Finanzmisere:Griechenland vor beispielloser EU-Aufsicht

Für den größten Schuldensünder des Eurogebiets werden die Zeiten härter: Griechenland wird von der EU auf beispiellose Weise an die Kette gelegt.

Griechenland als größter Schuldensünder des Eurogebiets wird von der EU auf beispiellose Weise an die Kette gelegt. Die Finanzminister des Eurogebiets sprachen sich am Montag in Brüssel unter anderem für Gehaltskürzungen und eine Rentenreform in Griechenland aus - wie es die EU-Kommission vorgeschlagen hatte.

Finanzmisere: Europäische Flagge über der Akropolis in Athen: Wegen geschönter Bilanzen soll die griechische Haushaltspolitik von der EU streng kontrolliert werden.

Europäische Flagge über der Akropolis in Athen: Wegen geschönter Bilanzen soll die griechische Haushaltspolitik von der EU streng kontrolliert werden.

(Foto: Foto: AFP)

Mitte März muss Athen den ersten Sparbericht vorlegen. Die Regierung soll das ausufernde Haushaltsdefizit noch in diesem Jahr auf vier Prozentpunkte drücken. Die Lage ist dramatisch, da die griechische Schuldenkrise auf den Euro drückt und das junge Währungsgebiet in den Grundfesten erschüttert.

Es drohen soziale Unruhen

Zusätzliche Sparschritte sollen von Athen aber zunächst nicht verlangt werden. Die Regierung hatte bereits einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst oder Gehaltskürzungen für Beamte angekündigt. Es drohen soziale Unruhen.

Dieses Sparpaket Griechenlands billigten die Finanzminister der 16 Euro-Länder in Brüssel vorerst. "Es liegt an Griechenland, seine Staatsfinanzen zu konsolidieren", sagte der luxemburgische Ministerpräsident und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker.

Die griechische Regierung muss am 16. März einen ersten Bericht vorlegen. Zeichne sich dann ab, dass die Maßnahmen "unzureichend" seien, müsse nachgebessert werden, sagte Juncker. Neben Einsparungen forderten die EU-Finanzminister Athen auf, sich auch nach neuen Einnahmequellen umzuschauen. Konkret empfahl Juncker eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie eine Abgabe auf Luxusgüter.

Zuvor hatte bereits EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn gesagt, es gebe "klaren Bedarf für Zusatzmaßnahmen". Der griechische Finanzminister Georgios Papaconstantinou lehnte dagegen weitere Kürzungen vorerst ab. Bereits jetzt sind die Sparpläne in Griechenland unpopulär: Vergangene Woche gingen mehr als 10.000 Staatsbeamte gegen eine Nullrunde bei den Gehältern auf die Straße.

Rekordschulden angehäuft

Griechenland hat in den vergangenen Jahren Rekordschulden angehäuft, die Neuverschuldungsrate lag zuletzt bei 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). In der Eurozone sind maximal drei Prozent erlaubt.

Die Finanzprobleme von Griechenland und anderen Euro-Ländern wie Spanien oder Portugal belasten seit Wochen den Kurs der Gemeinschaftswährung.

Beim EU-Sondergipfel in Brüssel hatten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag zunächst auf politische Rückendeckung für Athen geeinigt. Vorerst erhält das hoch verschuldete Griechenland also keine Finanzhilfen. Die EU-Staaten schlossen ein späteres Hilfspaket aber nicht aus. Im Gespräch sind der mögliche Aufkauf von griechischen Anleihen durch die Euro-Partner oder bilaterale Kredite.

Juncker bekräftigte, dass die EU mögliche Nothilfen für Griechenland vorbereite. Einzelheiten wollte er allerdings nicht nennen. Eine öffentliche Diskussion der Instrumente "wäre unklug".

Im Video: Die Euro-Finanzminister fordern von Griechenland im Kampf gegen seine drastisch gestiegene Staatsverschuldung einen noch schärferen Sparkurs.

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Eurostat soll mächtiger werden

Zugleich zeigte Juncker sich überzeugt, dass die Regierung in Athen die Krise meistern werde: "Die Finanzmärkte täuschen sich schwer, wenn sie meinen, Griechenland in die Knie zwingen zu können.

Der griechische Ressortchef Giorgos Papakonstantinou sicherte in Brüssel zu, sein Land wolle die beschlossenen Auflagen erfüllen. Der Athener Minister sagte, das Defizit seines Landes im vergangenen Jahr - es erreichte knapp 13 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt - hätte von Brüssel früher entdeckt werden können. Ein Bericht der Bank von Griechenland habe bereits im August gewarnt, dass das Defizit 2009 um die 10 Prozent liegen könnte.

"Bei ihren Beratungen verständigten sich die Minister zudem auf den portugiesischen Notenbank-Chef Vitor Constancio als neuen Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Ernennung musste am Dienstag noch durch die Finanzminister aller 27 EU-Länder bestätigt werden. Mitte März müssen zudem die europäischen Staats- und Regierungschefs zustimmen. Beides gilt als Formsache.

Webers Chancen steigen

Constancio würde auf den Griechen Lucas Papademos folgen, dessen Mandat als EZB-Vize Ende Mai ausläuft.

Mit der Einigung auf Constancio steigen die Chancen für Bundesbank-Chef Axel Weber, im Herbst kommenden Jahres an die Spitze der Europäischen Zentralbank zu rücken.

Die Bundesregierung sieht den 52-jährigen Weber laut Medienberichten als Nachfolger von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet vor. Die Amtszeit des Franzosen endet im Oktober 2011. Dem italienischen Zentralbank-Gouverneur Mario Draghi werden nun geringere Aussichten auf den Spitzenposten eingeräumt, da er wie Constancio Südländer ist.

"Umfassendere Visiten"

Die EU-Kommission machte unterdessen einen erneuten Vorstoß für mehr Macht für das EU-Statistikamt Eurostat. Die Behörde müsse im Rahmen von Defizit-Verfahren in den Hauptstädten "mehr und umfassendere Visiten" zu Prüfung der Statistiken unternehmen dürfen, schrieb die Kommission.

Dennoch ist das Vorhaben umstritten. Schon vor gut fünf Jahren war die Behörde mit einem ersten Vorschlag gescheitert. Einige Mitgliedstaaten wie Österreich haben weiter Vorbehalte.

Die EU-Kommission geht auch neuen Vorwürfen nach, wonach große US-Banken Griechenland jahrelang bei der Verschleierung seiner wachsenden Verschuldung halfen. Eurostat bat die Athener Behörden, bis Monatsende zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Die US-Tageszeitung New York Times hatte am Sonntag berichtet, die US-Bank Goldman Sachs habe beispielsweise Griechenland 2001 kurz nach der Aufnahme in die Eurozone mehrere Milliarden Dollar geliehen. Diese seien nicht als Kredit und somit als Schulden, sondern als Währungsgeschäft verbucht worden, hatte die Zeitung unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Personen geschrieben.

"Damals legal"

Papakonstantinou nahm erstmals Stellung zu diesen Vorwürfen. Er sagte griechischen Medien in Brüssel, "Griechenland- so wie auch andere EU-Staaten- hatten damals (2001) solche Instrumente benutzt. Damals war dies legal und kompatibel mit den damaligen Eurostat(regeln)", wurde Papakonstantinou zitiert. Dies gelte nicht mehr und diese Mittel und Methoden würden nicht mehr angewandt, meinte der Minister weiter, berichtete der griechische Nachrichtensender Skai am Montagabend.

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