Finanzmärkte:Die Unbelehrbaren

Mit Milliardensummen musste das Finanzsystem gerettet werden. Doch das schert die Banker wenig - längst fordern sie wieder üppige Boni. Die Politik müsste viel entschiedener handeln.

Ulrich Schäfer

Der New Yorker Investmentbanker Andrew J. Hall ist in gewisser Weise der Prototyp des modernen Bankers. Denn er hat zwei Gesichter. Da ist zum einen Andrew J. Hall, der sich als Gutmensch gibt, Kunst sammelt und seine Kollektion dem Volk gern zeigt.

Citigroup, dpa

Die Citigroup lebt und überlebt mit Staatshilfe. Ihr Angestellter, der Investmentbanker Andrew J. Hall, fordert trotzdem 100 Millionen Dollar Gehalt - weil seine Abteilung erfolgreich war.

(Foto: Foto: dpa)

Hall, angestellt bei der Citigroup, besitzt Werke von Kiefer, Richter, Immendorf und vor allem Georg Baselitz, dessen Privatsammlung er ebenso aufgekauft hat wie Schloss Derneburg bei Hildesheim, wo der Maler und Bildhauer 32 Jahre gelebt hat.

Doch es gibt auch Andrew J. Hall, den vielleicht gierigsten Banker der Welt, der sich bestens auskennt im Handel mit komplizierten Derivaten, deren Wert irgendwie vom Öl oder anderen Rohstoffen abhängt.

Hall fordert, so das Wall Street Journal, ein Gehalt von 100 Millionen Dollar. Den zockenden Kunstfreund schert offenbar nicht, dass seine Bank nur überlebt hat, weil die Regierung mit 48 Milliarden Dollar geholfen hat.

Die zwei Seiten der Investmentbanker: Sie sind derzeit in vielfältiger Weise zu beobachten. Da räumen die Finanzjongleure in London, New York oder Frankfurt ein, sie hätten Fehler gemacht - und machen doch weiter wie bisher. Da fordern die Banken, der Staat müsse ihre Geschäfte besser kontrollieren - und hintertreiben zugleich alle Versuche, diese Regeln umzusetzen.

Wortreich bekennen sich die Herren und Damen des Geldes zur sozialen Marktwirtschaft - und lassen zugleich jedes Gespür fürs Soziale vermissen, wenn sie sich Boni in Millionenhöhe gönnen.

Es ist diese Scheinheiligkeit, die derzeit die Politiker und Bürger so wütend macht. Als sei am 15. September 2008 nichts geschehen, gehen die Investmentbanker wieder jenen Geschäften nach, mit denen sie die Welt an den Abgrund getrieben haben.

Als handele es sich um ihr eigenes Geld, stecken sie die Milliarden des Staates und der Notenbanken wieder in jene Derivate, die der Investor Warren Buffett einst als "finanzielle Massenvernichtungswaffen" bezeichnet hat. Ohne jedes Schamgefühl verteilen die großen Banken wieder üppige Gehälter und Boni, die bis zum Zusammenbruch von Lehman Brothers üblich waren.

Die Zeit des Innehaltens geht also wieder zu Ende. Die Krise, die eine Katharsis hätte sein müssen, wird von den führenden Kräften der Finanzindustrie einfach beiseitegewischt. Und so regiert wieder die Gier. Diese fatale Entwicklung ist an der Wall Street zu beobachten, wo JP Morgan oder Goldman Sachs Milliarden zurückstellen, um die Boni an ihren Händler zahlen zu können.

Diese Maßlosigkeit lässt sich aber auch in Hamburg oder Kiel ausmachen, wo der Chef der HSH Nordbank der Politik eine Sonderzahlung über 2,9 Millionen Euro abpresst. Und sie lässt sich auch bei anderen Landesbanken beobachten, die beinahe pleite waren und nun wieder über Boni für Investmentbanker nachdenken.

Reue? Umkehr? Fehlanzeige!

Es langen also ausgerechnet die Vertreter jenes Berufsstandes wieder zu, deren Jobs es ohne den beherzten Eingriff des Staates nicht mehr gäbe. Bis heute stützen die Regierungen in Europa und den USA das Finanzsystem.

Ob zu Unrecht oder nicht: Die Banken haben den Weltuntergang heraufbeschworen und damit die Politik erfolgreich erpresst. Dieselben Politiker, die zuvor darüber stritten, ob sie für Kindergärten oder Langzeitarbeitslose ein paar Millionen übrig haben, stellten plötzlich ohne Bedenken Hunderte Milliarden bereit.

Von den gigantischen Hilfen profitiert haben auch jene Banken, die selber gar kein Geld vom Staat in Anspruch genommen haben. Einer wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann konnte es sich leisten, vom Bund ein Rettungspaket zu fordern, es selber aber dann auszuschlagen.

Doch hätte Berlin nicht mehr als 100 Milliarden Euro in die Hypo Real Estate und Washington nicht beinahe 200 Milliarden Dollar in den Versicherungsriesen AIG gesteckt, wäre das gesamte Finanzsystem ins Wanken geraten - und damit auch die Deutsche Bank. Insofern sind die Gewinne, die die Deutsche Bank derzeit präsentiert, vor allem das Verdienst von Angela Merkel und Peer Steinbrück.

Doch von echter Reue, ja von einer Bereitschaft zur Umkehr ist in der Finanzbranche zu wenig zu spüren. Die Selbstheilungskräfte des Marktes, die Ackermann vor gut einem Jahr teilweise in Frage gestellt hat: Sie scheinen tatsächlich zu versagen.

Aus den Fehlern der Vergangenheit will kaum jemand lernen. Doch noch einen Zusammenbruch dieser Dimension würde das Finanzsystem nicht überleben - und der überschuldete Staat und mit ihm die Demokratie wohl auch nicht. Die Menschen würden es den Bankern und Politikern nicht verzeihen.

Deshalb ist es an der Zeit, dass die Politiker sich von den Lobbyisten der Geldindustrie nicht weiter einlullen lassen und endlich alles Notwendige tun, um die Zocker und die Gierigen unter den Bankern zu zügeln. Dies wird nicht mit guten Worten gelingen, sondern nur mit scharfen Gesetzen.

Wer bestimmte Finanzgeschäfte für zu gefährlich hält, sollte diese eben nicht nur regulieren, sondern verbieten. Und solange der Staat das Finanzsystem als Ganzes stützt, ist es auch gerechtfertigt, für die Gehälter aller Geldmanager eine gesetzliche Obergrenze vorzuschreiben - also auch für jene Institute, die ohne direkte Staatshilfe auskommen.

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