Finanzmarkt:Auf zur Spekulantenjagd!

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Die Politik will Spekulanten bändigen - und reiht wahllos Vorschlag an Vorschlag: Finanzmarkt- steuer, schärfere Regeln für Hedgefonds, Verbot von Leerverkäufen: Was hinter den Maßnahmen steckt. Ein Überblick.

Ungezügeltes Spekulieren? Das soll es nicht mehr geben. Doch die Politik hat offenbar noch keine Vorstellung davon, wie das durchgesetzt werden soll. Anders ist das mächtige Durcheinander an Vorschlägen nicht zu erklären: Finanztransaktionssteuer oder doch eine Finanzaktivitätssteuer? Wie lange sollen Leerverkäufe verboten werden - bis Ende März 2011, so wie es die Wertpapieraufsicht Bafin in einer "Verfügung" vorschreibt? Oder doch auf unbestimmte Zeit, wie es wenige Stunden nach der Behörde Kanzlerin Angela Merkel (CDU) behauptet?

Skyline des Finanzzentrums Frankfurt-Main: Die Zeit des wilden Spekulierens ist vorbei - oder doch nicht? (Foto: Foto: dpa)

Koordiniert wird da nichts. Die deutsche Regierung passt sich eilig EU-Vorschlägen an (Finanztransaktionssteuer) und Brüssel greift ebenso rasch deutsche Vorgaben auf (Leerverkäufe).

Die ebenso eilig wie halbherzig vorgestellten Maßnahmen sind allenfalls dann sinnvoll, wenn sie international durchgesetzt werden. Sonst wandert das Geschäft nur zu jenen Finanzplätzen, die alle Verbote ignorieren. Auch können die Instrumente bestenfalls das rasche Auf und Ab an den Finanzmärkten einschränken. Die Ursache der Krise - die hohe Verschuldung der Euroländer - bekämpfen sie nicht.

Das Waffenarsenal der Spekulantenjäger im Überblick:

Verbot von ungedeckten Leerverkäufen

Das Prinzip

Verkaufen, was man noch nicht hat.

Wie es funktioniert

Künftig dürfen Investoren bestimmte Wertpiere nur noch dann verkaufen, wenn sie ihnen entweder gehören oder sie zumindest einen Anspruch auf solche Papiere haben. Was an sich selbstverständlich erscheint, wird an den Kapitalmärkten oft anders gehandhabt. Investoren verkaufen auch Papiere, obwohl sie sie gar nicht besitzen.

Dahinter steckt die Wette, dass die Wertpapiere in kurzer Zeit rapide an Wert verlieren - und die Anleger sie später günstiger einkaufen und an den Käufer liefern können. Das Verbot gilt allerdings nur für Leerverkäufe von Aktien der zehn wichtigsten deutschen Banken und Versicherer und für Leerverkäufe bestimmter Kreditversicherungen. Mit dem Leerverkauf von Kreditversicherungen wurde auf den Ausfall von Staatsanleihen der Eurozone gewettet.

Wirkung

Mit dem Verbot von Leerverkäufen sollen dramatische Kursverluste in kurzer Zeit bei Aktien und Staatsanleihen begrenzt werden. Solche Kursverluste haben oft einen sich selbst verstärkenden Effekt und begünstigen einen rapiden Vertrauensschwund in eine Bank oder einen Staat. Besonders gefährlich wird es, wenn Marktteilnehmer mitbekommen oder zu wissen glauben, dass sich eine Front von Leerverkäufern aufbaut. Das schürt unter den Marktteilnehmern die Angst und sie verkaufen sicherheitshalber - die Leerverkäufe können dann zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.

Einschätzung

Experten nennen das Leerverkaufsverbot ein stumpfes Instrument, das den Kursverfall ohnehin nicht stoppen könne. Was fallen soll, das falle ohnehin. Doch wenn es lichterloh brennt, ist es sinnvoll, Brandbeschleuniger wegzulassen. Zu schnell verleiten dramatische Kursstürze Politiker und Anleger zu übereilten Maßnahmen. Das Verbot funktioniert allerdings nur, wenn die Anleger nicht an einen anderen Finanzplatz ausweichen können.

Schärfere Regeln für Hedgefonds

(Foto: Grafik: sueddeutsche.de)

Das Prinzip

Hedgefonds aller Nationen - outet euch!

Wie es funktioniert

Hedgefonds dürfen nicht mehr weitermachen wie bisher. Sie sollen sich bei nationalen Behörden registrieren, ihre Anlagestrategien offenlegen und Risiken absichern. Auch Fonds aus Drittstaaten wie den USA müssen einen "Pass" erwerben. Unumstritten ist das Vorhaben allerdings nicht. Großbritannien hat sich immer vehement gegen diese Daumenschrauben ausgesprochen. Kein Wunder - in Großbritannien sind 80 Prozent der Hedgefonds in der Londoner City angesiedelt.

Wirkung

Hedgefonds wetten gezielt gegen oder auf Währungen, Firmen oder ganze Staaten. Die Behörden hoffen, durch mehr Transparenz die Hedgefonds besser einschätzen zu können. Bislang ist nicht einmal bekannt, wie viele dieser Investoren es weltweit gibt, wie sie arbeiten und wie viel Geld sie verwalten. Angaben des Datenanbieters Eurekahedge zufolge wurden Ende April weltweit rund 1,5 Billionen Dollar in Hedgefonds verwaltet.

Einschätzung

Schärfere Transparenz-Vorschriften ändern an den Geschäften der Hedgefonds erst einmal wenig. Doch Hedgefonds machen vielen Angst, weil sie an den Finanzmärkten wie dunkle Materie wabern: Man weiß nicht, ob sie da ist - glaubt aber, ihre Wirkung zu erkennen. Größere Transparenz nimmt den Anlegern etwas von der Unsicherheit.

Finanztransaktionssteuer

Das Prinzip

Wer handelt, zahlt!

Wie es funktioniert

Das Wortungetüm Finanztransaktionssteuer steht für nichts anderes als eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte. Im Gespräch ist ein Steuersatz von 0,01 bis 0,5 Prozent des gehandelten Werts - die Folge wäre ein warmer Geldregen für den Finanzminister. Selbst ein Steuersatz von 0,01 Prozent könnte jährlich bis zu 40 Milliarden Euro in die leeren Staatskassen spülen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rechnet jedoch nur mit Einnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Dabei sollen nicht nur Käufe betroffen sein, die über die Börse abgewickelt werden. Die Transaktionssteuer könnte beispielsweise auch auf die Ausgabe von Fondsanteilen erhoben werden.

Wirkung

Mit einer Finanztransaktionssteuer hätte die Politik zwei dringende Anliegen umgesetzt. Erstens: Wer spekuliert und damit ein Risiko eingeht, der zahlt. Riskante Geschäfte werden weniger attraktiv - das ist die therapeutische Wirkung. Zugleich kann die Finanzbranche so daran beteiligt werden, die Trümmer der Finanzkrise zu beseitigen. Allerdings träfe die Transaktionssteuer auch Unternehmen, die sich gegen Währungs- oder Rohstoffpreisschwankungen absichern müssen - etwa Fluglinien. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat sich daher gegen diese Maßnahme ausgesprochen.

Einschätzung

Großbritannien hat eine solche Abgabe längst eingeführt. Dort wird jedoch nur der Umsatz mit inländischen Papieren besteuert - allerdings ist der Steuersatz mit 0,5 Prozent recht hoch. Insgesamt trägt die "Stamp Duty", also die Stempelsteuer, bis zu zwei Prozent zum gesamten britischen Steueraufkommen bei.

Der Attraktivität des Finanzplatzes London hat das nicht geschadet. So argumentiert auch der SPD-Politiker Thomas Oppermann: Die einseitige Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer in Europa werde die Wirtschaft nicht beeinträchtigen: "Unser Markt ist so groß, dass niemand ihn weltweit ignorieren kann." Allerdings ist der jetzt angedachte Steuersatz zu niedrig, als dass der Staat eine Lenkungsfunktion übernehmen würde. Echte Zocker schreckt eine Steuer von rund 0,1 Prozent des Transaktionsvolumens nicht ab.

Finanzaktivitätssteuer

Das Prinzip

Hohe Gewinne, hohe Steuer!

Wie es funktioniert

Die Finanzaktivitätssteuer bezieht sich, anders als die Finanztransaktionssteuer, nicht auf Umsätze, sondern auf Erträge. Sie beruht auf eine Vorschlag des Internationalen Währungsfonds und sieht vor, Gewinne, Gehälter und auch Bonuszahlungen von Banken und Finanzdienstleistern zu besteuern.

Wirkung

Eines ist klar - Spekulanten-Exzesse werden mit dieser Steuer zunächst nicht bestraft, denn letztlich werden nur die Gewinne von Banken belegt. Riskante Geschäfte werden dadurch zunächst nicht eingedämmt. Stattdessen wird die Eigenkapitalausstattung der Institute geschwächt. Und: Die Einnahmen dürften weitaus geringer als bei einer Transaktionssteuer sein. Die SPD-Bundestagsfraktion glaubt sogar, dass eine Finanzaktivitätssteuer nach deutschem Recht als Sonderabgabe deklariert werden müsste. Dann dürfte das Geld nur zweckgebunden ausgegeben werden, es könnte beispielsweise in einen Hilfsfonds für die Finanzbranche fließen.

Einschätzung

Endlich mal eine Abgabe, die nur auf eine Branche beschränkt ist, dürften viele sagen. Und in der Tat - die Finanzaktivitätssteuer hat einen klaren Vorteil: Letztlich wäre sie ein Instrument, mit dessen Hilfe die Finanzbranche für die Verfehlungen der Vergangenheit zur Verantwortung gezogen werden könnte. Der sogenannte kleine Anleger bliebe außen vor - was andererseits die Vorsicht von Privatanlegern und Anlegern außerhalb der Finanzbranche nicht erhöht. Das Problem der Finanzaktivitätssteuer ist, dass sie bei allen Banken anfällt - egal, ob es um die risikofreudige Deutsche Bank geht oder die vorsichtig wirtschaftende Sparkasse.

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