Forbes-Rangliste:Die neuen Reichen

Bill Gates ist abgelöst worden: Die neueste Hitliste der Milliardäre erschüttert weit verbreitete Klischees - und sagt viel über die Globalisierung aus.

Alexander Hagelüken

Die Globalisierung ist für viele Deutsche ein diffus bedrohliches Phänomen. Eine Erscheinung, deren gesellschaftliche Folgen schwer fassbar sind. Jetzt dokumentiert das US-Magazin Forbes mit seiner Reichenliste unschlagbar eingängig, wie sich die Weltkarte der Wirtschaft verändert.

Bill Gates ist nicht mehr reichster Mann der Welt - der Mexikaner Carlos Slim hat ihn überholt. Unter den zehn Menschen mit dem größten Vermögen finden sich auf einmal vier Inder. Und selbst aus dem afrikanischen Armenhaus schaffen es mehrere Unternehmer auf vordere Ränge der Liste.

Natürlich kannte man auch früher Reiche aus der Dritten Welt. Meist waren es Potentaten, die ihre Untertanen bestahlen wie der Philippine Ferdinand Marcos oder der Zairer Mobuto. Die neuen Milliardäre sind respektabler, jedenfalls zum Teil.

Wohlstand = Demokratie?

Sie verdienen ihr Geld nicht mehr mit Rohstoffen wie Erdöl oder Diamanten, die sie aus der Erde graben, sondern mit technisch avancierten Produkten wie Stahl, Textilien oder Telekommunikation. Sie könnten bald traditionelle europäische Firmen aufkaufen oder haben es, wie der Inder Lakshmi Mittal, bereits getan.

An diese neue Macht müssen sich die selbstbewussten Amerikaner und Europäer erst gewöhnen. Das fällt ihnen schwer, wie die Aufregung um Mittals Einstieg beim Stahlkonzern Arcelor zeigte. Doch auf längere Sicht werden Investoren aus Dritt-Welt-Ländern die Toleranz der Deutschen eher fördern. Wenn es kein Kuriosum mehr darstellt, dass der Boss Inder oder Ägypter ist, wird sich so mancher von seinen Vorurteilen verabschieden müssen.

In der Reichen-Liste wird auch eine grundsätzliche Botschaft transportiert: Deutschland kann keine Wirtschaftspolitik mehr betreiben, die den Aufstieg von Indien oder China ignoriert.

Bei jeder Entscheidung zum Steuer- und Sozialsystem ist zu berücksichtigen, dass es einen globalen Wettbewerb um Jobs gibt. Von solcher Weitsicht sind viele Politiker weit entfernt.

Schon lange vor der nächsten Bundestagswahl kümmern sich die Volksparteien fast nur noch um ihr soziales Profil. Reformpolitik, die auf die Globalisierung reagiert, findet nicht mehr statt. Das wird sich rächen, sobald der Aufschwung nachlässt.

Für das Selbstverständnis des Westens ist das neue Tableau der Reichen noch aus anderem Grund beunruhigend. Es gibt immer mehr Milliardäre aus boomenden Schwellenländern - Nationen, die sich deshalb aber lange nicht westlichen Werten annähern. China bleibt totalitär, und Russland war vor einigen Jahren demokratischer als heute.

Wohlstand = Demokratie - diese klassische Gleichung steht in Frage. Und die Gewinne werden ungleich verteilt. Der Mexikaner Carlos Slim verdient alleine so viel wie drei Millionen seiner Landsleute zusammen genommen. Die Reichenliste ist für den Westen auch eine Aufforderung, auf der ganzen Welt für seine Werte einzutreten. Einfach wird das nicht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: