Finanzkrise:"Man hätte die IKB nicht retten dürfen"

Bankenprofessor Udo Steffens über die Moral der Banker, die Logik staatlicher Hilfen und das Ende des "Dorfbankings".

Catherine Hoffmann

Eine weitere US-Bank wankt: Wachovia. Das weckt schlechte Erinnerungen an Bear Stearns, IKB und viele Landesbanken. Die Manager haben gewaltige Boni kassiert, jetzt steht der Staat bereit, für ihre Fehlspekulationen zu zahlen. Das ist nicht gerecht, findet Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance.

Finanzkrise: Bankenprofessor Udo Steffens will die Topmanager der Finanzinstitute stärker in die Verantwortung nehmen.

Bankenprofessor Udo Steffens will die Topmanager der Finanzinstitute stärker in die Verantwortung nehmen.

(Foto: Foto: Marcus Kaufhold)

SZ: Mit billigem Geld hat Alan Greenspan einen Boom an den Börsen und bei den Immobilien befeuert, der geradewegs in die Krise führte, klagen seine Kritiker. Zu Recht?

Steffens: Die Märkte sind nachhaltig geflutet worden. Geld war in Hülle und Fülle vorhanden. Es war eine Einladung zu riskanten Investments. So wurde die Krise geradezu heraufbeschworen. Jetzt kann Greenspans Nachfolger Ben Bernanke in seiner Not nur die alte Politik weiterführen und für viel Liquidität sorgen. Wir stecken in einem Teufelskreis: Die Banken müssen das viele frische Geld ja investieren, damit wir Zinsen auf unsere Einlagen bekommen. In der Tat besteht die Gefahr, dass sich eine neue Blase bildet.

SZ: Gewonnen haben nur die da oben: Investmentbanker, Hedgefonds und reiche Investoren haben große Gewinne gemacht - und der Rest?

Steffens: Von der expansiven Geldpolitik hat eine kleine elitäre Klasse profitiert. Die Gehälter im Investmentbanking haben unvorstellbare Dimensionen angenommen. Da fragt man sich, ob das noch im Verhältnis zu den Leistungen stand. Der Schweizer Vermögensverwalter UBS zum Beispiel hat seine Gewinne in hohem Maße durch Boni privatisiert und das Risikopotential stark sozialisiert. Das ist natürlich zu kritisieren. Auch Spitzenbanker wie Josef Ackermann sind sich dessen bewusst. Sie mahnen zu Bescheidenheit und versuchen, Gehaltsexzesse zu stoppen. Gleichwohl sind die Investmentbanker mit ihren spezifischen Kompetenzen und ihrer hohen Einsatzbereitschaft äußerst rar. Sie bilden eine Elite. Und Eliten haben ihren Preis, weil sie ein knappes Gut sind. Das wird auch so bleiben.

SZ: Der Internationale Währungsfonds schätzt die Verluste aus der Kreditkrise auf eine Billion Dollar. Wer trägt die Verantwortung für das Debakel?

Steffens: Die Verantwortung tragen die großen Investmentbanken. Sie haben Subprime-Papiere unter Umgehung ethischer Grundprinzipien verkauft. Hinzu kommt: Finanzwirtschaft ist keine Physik. Das haben wir schon beim Hedgefonds LTCM gesehen, der war superintellektuell von Nobelpreisträgern gemacht. Nur weil das Modell an einigen wenigen Tagen nicht geklappt hat, stand LTCM 1998 am Abgrund, und Greenspan fürchtete einen Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems. Auch jetzt zeigt sich: Die Modelle waren zu optimistisch - und der Renditedruck der Banker und Investoren zu groß.

SZ: Da haben sich also Tausende Banker erst die Milliarden in die Taschen gesteckt, sich dann verzockt - und nun greift ihnen der Staat großzügig unter die Arme. Muss das sein?

Steffens: Das ist zu korrigieren. Da gibt es nichts zu beschönigen. Trotz des verständlichen Unmuts über die Diskrepanz zwischen Spitzengehältern und Milliardenhilfen müssen wir die Topleute gut zahlen. Aber sie müssen stärker in die Verantwortung genommen werden, wenn es schiefläuft. Das wird nicht einfach sein. Dennoch ist es notwendig, dass der Staat die Banken in der Krise mit öffentlichen Geldern unterstützt, denn es gilt nicht nur, die einzelnen Banken zu retten, sondern das öffentliche Gut der Finanzstabilität. Würde der Staat nicht einspringen, wären die volkswirtschaftlichen Kosten immens. Also entscheiden sich die Politiker durchaus rational für eine Rettung.

SZ: Warum hat es ausgerechnet die staatlichen Banken so böse erwischt?

Steffens: Es ist ein fast schon moralisch verwerfliches Versäumnis, dass die Gruppe der öffentlichen Banken und damit die politische Elite dieser Republik nicht in der Lage war, diese Institute zukunftsfähig aufzustellen. Verzweifelt suchten viele Landesbanken und auch die Mittelstandsbank IKB nach Rendite. Sie waren vollgesogen mit Liquidität und steckten das Geld in Subprime-Verbriefungen, was sich als fatal herausgestellt hat.

SZ: Warum ließ man die IKB nicht sterben, wenn sie doch offenkundig keiner braucht?

Steffens: Management, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer haben große Fehler gemacht. Hätte man bereits vor einigen Monaten gewusst, was wir heute wissen, hätte man ernsthaft erwogen, die IKB nicht zu retten. Doch damals war man überzeugt, dass die IKB ein Flaggschiff der Spezialbanken ist, das sich zu retten lohnt.

SZ: Ist eine solche Rettung nicht eine Einladung an alle anderen, weiter munter zu spekulieren?

Steffens: Man hat hier ein "Moral-Hazard-Problem": Wenn Marktteilnehmer wissen, dass der Staat sie um jeden Preis retten wird, werden sie auch große Risiken eingehen. Für eine Marktwirtschaft ist das natürlich ein ganz fatales Signal.

SZ: Am Ende sind die Steuerzahler dran, nicht die Manager, die Fehler gemacht haben. Das kann nicht gerecht sein?

Steffens: Es stört das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung, wenn Manager, die ihren Banken enorme Verluste beschert haben, auch noch hohe Abfindungen erhalten. Aber zunächst haften ja die Eigentümer der Institute, also die Aktionäre. Der Steuerzahler wird nur dann aktiviert, wenn man das Allgemeinwohl gefährdet sieht. Eine IKB-Pleite hätte aber nach meiner Meinung nicht zu großen Verwerfungen im Bankensystem geführt. Man wollte zweifellos auch das schöne Geld im Einlagensicherungsfonds schonen. Man hoffte auch, die Bank später losschlagen zu können, weil sie eine gute Adresse ist. Aber das hat sich ja nun - zumindest kurzfristig - als Irrtum herausgestellt.

SZ: Wegen der Finanzmarktkrise wollen viele Regierungen die Banken schärfer regulieren. Ist das gut?

Steffens: Nein, es wäre ein Fehler. Nur weil es zu einem Unfall im Straßenverkehr gekommen ist, verbietet man ja auch nicht das Autofahren. Die Wohlfahrtseffekte durch die moderne Finanzindustrie sind weltweit unbestritten. Wertschöpfung ist definiert als Summe der Bruttolöhne plus Unternehmensgewinne. Auch die Banken haben Werte geschaffen, weil sie Beschäftigung, Gehälter und Gewinne produziert haben. Das kann niemand bestreiten. Zu restriktive Regeln könnten den Wohlstand für alle senken. Selbstregulierung, wie jetzt von den Top-Instituten der Welt über das International Institute of Finance vorgeschlagen, ist der bessere Weg.

SZ: Der große Boom im Verbriefungsgeschäft ist aber vorbei?

Steffens: Hoffentlich nicht. Die Zukunft liegt nicht im "Dorfbanking", wo die Bank am Ort dem Unternehmer einen Kredit gibt und das Risiko behält. Es gibt keine Alternative, als weiterhin mit Augenmaß Kreditrisiken auf mehrere Schultern zu verteilen.

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