Finanzkrise: Der Staat greift ein:Rettung ohne den Chef

Einigung in letzter Minute: Das Rettungspaket für die angeschlagene Hypo Real Estate steht. Doch Finanzindustrie und Bundesregierung wollen den Vorstand um Georg Funke aus dem Amt drängen.

Wut auf den Chef: Die neuerliche Rettungsaktion für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) wird nach Angaben aus Verhandlungskreisen auch personelle Konsequenzen haben: Die beteiligten Banken und die Bundesregierung wollen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung den Vorstandvorsitzenden der HRE, Georg Funke, und weitere verantwortliche Topmanager aus dem Amt drängen.

Finanzkrise: Der Staat greift ein: Durch ein weiteres Milliardenpaket scheint die Hypo Real Estate vorerst gerettet.

Durch ein weiteres Milliardenpaket scheint die Hypo Real Estate vorerst gerettet.

(Foto: Foto: AFP)

HRE-Chef Georg Funke wird Finanzkreisen zufolge in den nächsten Tagen zurücktreten. Der in die Kritik geratene Manager werde, nachdem die Details zum Rettungspaket endgültig ausgehandelt seien, aller Voraussicht nach das Unternehmen verlassen, sagten zwei mit der Situation vertraute Personen am Montag zu Reuters. Auch Aufsichtsratschef Kurt Viermetz sei nicht mehr zu halten und werde wohl aus dem Amt scheiden.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte bereits am späten Sonntagabend gesagt: "Ich habe keinen Grund, das Management zu schonen."

Steinbrück kritisierte die HRE-Verantwortlichen scharf. Am Anfang der Krisensitzung habe das "blanke Entsetzen" gestanden, dass das Management der Hypo Real Estate eine weitere Lücke in Milliardenhöhe bekanntgegeben habe.

"Die Bundesregierung fühlt sich definitiv falsch informiert von diesem Management, und damit drücke ich mich sehr höflich aus", sagte der Minister im ZDF. Aus der Politik kamen mehrere Rücktrittsforderungen an die Adresse Funkes. "Ich halte es für undenkbar, dass mit dem jetzigen Management weiter zusammengearbeitet wird", sagte der Bundesfinanzminister am Montag im Deutschlandfunk.

Bundesregierung und Finanzbranche hatten sich am Sonntagabend auf ein neues Hilfspaket für den Münchner Immobilienfinanzierer verständigt. Die Hypo Real Estate sei gerettet, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums am Sonntagabend in Berlin.

Den Angaben des Ministeriums zufolge gewährt der Finanzsektor der Bank einen weiteren, ebenfalls besicherten Liquiditätskredit von 15 Milliarden Euro. Dadurch werde "das Institut stabilisiert und damit der Finanzplatz Deutschland in schwierigen Zeiten gestärkt".

Das Geld kommt zu den 35 Milliarden Euro hinzu, die das vergangene Woche ausgehandelte erste Rettungspaket für die HRE vorsah. Das Ministerium teilte weiter mit, dass der vom Bund zur Verfügung gestellte Bürgschaftsrahmen von bis zu 35 Milliarden Euro unverändert bleibe.

Bis zu einer Gesamthöhe von 14 Milliarden Euro trage der Finanzsektor 60 Prozent und der Bund 40 Prozent der möglichen finanziellen Belastungen, sollte die Garantie in Anspruch genommen werden.

"Vertrauen zerstört"

Ministeriumssprecher Torsten Albig betonte, die Vereinbarung bringe für die Steuerzahler keine zusätzlichen Lasten. Der Chef der Finanzmarktaufsicht Bafin, Jochen Sanio, sprach von einem "guten Ergebnis". Im Bundesfinanzministerium hatten Vertreter von Regierung, Bundesbank und Bafin sowie der Banken- und Versicherungsbranche den Sonntag über fieberhaft nach einer Lösung gesucht, um einen Zusammenbruch der HRE zu verhindern.

Der HRE-Vorstandsvorsitzende Georg Funke hatte die neue Vereinbarung begrüßt. "Die gefundene Lösung stellt sicher, dass die Hypo Real Estate Group stabilisiert wird, auch bei andauernder Finanzkrise über ausreichende Liquidität verfügt und weiterarbeiten kann", erklärte Funke am Montagmorgen.

Politiker von Union und Grünen forderten Funke auf, schnell zurückzutreten. "Die HRE hat offenbar nicht alle Fakten zum tatsächlichen Ausmaß der Krise auf den Tisch gelegt. Das Vertrauen in Vorstandschef Funke ist zerstört", sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. "Wenn der Bund Garantien für HRE gibt, muss er im Gegenzug Anteile übernehmen und die Abwicklung der Bank auch personell kontrollieren können."

Ähnlich äußerte sich der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Otto Bernhardt: "Wer 35 Milliarden Euro sagt und dann sind es 50 Milliarden Euro - der ist kein kompetenter Gesprächspartner mehr. Es ist an der Zeit, die Konsequenzen zu ziehen."

Ein Zusammenbruch des DAX-Konzerns aus München hätte erhebliche Auswirkungen auf den Finanzmärkten gehabt. Erst am Samstag war das vor einer Woche ausgehandelte erste Hilfspaket für die HRE-Gruppe überraschend geplatzt, weil die Banken ihre Kreditzusagen wieder zurückgezogen hatten. Die Liquiditätslücke bis 2009 war weit größer als der zunächst angenommene Kreditbedarf von etwa 35 Milliarden Euro.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) forderte die Bundesregierung auf, eine Lösung für die gesamte Bankenbranche zu finden. "Wir halten es für wichtig, dass wir von Einzelfalllösungen wegkommen", sagte DSGV-Sprecher Christian Achilles auf Anfrage von Welt Online. Das könne man vermeiden, wenn man einen Risikoschirm für die gesamte Bankenbranche aufspanne.

Um Sparer zu beruhigen, hatte die Bundesregierung am Sonntag erstmals eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht gestellt.

Aktienkurse auf Talfahrt

Die Sorge um die europäischen Banken und Zweifel an der Wirksamkeit des US-Rettungspakets für den Finanzsektor haben die Aktienkurse in Asien zum Wochenbeginn auf Talfahrt geschickt. Die Aktienkurse an der Börse in Tokio erreichten Montagmittag ein Vierjahrestief, der Nikkei-Index fiel um 3,60 Prozent. In Hongkong fielen die Kurse zum Handelsbeginn um 2,9 Prozent.

Investoren bereiteten sich nach Angaben von Experten auf einen weiteren schwachen Handelstag an der New Yorker Wall Street vor. Trotz der Zustimmung des US-Kongresses zu dem 700 Milliarden Dollar schweren Rettungsplan bestünden weiter Zweifel an den Aussichten für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte. Verstärkt wurden die Zweifel durch die HRE-Rettungsaktion.

Angesichts der Entwicklung pumpte die japanische Zentralbank erneut frisches Geld in den Markt. Es seien eine Billion Yen (6,8 Milliarden Euro) bereitgestellt worden, teilte die Bank von Japan mit. Damit sollten die Auswirkungen der Finanzkrise gemildert werden.

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