Finanzkrise:Wenn die Hoffnung wiederkehrt

Das moderne Bankenwesen basiert auf Versprechen, Erwartungen und Hoffnungen. Nun schwindet das Vertrauen - doch Alternativen gibt es nicht.

Thomas Steinfeld

Die Menschen, so heißt es angesichts der sogenannten Finanzkrise jetzt überall, hätten das Vertrauen in die Banken verloren. Das ist eine arge Untertreibung. Denn der Zusammenbruch großer Finanzhäuser und der rapide Wertverfall von Aktien und Immobilien haben viel weitergehende Folgen: Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Hintergrundswelt der Finanzwirtschaft. Irgendwo in der Gesellschaft, in Häusern, Waren, Autos, in eigenen Handlungen, mussten die Transaktionen doch gedeckt sein. Nun fühlt sich die Gesellschaft, nicht nur wegen staatlicher Hilfsaktionen, in Haftung genommen. Sie beginnt das Vertrauen in sich selbst, nicht nur in eine dubiose Spezialsphäre zu verlieren.

Finanzkrise: Händler in New York: Das Vertrauen in ein System schwindet.

Händler in New York: Das Vertrauen in ein System schwindet.

(Foto: Foto: AP)

Bislang hatte man gerne angenommen, die fortschreitende Integration der nationalen und regionalen Ökonomien habe zur Folge, dass das System sich selbst stabilisiert: Sollte eine Bank in Kalifornien in Schwierigkeiten geraten, gäbe es gewiss auch einen Investor in China, der die Balance wiederherstellt. Je größer und inniger die Integration, so der Gedanke, desto verlässlicher das Ganze.

Systematische Krise

Das Gegenteil ist nun der Fall: Selbst relativ kleine Schwierigkeiten an irgendeiner Stelle des Systems scheinen gegenwärtig das ganze, gigantische Gebilde zu erschüttern. Der Verlust des Vertrauens in die Finanzwirtschaft geht daher einher mit einem fundamentalen Erschrecken: einem Erschrecken angesichts der totalen Integration. Die globale Gemeinschaft weiß mit einem Mal, dass es anfällig, unsicher, instabil ist.

Ökonomen und Politiker versuchen, diese Krise als "Exzess" darzustellen, als Konsequenz von "Gier" oder "Zockerei". All diesen Erklärungen gemein ist, dass sie den Kern des Geschehens nicht einmal berühren. Denn es handelt sich dabei nicht um individuelles Fehlverhalten. Diese Krise ist systemisch, sie geht auf die Fundamente der Finanzwirtschaft zurück. Denn wer immer investiert, macht seine Rechnung nicht mit existierenden Werten, sondern mit Versprechen, Erwartungen und Hoffnungen. Das mehr oder minder sorgfältig berechnete Glückspiel ist keine Übertreibung, sondern die Grundlage einer zeitgemäßen Finanzwirtschaft.

Keine Alternativen

Stets möchte sie die Zukunft als Gewissheit behandelt sehen. Deswegen ist die Fiktion dem modernen Bankwesen von vornherein inhärent. Und deswegen ist es so wichtig, dass alle an dieselben Hoffnungen glauben, und so fatal, wenn die Hoffnungen irgendwo einmal aussetzen. Die sich in diesen Tagen so schmerzvoll über den Globus verbreitende Erkenntnis, dass gestern vermeintlich vorhandenes Geld kein Äquivalent in der Wirklichkeit besitzt, hat deswegen den Charakter einer echten Glaubenskrise.

Sie gerät umso heftiger, je weniger Alternativen es gibt. Tatsächlich gibt es gar keine. Ist ein Bürger von den Sozialdemokraten enttäuscht, kann er die Christdemokraten oder die Linken wählen. Diese Freiheit existiert im Finanzwesen nicht. Die gegenwärtige Krise ist auch deshalb so groß, weil das Vertrauen in ein System verlorengeht, dem man nicht entrinnen kann. Das gilt umso mehr, als die Banken untereinander so verflochten sind, dass sie sich für den Bürger tatsächlich nur im Namen unterscheiden. Und mehr noch: In den vergangenen Jahren wurde zum Zweck der größtmöglichen Profitsteuerung überall, an jeder Stelle des Systems so rigoros rationalisiert, alle "Instrumente" dermaßen "optimiert", dass es jetzt keine Toleranz mehr gibt, mit der irgendeine Schwäche ausgeglichen werden könnte.

Wann diese Krise endet? Im kommenden Frühjahr, sagen einige. Im übernächsten Jahr, sagen andere. Tatsächlich weiß man es nicht. Und man kann es nicht wissen. Diese Krise wird zu Ende gehen, wenn die Hoffnung wiederkehrt. Aber wer will dann noch hoffen?

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