Finanzmarktsteuer:Zahlen! Für die Gerechtigkeit!

Die Bürger werden das Gefühl der Gerechtigkeit zurückgewinnen, wenn die Banken bluten. Doch die Steuer auf Finanztransaktionen ist nicht die beste Lösung.

Alexander Hagelüken

Die Mehrwertsteuer - die hat noch gefehlt. Viele Deutsche denken schon seit langem, dass diese epochale Finanzkrise für sie viel teurer werden kann, als die Politiker zugeben. Da passt der Vorschlag eines prominenten Ökonomen ins Bild: Setzt die Mehrwertsteuer herauf, um die Löcher im Haushalt zu stopfen. Es scheint ja klar, dass etwas geschehen muss.

Frankfurt, AP

Knapp zwei Jahre nach der Kernschmelze an den Märkten ist ein passender Moment gekommen, um zu bilanzieren: Die Politiker haben bisher wenig Konsequenzen aus der größten Finanzkrise seit neun Dekaden gezogen.

(Foto: Foto: AP)

Jeder sieht die gigantischen Schulden, die aus all den Konjunkturpaketen und Fonds zur Bankenrettung erwachsen. Jeder ahnt, welche Lasten all die Hilfen für die Euroländer bedeuten. Ist es da nicht erste Bürgerpflicht, beim Kauf seines Autos und sämtlicher Alltagsdinge künftig 25 Prozent Mehrwertsteuer draufzulegen?

Bei den meisten Deutschen wird bei dieser Aussicht der blanke Zorn aufsteigen. Die scharfe Rezession hat ihre Löhne geschmälert, viele retten sich mit Kurzarbeit oder haben gar schon ihren Job verloren. Von Steuersenkungen wird lange keine Rede mehr sein, stattdessen drohen jetzt höhere Belastungen. Und gleichzeitig wird ein bemerkenswerter Unterschied sichtbar: Die Finanzbranche hat die Krise mit ihren Geschäften zwar maßgeblich ausgelöst, kommt aber weitgehend ungerupft davon, meldet gar hohe Gewinne.

Weder sind wirklich strenge Gesetze in Kraft, die einen neuen Crash verhindern könnten, noch werden Anleger und Banken ernsthaft an den sozialen Kosten der Krise beteiligt.

Knapp zwei Jahre nach der Kernschmelze an den Märkten ist ein passender Moment gekommen, um zu bilanzieren: Die Politiker haben bisher wenig Konsequenzen aus der größten Finanzkrise seit neun Dekaden gezogen. Und gleichzeitig beweisen die Investoren mit ihrer Spekulation gegen den Euro, über welche Macht sie weiter verfügen. Für den Steuerzahler wirkt sich diese Allmacht brutal aus: Ihm werden Hunderte Milliarden Euro für Nothilfen abgezwickt.

Eine Steuer für die Wähler

Während die Investoren ungehindert wüten, verabschiedet sich die CDU von ihren Steuerversprechungen und diskutiert stattdessen Ausgabenkürzungen. Weil sich so aber keine Wähler zurückgewinnen lassen, ist es kein Wunder, dass nun selbst in dieser Partei der Wunsch nach einer Extra-Steuer für die Finanzbranche wächst. Und wie genau auch immer eine solche Lösung ausschauen mag: Die Richtung stimmt. Während die Boni wieder anschwellen, müssen auch die Banken für die Krise zahlen, sonst werden sich die Bürger verweigern.

Aber: Eine Finanzsteuer kann nur wirksam sein und einen neuen Crash erschweren, wenn sie richtig ausgestaltet ist. Ansonsten verkommt sie zum bloßen Symbol.

Martialische Töne, die sich bei den Rednern der Linkspartei gut anhören, lösen erstmal gar nichts. Die EU-Finanzminister und die Bundesregierung diskutieren deswegen zwei Modelle: Entweder werden im Wesentlichen die Gewinne der Banken belastet, oder es werden alle Geschäfte an den Finanzmärkten besteuert. Die erste Idee ist die bessere, die zweite hat eine lange Tradition.

Eine Transaktionssteuer auf Börsengeschäfte ist nicht erst in der Diskussion, seit der Ökonom James Tobin den Vorschlag präsentiert hat. Auf Anhieb gefällt vielen Bürgern die Idee. Wer Börsengeschäfte besteuert, der wird kurzfristige Spekulationen verringern.

Entgegen aller neoliberalen Vorurteile sind auch nicht alle Versuche misslungen, Transaktions-Abgaben zu erheben. Zwar scheiterte Schweden in den achtziger Jahren mit einer entsprechenden Steuer. Das marktradikale Großbritannien aber erhebt seit langem eine Stempelabgabe auf viele Wertpapierkäufe und nimmt so Milliarden Pfund ein.

Ein Einwand ist berechtigt: Eine Transaktionssteuer trifft alle Geschäfte, sie belastet auch Privatanleger, die sich Aktien für die Altersvorsorge kaufen, oder Firmen, die ihre Exporte gegen Schwankungen an den Devisenmärkten absichern wollen. Viel bedeutender aber ist die Sorge, dass sich Finanzgeschäfte rasant in andere Länder oder in dunkle Kanäle verlagern lassen. Wenn eine Tobin-Steuer nicht überall gilt - auf Karibikinseln genauso wie im außerbörslichen Geschäft -, verpufft ihre Wirkung.

Sinnvoller ist es deshalb, die Gewinne und Bonizahlungen von Finanzkonzernen zu belasten. Große Investmentbanken würden es kaum wagen, sich ihrer Steuerpflicht in den Vereinigten Staaten oder Deutschland zu entziehen. Dafür steht zu viel Geschäft in den großen Industriestaaten auf dem Spiel. Es ist deshalb richtig, dass sowohl die Bundeskanzlerin als auch US-Präsident Barack Obama eher auf Bankenabgaben setzen als auf Tobinsteuern. Eine solche Abgabe muss aber spürbar sein. Ein symbolischer Obolus, wie ihn die Bundesregierung den deutschen Geldhäusern bisher abverlangen will, reicht nicht aus.

Wenn die Banken bezahlen, werden mehr Bürger das Gefühl der Gerechtigkeit zurückgewinnen. Das aber ist nur der erste Schritt. Eine Steuer allein reicht nicht zur Vorsorge gegen den nächsten Crash. Den Märkten müssen Grenzen gezogen werden - bei Wetten auf Staatspleiten oder im Geschäft der Hedgefonds.

Die Beschlüsse der EU-Regierungen können deswegen nur am Anfang stehen, wenn die Welt nicht ins nächste Finanzdebakel rutschen will.

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