Finanzmarktkontrolle:Zahnlose Wachhunde

Die EU gründet drei neue Aufsichtsbehörden für die Finanzbranche - doch deren Befugnisse wurden auf britischen Druck hin deutlich eingeschränkt.

Cerstin Gammelin

Beinahe zeitgleich sickerten in der Nacht zum Freitag auf dem EU-Gipfel zwei Meldungen durch. Während sich die 27 Staats- und Regierungschefs in der siebten Etage des Ratsgebäudes darauf einigten, den amtierenden EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso für eine zweite Amtszeit zu nominieren, schnürten Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien sowie die tschechische EU-Ratspräsidentschaft zwei Stockwerke tiefer in den kargen Delegiertenbüros einen Kompromiss zur lang angekündigten Reform der Finanzmarktaufsicht. "Wir haben endlich einen wichtigen Fortschritt erzielt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag nach den Beratungen.

Pudel, dpa

Die EU will den Finanzmarkt stärker kontrollieren - doch der Handlungsspielraum ist begrenzt.

(Foto: Foto: dpa)

Drei neue Aufsichtsagenturen

Die EU werde ein "System europäischer Aufsichtsbehörden schaffen und mit "verbindlichen Weisungsbefugnissen ausstatten", heißt es in der gemeinsamen Gipfelerklärung. Drei neue Aufsichtsagenturen sollen Banken, Versicherungen und Wertpapierhändler grenzüberschreitend beaufsichtigen. Die Verantwortung für das tägliche Geschäft soll wie bisher der nationale Aufseher tragen. Sollten die nationalen Behörden aber die Geschäftsrisiken einer Bank, die in mehreren Ländern tätig ist, unterschiedlich bewerten, soll die europäische Agentur künftig verbindliche Weisungen zur Schlichtung geben dürfen.

Die EU will außerdem schnell und frühzeitig über mögliche Risiken auf den Finanzmärkten informieren. Dazu soll bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Frühwarnsystem eingerichtet werden. Das Gremium soll "den Markt überwachen, Gefahren erkennen und, soweit nötig, Warnungen und Handlungsempfehlungen ausgeben und deren Einhaltung überwachen", heißt es in der Gipfelerklärung. Alle neuen EU-Aufsichtsgremien sollen 2010 ihre Arbeit aufnehmen. Mit den Beschlüssen setzt die Union die Forderungen des Weltfinanzgipfels vom 1. April um. Damals hatten die mächtigsten 20 Volkswirtschaften der Welt beschlossen, keinen Markt, kein Institut und kein Finanzprodukt unbeaufsichtigt zu lassen, um künftige Krisen zu vermeiden.

Verbindlich beschlossen wird die Reform der Finanzaufsicht frühestens in der zweiten Jahreshälfte. Im Herbst wird die Europäische Kommission Richtlinienvorschläge vorlegen, die vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat beschlossen werden müssen. EU-Diplomaten bezweifeln, dass die Aufsichtsagenturen tatsächlich in Streitfällen entscheidend durchgreifen können. Bereits auf diesem EU-Gipfel setzten sich einige Regierungschefs, allen voran der britische Premier Gordon Brown, mit entsprechenden Bedenken durch.

Die Entscheidungen der Agenturen dürfen nur soweit bindend sein, "solange sie in keiner Weise die nationalen Haushalte betreffen", heißt es in der Abschlusserklärung. Das bedeutet, dass die europäische Aufsichtsagentur bei Streitigkeiten nicht darauf bestehen kann, dass etwa eine Bank ihr Eigenkapital erhöhen muss, um Geschäftsrisiken zu minimieren. Brown setzte zudem durch, dass der Präsident der EZB nicht wie ursprünglich geplant auch dem Frühwarnsystem vorsitzen soll. Vielmehr soll einer der 27 EU-Notenbankchefs das Gremium führen. Damit sichert der Brite seine Interessen. Er hatte bereits bei seiner Ankunft klargestellt, keine Entscheidung mitzutragen, die den Bankenplatz London gefährden könnte.

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