Folgen der Finanzkrise:Neue Banken braucht das Land

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Lehren aus dem Desaster: Der dringlichste Wunsch an die Banken ist es, endlich ernst zu machen mit einem zukunftsfähigeren Finanzwesen.

Martin Hesse

Kurz vor dem Ende des für die Bankbranche so horrenden Jahres 2008 trat Josef Ackermann bei einem Kongress über kulturelle Vielfalt auf. Der Chef der Deutschen Bank warb für Integration, Toleranz und bessere Chancen für Frauen. Ackermann hat sich in der Finanzkrise erstaunlich häufig Zeit für Veranstaltungen genommen, die einer nachhaltigeren Wirtschaft das Wort redeten. Das ist löblich, selbst wenn vor allem der Imagepflege geschuldet. Doch in welch krassem Gegensatz steht die von Ackermann und vielen anderen gepflegte Nachhaltigkeitsrhetorik zu dem Gebaren, das die globale Finanzkrise verursacht hat!

Finanzmetropole Frankfurt am Main (Foto: Foto: ddp)

Die Krise geht in ihr drittes Jahr, und der dringlichste Wunsch an die Banken für 2009 ist es, endlich ernst zu machen mit einem zukunftsfähigeren Bankwesen. In den vergangenen Jahren haben teils dieselben Banker, die sich mit Nachhaltigkeitsberichten schmücken, eine Krise mit enormen sozialen Folgekosten verursacht. Nachhaltig wirtschaftende Banken hätten nicht Hunderte Milliarden Dollar an Hauskrediten an mittellose Amerikaner vergeben. Das mag auf den ersten Blick wie eine soziale Wohltat aussehen, trieb aber letztlich nicht nur diese Hausbesitzer, sondern Hunderttausende Menschen weltweit in den Ruin.

Wann, wenn nicht in dieser für sie existenzbedrohenden Krise, will die Geldbranche ihre Prinzipien hinterfragen?

Die vergangenen Jahre haben schmerzhaft deutlich gemacht, dass Banken in der Wirtschaft eine Schlüsselrolle einnehmen. Was 2007 als lokales Problem am amerikanischen Immobilienmarkt begann, breitete sich 2008 über die Finanzmärkte in fast alle Winkel der Erde und Branchen aus. Die Banken versorgen die Wirtschaft mit Geld wie Adern einen Organismus mit Blut. Transportieren die Blutbahnen Gift, erkranken die Organe, stoppt der Blutfluss, sterben sie ab.

Doch die Schlüsselfunktion der Banken birgt auch Chancen. Jetzt, da staatliche Rettungspakete einen Zusammenbruch des Finanzsystems abgewendet haben, sollten die Banken diese Chancen ergreifen. Es geht nicht darum, das Überleben einer jeden Firma zu sichern. Banken müssen ihre Risiken im Auge behalten, um nicht von neuen Kreditausfällen gelähmt zu werden. Nein, Banken sollten vielmehr ihre Unternehmensziele neu definieren und soziale und ökologische Kriterien gleichberechtigt neben das Prinzip der Gewinnmaximierung stellen.

Lesen Sie weiter: Wenn nur die Gewinne zählen.

Bislang verfolgen Banken Nachhaltigkeitsziele vor allem da, wo sie auf den ersten Blick Gewinne versprechen. Etwa wenn sie ein neues Zertifikat auf die Modebranche Cleantech, also umweltschonende Technologien vermarkten. Nachhaltige Anlageprodukte zu fördern ist gut, greift aber zu kurz. Konsequent wäre es, bei jeder Kreditentscheidung, jeder Kundenberatung die ökologischen und sozialen Folgen der Entscheidung zu berücksichtigen. Steht die Strategie der Bank im Einklang mit den Millenniumszielen der Vereinten Nationen? Oder begünstigt die Kreditvergabe Klimawandel und ausbeuterische Landwirtschaft? Könnte man mit dem Ausbau von Mikrokreditangeboten die Ungleichheit in der Welt verringern? Oder wollen Banken weiterhin Korruption, Steuerhinterziehung und Misswirtschaft unterstützen?

Banken haben ungeheure Macht, weil sie Investitionen ermöglichen oder verhindern können. Diese Macht zu nutzen, dazu gehört Mut. Etwa der Mut, einen Firmenkunden der Konkurrenz zu überlassen, der in seinen Fabriken Menschenrechte missachtet. Dazu gehört auch, Mitarbeitern Leistungsanreize zu geben, die sich außer am Gewinn auch an ökologischen und sozialen Zielen orientieren. Gute Beratung häufiger über Provisionsdenken zu stellen, ist ein weiterer Baustein für die Bank der Zukunft.

All das mag kurzfristig die Rendite schmälern, und es braucht Zeit. Eine Großbank konsequent nachhaltig auszurichten, geht weit über den Kraftakt des Siemens-Konzerns hinaus, der die korrupte Firmenkultur abzuschütteln versucht. Doch der Weg lohnt sich. Auf Dauer reduzieren Banken so ihre Risiken und gewinnen Ansehen und Kunden. Vor allem aber werden sie ihrer Verantwortung für eine zukunftsfähige Welt gerecht.

© SZ vom 02.01.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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