht dagegen demonstrative Gelassenheit. Ministerpräsident Silvio Berlusconi hält einem Bericht der Zeitung La Repubblica weitere Refinanzierungsmaßnahmen für die Banken des Landes nicht für notwendig. "Unsere Position ist optimal und viel besser als in den anderen Ländern", sagte Berlusconi. Trotzdem will Rom "alles, was nötig ist" bereitstellen, um die Banken und das nationale Finanzsystem zu stützen. Das versicherte Finanzminister Giulio Tremonti am Montag nach einer Sondersitzung des Kabinetts. So könne des Finanzministerium staatliche Garantien für Italiens Sparer für einen Zeitraum von 36 Monaten bereitstellen. Eine Summe nannte der Minister nicht. Die italienische Nationalbank will den Banken des Landes Hilfe im Umfang von bis zu 40 Milliarden Euro für Refinanzierungsgeschäfte gewähren.

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