Folgen der Energiewende:Grüner Strom ist teuer

Heute stellt Umweltminister Altmaier ein Zehn-Punkte-Programm vor, in dem es auch um die Kosten der Energiewende gehen soll. "Wir tun alles, damit die Preise bezahlbar bleiben", sagte kürzlich die Kanzlerin. Doch schon bahnen sich neue Kosten für deutsche Verbraucher an: Die Ökostrom-Umlage wird 2013 kräftig steigen. Doch was macht den deutschen Strom eigentlich so teuer?

Michael Bauchmüller

In Sachen Strompreis wird Angela Merkel ganz schön zu tun bekommen in den nächsten Wochen. "Wir tun alles, um die Energiewende so zu gestalten, dass die Preise bezahlbar bleiben", hatte die Kanzlerin kürzlich erst in ihrem Videoblog gesagt. Doch schon bahnen sich neue Kosten für deutsche Verbraucher an: Die Ökostrom-Umlage wird 2013 kräftig steigen. Die Stromnetze werden teurer. Für den Ausbau der Windparks zur See sollen die Stromkunden die Haftung übernehmen. Das kostet. Schon fordern FDP-Politiker, die Ökostrom-Förderung zu beenden, während Grüne Privilegien für die Industrie anprangern. Mehrere Textilunternehmen haben am Dienstag Klage eingereicht, sie wollen nicht weiter zahlen für die Energiewende. Eine Bestandsaufnahme.

Was kostet der Ökostrom?

Es gab schon sonnigere Julis als den vergangenen. Für kräftig Solarstrom hat er trotzdem gesorgt, und windreich ist das Jahr 2012 bisher auch. Strom aus Wind, Sonne oder etwa vergorenem Mais wird in Deutschland per Umlage vergütet, zu vorab festgelegten, gesetzlich garantierten Preisen. Dazu zahlen alle Haushalte nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die so genannte EEG-Umlage. Allein im Juli kam so eine Milliarde Euro zusammen. Zu zahlen aber waren mehr als zwei Milliarden Euro. Das Konto, in dem bis Mai noch die Einnahmen die Ausgaben überwogen, ist mittlerweile im Minus. Damit ist eine Anhebung unausweichlich. Von derzeit 3,59 Cent je Kilowattstunde dürfte die Umlage auf rund fünf Cent ansteigen. Für einen Durchschnittshaushalt bedeutet dies einen Anstieg von 125 auf 175 Euro im Jahr.

Lässt sich der Anstieg dämpfen?

Nur begrenzt, denn der größte Brocken stammt aus der Vergangenheit. So wurden in den ersten Jahren des EEG vor allem für die Solarkraft üppige Fördersätze gewährt - für 20 Jahre. Weil die Förderung in den Folgejahren x-mal reduziert wurde, fallen neue Anlagen nicht mehr so stark ins Gewicht. Stattdessen zeigt sich nun ein anderer Effekt: Der Ökostrom drückt den Preis, der an der Leipziger Strombörse für Elektrizität gezahlt wird. Beispiel Mittagszeit: Früher war mittags die Nachfrage nach Strom besonders hoch, folglich stieg der Preis. Mittlerweile aber fließt dann der meiste Sonnenstrom - der Preis fällt. Das klingt zwar gut, hat aber für die Umlage unangenehme Konsequenzen. Die nämlich bemisst sich nach der Differenz zwischen dem Preis an der Strombörse und der Garantievergütung. Liegt der Börsenpreis bei sechs Cent je Kilowattstunde, der Garantieerlös für Sonnenstrom aber zum Beispiel bei 20 Cent, dann müssen die Stromkunden für den Unterschied aufkommen, also für 14 Cent. Fällt der Börsenpreis, wird die Differenz umso größer.

Warum bekommen die Stromkunden nichts davon mit, wenn der Strom an der Börse billiger wird?

Die steigenden Kosten für Ökostrom haben die Stromversorger bisher fleißig an ihre Kunden weitergegeben, die sinkenden Börsenpreise dagegen nicht. Das liegt zum einen am nach wie vor mäßigen Wettbewerb bei Elektrizität. Rund die Hälfte der Deutschen haben sich bis heute noch nicht dazu aufraffen können, den teuren "Grundversorgungstarif" durch einen billigeren zu ersetzen, trotz enormer Ersparnis. Zum anderen haben viele Stadtwerke und Energiekonzerne ihrerseits langfristige Stromverträge abgeschlossen. Oft basieren sie auf höheren Strompreisen der Vergangenheit. Erst nach und nach werden diese Terminkontrakte durch günstigere ersetzt.

Welche Privilegien hat die Industrie?

Große Industrieunternehmen müssen sich kaum an der Finanzierung der Energiewende beteiligen. Je mehr Energie sie verbrauchen, desto weniger zahlen sie. Ursprünglich sollte dies verhindern, dass Betriebe abwandern, die besonders viel Strom verbrauchen. Allerdings wurde der Kreis der begünstigten Firmen stark ausgeweitet. Schätzungen zufolge entgehen dem EEG-Konto so rund zwei Milliarden Euro. Darüber hinaus müssen die Unternehmen keine Umlage für Strom bezahlen, den sie in eigenen Kraftwerken erzeugen.

Auch beim Netzausbau werden große Unternehmen begünstigt. Ähnlich der Ökostrom-Umlage werden auch die Kosten für das Leitungsnetz von Stromkunden per "Netzentgelt" erhoben. Großverbraucher der Industrie können sich davon befreien lassen. Hintergrund ist ein "Mitternachts-Paragraf", der in den Gesetzes-Verhandlungen rund um die Energiewende 2011 in letzter Minute verabschiedet worden war. Die Stromkunden zahlen dafür derzeit im Jahr gut fünf Euro. Doch ein Ansturm der Industrie auf das Sonderrecht lässt ahnen, dass es dabei nicht bleiben wird. Ob die EU-Kommission die Beihilfe duldet, ist offen.

Und nun? Ein Memorandum?

Die Debatte über die Zukunft der Förderung läuft gerade erst an. Klar ist bereits, dass das bisherige EEG zwar als Starthilfe gute Dienste geleistet hat, aber für einen Massenmarkt nicht taugt. Diverse Modelle sind im Gespräch. So könnte die Förderung, wie in Dänemark, künftig als Aufschlag auf den Börsenpreis gezahlt werden - damit wäre die unselige Verbindung von Börsenpreis und EEG-Umlage beendet. Auch ließen sich Fördersätze, etwa für Windenergie oder Biomasse, durchaus noch senken, ebenso manches Privileg. Verbraucherschützer haben schon ein zweijähriges Moratorium ins Gespräch gebracht - zum Nachdenken. Vorübergehend solle die Stromsteuer ausgesetzt werden. Einfache Lösungen, so viel ist inzwischen klar, wird es nicht geben.

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