Finanzkrise:Ein Traum zerbricht

Die einen wollten ein schönes Haus, die anderen einfach nur reich werden - das konnte nicht gutgehen. Die (vorläufige) Geschichte der Finanzkrise - ein Drama in zehn Akten.

T. Fromm und A. Mühlauer

Erster Akt:

Finanzkrise: Der schwarze Montag am 15. September beendete die Träume einer ganzen Generation.

Der schwarze Montag am 15. September beendete die Träume einer ganzen Generation.

(Foto: Foto: AP)

Der amerikanische Traum

Am Anfang ist der Traum. Er beginnt mit einer Unterschrift. Viele Amerikaner unterschreiben, weil sie sich ihren "American Dream" erfüllen wollen - den Traum vom eigenen Heim. Für US-Bürger ist das so wichtig wie das Auto. Aber nur die wenigsten haben das Geld dafür. Also kaufen sie auf Pump. Bis zu 100 Prozent ihrer Häuser und Wohnungen finanzieren sie mit Krediten. Das Risiko scheint gering. Die Zinsen sind niedrig, und die Immobilienpreise kennen seit Jahren nur eine Richtung: aufwärts. Makler und Eigenheimfinanzierer wollen Geschäfte machen. Egal, ob jemand Geld oder Arbeit hat oder nicht - es gibt Kredite für alle. Alle sind glücklich, alle dürfen mitträumen.

Auch die amerikanischen Finanzmakler sind glücklich. Sie kassieren Provisionen, indem sie Menschen Darlehen aufschwatzen, die sich so etwas eigentlich gar nicht leisten können. Mit der Zeit werden Kredite immer laxer vergeben. Mit den sogenannten "Ninja-Loans" läuft die Verkaufsmaschinerie auf Hochtouren.

Ninja-Loans: Abkürzung für "No income, no job or asset". Wer einen Hauskredit aufnimmt, braucht weder Job, nachweisbares Einkommen noch sonst irgendwelches Vermögen als Sicherheit.

Die meisten Kredite haben, anders als in Deutschland, keine festen Zinssätze; die Belastung, die Schulden zurückzuzahlen, kann mehr oder weniger hoch ausfallen. Das macht die Sache nicht ungefährlicher. Dennoch spielen alle mit.

"Es ist großartig: Jeder kann sich ein eigenes Heim leisten. Ich danke Gott, Amerikanerin zu sein." (Kelly Sanders, Hausbesitzerin aus Tuscon, Arizona)

Lesen Sie im zweiten Akt, wie aus den Krediten tickende Zeitbomben wurden.

Ein Traum zerbricht

Zweiter Akt:

Finanzkrise: Der US-Immobilienmarkt bricht zusammen - Häuser werden panisch verkauft.

Der US-Immobilienmarkt bricht zusammen - Häuser werden panisch verkauft.

(Foto: Foto: dpa)

Kredite werden Zeitbomben

Irgendwie gefällt den Banken die Sache mit den Schrottkrediten nicht. Zuerst geben sie auch denen Geld, die selbst keinen Cent haben, um die Kredite abzuzahlen. Jetzt, wo die Kredite allmählich faul werden, wissen die Banker nicht mehr, wohin damit. Denn die windigen Geschäfte belasten nun die eigenen Bilanzen.

Also beschließen findige Banker, viele Kredite zusammenzupacken und daraus handelbare Pakete zu schnüren. Das Ziel der Verbriefungen: Die Eigenheimfinanzierer müssen sich nicht um die Kreditwürdigkeit der Amerikaner kümmern. Investmentbanken erwerben hypothekenbesicherte Wertpapiere, bündeln sie und verkaufen sie ihrerseits weiter. Sie trennen so den Kredit vom Risiko - eigentlich genial. Finanzingenieure erfinden einen neuen Begriff für diese Kreditprodukte: CDO - drei Buchstaben, die um die Welt gehen.

CDO: Abkürzung für "Collateralized Debt Obligation". Fonds, die Kredite von unterschiedlicher Qualität bündeln.

Zunächst geht es lange gut. Dann aber steigen die Zinsen, und die Immobilienpreise brechen ein. Der Traum beginnt zu zerbrechen. Viele Amerikaner müssen ihr Eigenheim zur Zwangsversteigerung freigeben. Anders werden sie es nicht los. Niemand will es kaufen. Die ersten Hausbesitzer ziehen um - in Zelte, während ihr Kreditrisiko längst Teil eines Wertpapiers geworden ist.

"Der Kunde existiert nur noch als Teil einer Modellrechnung. Die wichtige Frage ist: Wie wahrscheinlich ist es, dass er nicht mehr zahlt?" (ein Münchner Wertpapierhändler)

Nicht nur viele Amerikaner sind pleite, im März 2007 erwischt es auch den drittgrößten US-Hypothekenfinanzierer New Century. Es bleibt kein Einzelfall. Die Last der faulen Hypotheken ist einfach zu groß geworden. Das Drama nimmt seinen Lauf.

Lesen Sie im dritten Akt, wie die hübsch verpackten Kreditpakete auf eine lange Reise gehen.

Ein Traum zerbricht

Finanzkrise: Geld, Gier, Größenwahn: An der Wall Street zählt der schnelle Dollar.

Geld, Gier, Größenwahn: An der Wall Street zählt der schnelle Dollar.

(Foto: Foto: AFP)

Dritter Akt:

Die Bomben gehen auf Reise

CDOs werden immer beliebter. Sie bringen mehr Rendite als andere Investments. Viel mehr. Und sie scheinen sicher zu sein. Viel sicherer. Seit dem Platzen der Dot-Com-Blase fallen die Anleihezinsen, 2003 so tief wie noch nie.

Institutionelle Anleger wie große Versicherungskonzerne, Hedgefonds und Pensionskassen sind gierig nach allem, was keine Aktie ist und doch hohe Renditen bringt. Allein 2006 werden Papiere im Wert von 503 Milliarden Dollar verkauft, fünfmal so viele wie drei Jahre zuvor. Banken und Pensionsfonds greifen zu. So gehen die Kredite der armen Häuslebauer auf eine lange Reise.

Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Längst weiß keiner mehr so genau, welche Kredite mit welchen Risiken in den Wertpapieren stecken. Egal. Dass das Risiko zwar aus den Büchern der Kreditgeber verschwunden ist, aber nicht aus der Welt, wird vielen erst später klar werden.

"Liebe Investoren, strukturierte Kreditprodukte eröffnen Investoren hohe Renditechancen. Darunter fallen auch die Collateralized Debt Obligations (CDOs), bei denen der Anleger entsprechend seines Risikos agieren kann." (Aus einer Broschüre von "Axa Investment Managers" vom Mai 2004).

Wenn die Immobilienkrise in den USA das Virus ist, dann sind CDOs einer seiner zuverlässigsten Überträger. Mit Hilfe der Wertpapiere gelangt die Krankheit nun tief hinein in die Bilanzen der großen Finanzhäuser. Und sie hat einen Namen: Subprime-Krise.

Subprime-Krise: Die Finanzkrise 2007/2008 ist eine Banken- und Finanzkrise, die im Frühsommer 2007 mit der Subprime-Krise (im deutschsprachigen Raum auch als US-Immobilienkrise bezeichnet) beginnt. Die Subprime-Krise bezeichnet eine Reihe von weltweiten Verlusten und Insolvenzen, ausgelöst durch die steigenden Immobilienpreise in den USA. Als die Hauspreise stagnieren oder gebietsweise sogar fallen, können immer mehr Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr bedienen - die Zinsen sind zu hoch.

Lesen Sie im vierten Akt, wie der erste Hedgefonds an den tickenden Zeitbomben zusammenbricht - und die US-Notenbank eine leise Warnung ausspricht.

Ein Traum zerbricht

Finanzkrise: Mittelstandsbank IKB: Mit der Langeweile ist es nun vorbei.

Mittelstandsbank IKB: Mit der Langeweile ist es nun vorbei.

(Foto: Foto: ddp)

Vierter Akt:

Die ersten Einschläge

Zunächst trifft es nur die Vereinigten Staaten. Am 18. Juli 2007 muss Bear Stearns, eine erfolgreiche New Yorker Investmentbank, zwei Hedgefonds auflösen. Sie heißen High-Grade Structured Credit Enhanced Leveraged Fund und High-Grade Structured Credit Fund. Das klingt nicht nur kompliziert, es ist auch kompliziert: Die beiden hatten sich auf dem Markt für Hypothekenkredite an Schuldner mittelmäßiger und schlechter Bonität verspekuliert. Auf dem Markt mit jenen Häuslebauern also, von denen viele inzwischen in Zelten wohnen müssen.

Hedgefonds: (von engl. to hedge = absichern) Sie sind eine spezielle Art von Investmentfonds, die durch eine spekulative Anlagestrategie gekennzeichnet sind. Hedgefonds bieten die Chance auf sehr hohe Renditen, sind aber dementsprechend auch mit hohen Risiken behaftet.

Bear Stearns teilt mit, die Fonds seien "praktisch nichts mehr wert". Sechs Monate zuvor waren die Fonds noch mehr als eine Milliarde Dollar wert.

"Die zwei Hedgefonds von Bear Stearns sind eigens für den Zweck gegründet worden, (...) CDOs aufzukaufen. Das trägt Züge eines Glücksspiels. (...) Ob weitere Kettenreaktionen folgen, ist im Moment nur vage zu beantworten." (Willi Semmler, Wirtschaftswissenschaftler)

"Faule Hypothekeninvestments werden zu signifikanten Verlusten führen. Das kann uns bis zu 100 Milliarden Dollar kosten." (Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank Federal Reserve)

Lesen Sie im fünften Akt, wie die Krise nach Deutschland schwappt.

Ein Traum zerbricht

Finanzkrise: Menschenschlangen vor einer Filiale der britischen Bank Northern Rock.

Menschenschlangen vor einer Filiale der britischen Bank Northern Rock.

(Foto: Foto: Reuters)

Fünfter Akt:

Jetzt trifft es Deutschland

Banken, die auf faulen Krediten sitzen, versuchen, die Papiere weiterzuverkaufen. Einer der Käufer: die Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB. Den Namen dieser Bank kennen bis zum 30. Juli 2007 nur deutsche Mittelständler oder Finanzprofis. Sie gilt als todsichere Sache, als Anlage für Witwen und Waisen - solide und langweilig.

Mit der Langeweile ist es nun vorbei. An einem heißen Sommertag prangt der Name IKB auf den Titelblättern der Zeitungen. Die Bank mit den drei Buchstaben hatte mit den drei anderen Buchstaben jongliert und sich verspekuliert: CDO. Dabei hatte der Vorstand noch am 20. Juli versprochen, das IKB-Engagement in den USA habe "praktisch keine Auswirkungen" auf das Bankengeschäft. Hat es aber doch.

Schuld ist eine zur IKB gehörende Zweckgesellschaft; ihr Name ist Rhineland Funding. Diese ist darauf angewiesen, dass Anleger ihr die Papiere abkaufen, mit denen sie eigene Kreditvergaben refinanziert. Dumm nur, dass die Anleger wegen der Kreditkrise nichts mehr kaufen wollen. Nun muss die IKB für ihr Investmentvehikel den Kopf hinhalten. Die staatliche Förderbank KfW übernimmt eine Bürgschaft von acht Milliarden Euro für die IKB, deren Verluste nicht aufhören wollen zu wachsen.

"Die Risikokultur der IKB ist geprägt durch einen konservativen Umgang mit den Risiken des Bankgeschäftes." (aus dem IKB-Geschäftsbericht 2006)

Am 15. Januar 2008 trifft die Finanzkrise mit voller Wucht auf den Frankfurter Börsenplatz. Innerhalb weniger Minuten verliert die Aktie des im Dax notierte Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate 37 Prozent. Grund: Der Konzern hat lange nachgerechnet und ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass er bei einem US-Wertpapierportfolio rund 390 Millionen Dollar abschreiben muss.

Abschreibung: Als Abschreibung wird der Wertverlust von Unternehmensvermögen bezeichnet. Die Abschreibung wird meist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ermittelt und als Aufwand in der Gewinnermittlung berücksichtigt.

Höhere Abschreibungen, weniger Gewinn. Viele Investoren werden später sagen, alles wäre nicht so schlimm gewesen, wenn Hypo Real Estate nicht zuvor betont hätte, von den Problemen auf dem amerikanischen Kreditmarkt nicht betroffen zu sein.

"Auch wenn wir uns den Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht ganz entziehen konnten, so heben die jüngsten Fehlentwicklungen auf den Immobilien- und Finanzierungsmärkten die besondere Stärke und Solidität unseres Geschäftsmodells hervor (...). Die Hypo Real Estate Group ist somit aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen." (Georg Funke, Hypo-Real-Estate-Chef, im November 2007)

Es ist wohl das letzte Mal, dass ein deutscher Finanzmanager so spricht. Jetzt gibt es bei den meisten nur noch eine Sprachregelung. Und die lautet sinngemäß: Es ist nur schwer möglich, Prognosen für die Zukunft zu treffen.

Die Krise erreicht jetzt auch die deutschen Landesbanken. Die meisten von ihnen haben auf der Suche nach hohen Renditen beim großen Spiel auf den internationalen Kapitalmärkten mit vollen Händen zugegriffen. In Irland versteckt die SachsenLB ihre US-Spekulationen. Der romantische Name der Gesellschaft: Ormond Quay. Der Steuerzahler muss für Verluste von bis zu drei Milliarden Euro haften. Auch andere öffentliche Institute wie die WestLB und die BayernLB sind betroffen. Allein die Münchner halten kritische Papiere im Wert von 20 Milliarden Euro.

Lesen Sie im sechsten Akt, wie Banker Milliardenboni kassieren - und gleichzeitig britische Verbraucher um ihr Erspartes bangen.

Ein Traum zerbricht

Finanzkrise: US-Hypothekenbank Freddie Mac: Rettung durch den Steuerzahler.

US-Hypothekenbank Freddie Mac: Rettung durch den Steuerzahler.

(Foto: Foto: Reuters)

Sechster Akt:

Gewinner und Verlierer

Bilder, die an die Weltwirtschaftskrise erinnern, erreichen uns am 14. September 2007: An diesem sonnigen Tag stehen Menschen vor den Filialen einer Bank Schlange. Sie fordern ihr Erspartes. Der Grund: Northern Rock, einer der größten britischen Baufinanzierer, muss die Zentralbank um einen Notkredit anbetteln. Als der englische Patient kurz vor dem Kollaps steht, greift der Staat ein und übernimmt das Geldhaus.

Es ist Oktober, das Drama dauert jetzt schon länger als ein halbes Jahr, als der erste hochrangige Bankchef seinen Job verliert. Stan O'Neal, Sohn eines Baumwollpflanzers und einer Putzfrau aus Alabama hat sich als einer der wenigen Schwarzen ganz nach oben gearbeitet. Jetzt muss der Chef von Merrill Lynch gehen. Seine Bank hat viel Geld abzuschreiben, allein von Juli bis November sind es acht Milliarden Dollar. O'Neal geht, aber nicht ohne 160 Millionen Dollar Abfindung. Im Krisenjahr 2007 bekommen amerikanische Banker Boni von sagenhaften 33 Milliarden Dollar.

Bonus: Bonus bezeichnet einen variablen, erfolgsabhängigen Anteil der Vergütung. Banker bekommen zusätzlich zu ihrem Festgehalt einen Bonus. Die Höhe des Gehaltszuschlags hängt davon ab, wie viel Rendite der jeweilige Banker der Firma bringt oder wie viel Geld die Investmentsparte schöpft.

Bei den üblichen Boni fragt so mancher Banker: "Krise? Welche Krise?" Von dieser Sicht der Dinge können Hausbesitzer nur träumen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als ihr Heim aufzugeben.

"Die Hypothekenkrise ist relativ gut eingegrenzt, und es gibt keine klaren Zeichen, dass sie in andere Unterbereiche des Kreditmarktes überschwappt." (Stan O'Neal, Merrill-Lynch-Chef, im August 2007)

Im Januar 2008 überschlagen sich die Ereignisse. Am Montag, den 21., verliert der Deutsche Aktienindex Dax auf einen Schlag sieben Prozent. So bitter war es nicht mehr, seit am 11. September 2001 Terroristen das New Yorker World Trade Center zerstörten. Am Tag darauf senkt Fed-Chef Ben Bernanke die Zinsen, so stark wie seit 1984 nicht mehr. Bernanke wird die Zinsen wegen der Krise von über fünf auf zwei Prozent senken.

Lesen Sie im siebten Akt, wie die ersten Banken in den USA kollabieren.

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Finanzkrise: Schwarzer Montag: Am 15. September kollabierte das gesamte Finanzsystem der USA.

Schwarzer Montag: Am 15. September kollabierte das gesamte Finanzsystem der USA.

(Foto: Foto: AP)

Siebter Akt:

Die großen Pleiten

Das Drama nimmt Schwung auf; die ersten Geldmaschinen kommen ins Stocken: Investmentbanken, Symbol für hohe Gehälter, Boni und Luxusapartments der Banker, geraten ins Schlingern. Am 17. März 2008 erwischt es Bear Stearns. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise war die Bank 20 Milliarden Dollar wert. An diesem Montag im März wechselt die fünftgrößte US-Investmentbank für 236 Millionen Dollar den Besitzer.

"Das Schlimmste ist überstanden." (Richard Fuld, Chef der Investmentbank Lehman Brothers, im April 2008)

Ein halbes Jahr später, am 15. September 2008, ist Fulds Bank Lehman pleite. Auch Merrill Lynch hat es erwischt. Die Investmentbank wird gekauft - von der Bank of America mit Sitz in Charlotte, North Carolina. Für die einst stolzen Banker der Wall Street ein Affront.

Lesen Sie im achten Akt, wie zwei amerikanische Hypothekenbanken nur knapp vor der Pleite gerettet werden können - und wie Banker trotzdem weiter Durchhalteparolen von sich geben.

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Achter Akt:

Der Staat greift ein

Die US-Immobilienbanken Fannie Mae und Freddie Mac - einst Felsen in der Brandung und für den halben amerikanischen Hypothekenmarkt zuständig - werden verstaatlicht. Fannie und Freddie haben kein Geld mehr, die amerikanischen Hausbesitzer können die Kreditraten nicht zurückzahlen. US-Finanzminister Hank Paulson rettet Fannie und Freddie, genauso wie den größten Versicherer der Welt, AIG. Die Investmentbank Lehman hat er pleitegehen lassen.

Die Auswirkungen der Finanzkrise lassen so manchen an unserem Wirtschaftssystem zweifeln. Es geht um das Verhältnis von Marktwirtschaft und Staat: Wie weit darf der Staat gehen, um die Finanzmärkte zu stabilisieren? Und: Wann müssen Banker für ihre Zockereien büßen und vielleicht auch mal untergehen? Und: Wann soll man sie retten?

"Ich glaube, dieser Unsinn wird aufhören." (Colm Kelleher, Finanzvorstand von Morgan Stanley, im September 2008)

Lesen Sie im neunten Akt, wie an einem Montag im September 2008 die Wall Street an ihrer eigenen Gier zerbricht - und die amerikanische Finanzwelt in ihren Grundfesten erschüttert wird.

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Neunter Akt:

Der schwarze Montag

Banker in aller Welt werden an den 15. September 2008 als den Tag zurückdenken, an dem sie mit einem unguten Gefühl am frühen Morgen aufstehen. Jeder weiß: Es wird grausam. Die Aktienkurse geben ihnen recht: Der Dax rauscht um 3,19 Prozent in die Tiefe, der Dow Jones bricht um mehr als vier Prozent ein. Alle wissen: Es ist das Aus eines Geschäftsmodells, das die Wall Street für zwei Jahrzehnte geprägt hat - die Investmentbanken sind am Ende. Bei den einstigen "Masters of the Universe" ist der Lack endgültig ab. Am Tag des großen Zusammenbruchs machen Fotos lachender Banker die Runde, die mit schwenkenden Golfschlägern aus ihren Büros flüchten. Das soll wohl heißen: Job weg, aber immer noch reich. Denn irgendwo muss das Geld ja geblieben sein. Allein in den Jahren 2002 bis 2006 verdreifachten die fünf großen Investmentbanken ihre Gewinne auf 30 Milliarden Dollar. Ist dies nun das Ende einer Gier-ist-geil-Mentalität?

Statt Fotos mit Golfschlägern bringen deutsche Medien Schlagzeilen, die an Deutlichkeit und Häme nichts zu wünschen übrig lassen: "Die dümmste Bank Deutschlands", gemeint sind "Die Trottel von der KfW", überweist am Tag der Lehman-Pleite 350 Millionen Euro an das insolvente Geldhaus.

Aber in der Krise gibt es nicht nur "Trottel", sondern auch Profiteure: Spekulanten, die mit Wetten auf sinkende Aktienkurse Millionen verdienen, sogenannte Short Seller.

Short Selling: Der Verkauf eines Wertpapiers, das der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt (noch) gar nicht besitzt. Er muss sich dafür das Wertpapier von einem institutionellen Anleger leihen, wofür eine entsprechende Leihgebühr zu entrichten ist. Auf Deutsch heißt Short Selling Leerverkauf.

Staaten überall auf der Welt verbieten das Short Selling oder schränken es ein. Plötzlich erkennen die Amerikaner, dass eine schärfere Finanzaufsicht nötig ist. Der Finanzminister schnürt ein Rettungspaket: 700 Milliarden Dollar für faule Wertpapierpakete. Ob das genügt, weiß niemand. Nun das FBI gegen 26 Wall-Street-Banker ermittelt.

"Der Markt funktioniert nicht richtig, es hat einen umfassenden Vertrauensverlust gegeben, und weite Teile des amerikanischen Finanzsystems drohen zusammenzubrechen." (George W. Bush, US-Präsident, am 24. September 2008)

Am 2. November ist Präsidentschaftswahl in Amerika. Bush darf nicht mehr antreten. Er hat gut reden. Die Probleme müssen dann andere lösen.

Lesen Sie im letzten Akt, was von dem amerikanischen Traum bleibt.

Ein Traum zerbricht

Zehnter Akt:

Was vom Traum übrig bleibt

Während alle über milliardenschwere Rettungspakete für Banken diskutieren, verlieren jeden Tag etwa 8000 amerikanische Familien Haus und Vermögen. Im Gegenzug steigen die Preise für Luxusimmobilien im zweistelligen Millionenbereich weiter. Der amerikanischen Gesellschaft droht die Spaltung in Arm und Reich, Zelt und Villa.

Für viele ist der Traum nur noch eins: ausgeträumt. Das Vertrauen in die Märkte, an das kapitalistische System, an die Zukunft ist erschüttert. Am Ende bleibt den Amerikaner wohl nichts anders übrig, als wieder anzufangen zu träumen.

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