Finanzkrise: Eric Cantona:Tötet die Banken

Eric Cantona war einer der besten Fußballer der Welt - und einer der durchgeknalltesten. Nun wütet er gegen Banken, verhöhnt Demonstranten und plädiert für einen besonderen Weg, der den Finanzinstituten schaden würde.

Alexander Hagelüken

Wut, oh ja, die hat Eric Cantona. Der achtfache Manchester-Meistertrainer Alex Ferguson nannte ihn einst "den besten Fußballer, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe". Doch der französische Nationalspieler Cantona war nicht einfach gut, sondern auch Wut. Sperren und Suspendierungen säumen seinen Weg genauso wie all die Siege. Und so ist es kein Zufall, dass er in einem Moment auf die Weltbühne zurückkehrt, da Millionen Europäer nach einem Weg suchen, ihren Ärger auszudrücken.

Soccer - Carling Premier League - Manchester United v Manchester City

Eric Cantona spielt nicht mehr Fußball, sondern denkt über die Bankwelt nach.

(Foto: dpa / empics)

Cantona debütierte schon mit 17 in der ersten französischen Liga, damals in den achtziger Jahren. Er wurde Nationalspieler, ein Stürmer, der "am Ball alles kann", wie Zeitgenossen schwärmten. "Ein phantastischer Vater und angenehmer Partner", wie seine langjährige Angetraute schwärmte. Das war die eine Seite Cantonas.

Die andere war, dass er seine Vereine wechselte wie verschwitzte Trikots, zehn Clubs in zehn Jahren. Warum? Weil er immer wieder aneckte, wie er selbst früh einräumte: "Manchmal geht der Gaul mit mir durch, dann sage ich Sachen, die ich gar nicht vertreten kann."

Beim Reden blieb es nicht: 1987, mit 21, brummt ihm sein Verein Auxerre eine Strafe auf, weil er den eigenen Torwart geboxt hat. 1989 schlägt er bei seinem neuen Verein Montpellier einen Mitspieler mit seinem Spieler. Im selben Jahr bewirft er den Coach des Gegners mit seinem Sweatshirt und den Schiedsrichter mit seinem Trikot, und das nur, weil er bei einem harmlosen Wohltätigkeitsspiel ausgewechselt wurde.

2010 kehrt der längst pensionierte, aber immer noch wütende Fußballer ins Rampenlicht zurück. Mitten in einem Herbst, in dem sich Millionen Bürger fragen, wie sie auf die harten Sparprogramme wegen der Finanzkrise reagieren sollen und warum für spekulierende Banken immer mehr Geld da ist, aber für Sozialleistungen immer weniger. Sie fragen sich das in Dublin und Athen, in Madrid und Paris. Demonstrieren, auf die Straße gehen, das ist meist die Antwort, mit der sie ihre Aggression ausdrücken.

Wut-Fachmann Cantona, 44, hält solchen Protest für Quatsch, Sinnlosigkeit, Weicheier-Kram. In einem Video, das inzwischen auf dem Internetkanal Youtube zum Click-Hit avancierte, gibt er eine andere Antwort. Da sitzt er im signalroten Pulli vor schwarzem Hintergrund, bärtig, mit starken Augenbrauen und mächtiger Stimme, wie ein Pirat vor dem Entern. "Demonstrationen", brummt Cantona, "das ist nicht mehr der richtige Weg. Das ist nur Selbstbetrug."

Ein verblüffend einfacher Vorschlag

Cantonas verblüffend einfacher Vorschlag: Statt auf die Straße sollen die Protest-Bürger zu ihrer Bank gehen und ihr Geld abheben. "Wenn das drei Millionen oder zehn Millionen Menschen tun, werden die Banken kollabieren. Das wäre eine echte Revolution."

Cantona wirbt für seinen Weg, der "keine Waffen und kein Blutvergießen" enthalte, aber sehr viel Macht: "Auf diese Weise werden sie uns zuhören", er meint die Regierungen, die Banken stützen und Steuerzahler und Sozialschwache belasten. Die französische Initiative StopBanque will Cantonas Freistoß zu einer gemeinsamen Abhebeaktion am 7. Dezember machen, angeblich wollen bereits 14.000 Bürger ihr Geld abheben, vor allem in Großbritannien und Frankreich findet der Fußballer Aufmerksamkeit.

So wie früher halt auch. Nachdem er 1991 französischer Meister wurde, wechselte Cantona auf die Insel. Gleich in seiner ersten Saison für Manchester United bespuckte er einen gegnerischen Fan, wurde dann dreimal britischer Meister - und anschließend monatelang gesperrt. Nachdem er eine rote Karte erhalten hatte, hatte ihn ein rechtsradikaler Fan angepöbelt. Cantona bedachte ihn mit einem Kung-Fu-Tritt.

Danach spielte er noch einige Jahre erfolgreich für Manchester, wurde nach Karriereende 2005 von 26.000 Fans aller Länder zum besten Spieler aller Zeiten der britischen Premier League gewählt. Und engagiert sich neuerdings für die französische Abbe-Pierre-Stiftung, die Unterkünfte für Arme bereitstellt.

Was ist von Cantonas neuestem Kopfstoß zu halten? Sicher ist, dass er effektiver sein könnte als Demonstrationen, die zur Protestfolklore gehören. Die Frage ist, ob genug Bürger zu einer solchen Boykottaktion bereit sind - Massenproteste gegen einzelne Firmen, die Beschäftigte feuern oder die Umwelt belasten, enden meist im Nichts.

Und eine noch drängendere Frage ist, die Bürger nicht stärker leiden als jetzt, wenn auch noch Banken kollabieren und das Wirtschaftssystem lahmgelegt wird. Cantona erregt auf jeden Fall Aufsehen. Sein Lebensmotto heißt: "Die Verrückten haben der Welt mehr gebracht als die Vernünftigen." Wie das in seinem Fall ist, wird die nähere Zukunft zeigen.

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