Finanzkrise in Irland:Die fatale Macht der Clans

Familienkonzerne haben die Anglo Irish Bank in eine gefährliche Schieflage gebracht. Nun muss der Staat retten, was zu retten ist - denn ein Scheitern hätte dramatische Konsequenzen.

Andreas Oldag

Es war einmal eine irische Bank, die das große Rad drehen wollte. Doch das Ganze endete schließlich mit einem großen Knall. So lässt sich das Drama um ein Kreditinstitut umreißen, das ein Land in den finanziellen Abgrund treiben könnte. Symbol für das größte Banken-Desaster in der Geschichte Irlands ist die einst protzig geplante neue Firmenzentrale in den Dublin Docklands. Doch von einem teuren Umzug hat sich das Institut verabschiedet. Sie bleibt in ihren bescheideneren Domizilen in der Dubliner Innenstadt.

Finanzkrise in Irland: Familienkonzerne haben die die Anglo Irish Bank in eine gefährliche Schieflage gebracht.

Familienkonzerne haben die die Anglo Irish Bank in eine gefährliche Schieflage gebracht.

(Foto: AFP)

Anglo Irish, 1963 gegründet, ist zu einer schweren Hypothek für das Euro-Mitglied Irland geworden. Die Staatshilfen für das taumelnde Institut könnten im schlimmsten Fall bis zu 34 Milliarden Euro verschlingen, räumte Finanzminister Brian Lenihan ein. Das wäre ein Fünftel des irischen Bruttoinlandsproduktes. Dies zeigt, dass die Bank zu groß ist, um sie scheitern zu lassen. Für eine kleine Volkswirtschaft wie Irland mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern hätte eine solche Pleite dramatischere Folgen als zum Beispiel für Deutschland.

Im Vergleich zu anderen Instituten verfügt Anglo Irish über ein relativ schwach entwickeltes Filial- und Einlagengeschäft. Traditionell verstand sich die Bank vor allem als Nischenanbieter für Firmen und Immobilienfinanzierungen. Das Geldhaus geriet in eine Schieflage, als seine Refinanzierung über die internationalen Kapitalmärkte infolge der Finanzkrise ins Stocken geriet.

Anglo Irish steht für die Wirtschaftsgeschichte der grünen Insel in der vergangenen Dekade. Diese war geprägt durch den viel bewunderten Aufstieg Irlands, angetrieben durch konkurrenzlos günstige Unternehmenssteuern, unregulierte Finanzmärkte und üppige EU-Subventionen. Im Mittelpunkt des Wirtschaftswunders standen mächtige Familiendynastien, die weite Teile der Ökonomie beherrschen und enge Verbindungen zur regierenden konservativen Fianna-Fáil-Partei pflegen. Banken dienten und dienen den irischen Wirtschaftsbaronen als Instrument ihrer ehrgeizigen Expansionspläne.

Es entstand eine Partnerschaft, zugleich aber auch gegenseitige Abhängigkeit. So hielt der schillernde Unternehmer Sean Quinn vor der Verstaatlichung von Anglo Irish im Jahre 2009 einen 15-prozentigen Anteil an dem Institut. "Es war die Hausbank Quinns. Sie war ihm stets zu Diensten", heißt es in Dublin. Nur: Die Finanzkrise hat die großen Risiken einer solch innigen Verbindung zwischen Unternehmern und Bankern deutlich gemacht. Auch in Irland gerieten Gläubiger und Schuldner deshalb immer stärker in Bedrängnis.

Die Irish Times beziffert die Summe, die die Quinn-Familie Anglo Irish schuldet, auf 2,8 Milliarden Euro. Der 63 Jahre alte Unternehmer hat sich unter dem Dach der Quinn Group ein weitverzweigtes Firmenkonglomerat aufgebaut, zu denen Immobilien und Versicherungen gehören. Offenbar wurde vieles davon mit Krediten finanziert. Aus Kreisen der Quinn Group heißt es zwar, dass man seinen Verpflichtungen nachkomme. Doch Kritiker haben Zweifel daran, zumal das Versicherungsgeschäft der Gruppe seit Frühjahr dieses Jahres unter Zwangsverwaltung steht. Ein harter Schlag für einen Selfmade-Unternehmer, der als Farmerssohn begann, Kies vom familiären Acker an lokale Baufirmen zu verscherbeln.

Der Bankchef bringt sein Geld zur Konkurrenz

Eine ähnliche intensive Verbindung zu Anglo Irish soll der irische Unternehmer Barry O'Callaghan gepflegt haben. Dabei geht es auch um seine Firma Education Media and Publishing Group (EMPG), die sich mit der milliardenschweren Übernahme 2007 und 2008 der US-Bildungsverlage Hougthon Mifflin und Harcourt Education überhoben hat.

Die persönlichen Verbindlichkeiten O'Callaghans sollen sich auf 400 Millionen Dollar belaufen. Zu den Opfern seiner riskanten Einkaufstouren gehören auch Privatinvestoren, die sich an EMPG beteiligt und dafür offenbar von Anglo Irish Kredite erhalten hatten. Nach Meinung der oppositionellen Fine-Gael-Partei steckt die Bank in einem undurchsichtigen Finanz- Gestrüpp, dessen Verästelungen in der irischen Wirtschaft noch lange nicht aufgeklärt sind.

Doch in Dublin tut man sich schwer mit Transparenz. In ihren Publikationen stellt sich die Bank vornehmlich als Opfer schlechter Marktbedingungen hin. Unumstritten ist allerdings, dass eine exzessive Kreditvergabe für das Desaster mitverantwortlich ist. Exponent dieser Strategie war der langjährige Bankchef Sean FitzPatrick. Ein umtriebiger Manager, der davon träumte, die Dublin Docklands zu einem der führenden Finanzzentren Europas zu machen.

Rastlos trieb er das Wachstum der Bank voran. Der Boom der Bauwirtschaft in Irland bot ihm das geeignete Terrain. Bald engagierte sich Anglo Irish auch an Immobilienprojekten in den USA. Erste Anzeichen einer Krise zeigte das waghalsige Geschäftsmodell Anfang 2008, als die irische Konjunktur zu schwächeln begann. Hedge-Fonds attackierten Anglo Irish, die innerhalb weniger Tage 15 Prozent ihres Marktwerts verlor.

An der Börse büßte das Institut weiter an Vertrauen ein, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Bankchef FitzPatrick persönliche Gelder in Höhe von 90 Millionen Euro abgezogen hatte, um diese bei einer konkurrierenden Bank in Sicherheit zu bringen. FitzPatrick musste seinen Posten räumen. Unter seiner Führung hatte sich das Vorzeigeinstitut zu einem "Schwarzen Loch" entwickelt. Im Januar 2009 übernahm der irische Staat die Bank. Seitdem laufen verzweifelte Rettungsversuche.

Vor kurzem kündigte Finanzminister Lenihan eine Aufspaltung des Instituts an. Ein Teil soll als reine Einlagenbank ohne Kreditgeschäft geführt werden, ein vom Staat geschützter Hort für die Spareinlagen seiner Kunden. Im anderen Teil sollen die verbliebenen Anglo-Immobilienkredite im Volumen von 38 Milliarden Euro untergebracht werden. Doch Lenihan sieht dies nur als Zwischenlösung an. Langfristig ist eine Abwicklung einschließlich des Verkaufs rentabler Teile unvermeidlich. Der neue Bankchef Mike Aynsley brachte das Drama um Anglo Irish auf den Punkt: Die "Hybris spielte eine sehr, sehr große Rolle", meinte er in einem Interview.

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