Finanzindustrie: Buchvorstellung:15.000 Dollar für eine Edelhure

Der Ex-Investmentbanker Will schildert die verkommene Welt, der er den Rücken gekehrt hat. Sein Buch präsentiert er an einem ungewöhnlichen Ort.

Harald Freiberger

Es ist ein ungewöhnlicher Ort für eine Buchpräsentation: Bauarbeiter mit Helm in der Hand und Arbeitshandschuhen in der hinteren Hosentasche holen sich in der Vormittagspause Currywurst mit Pommes, daneben spricht der Verlagsmann über die Auflage und der Autor über sein erstes Werk. Die Pommesbude kommt, an einen anderen Ort verpflanzt, in dem Buch vor, weil sie etwas Besonderes ist: Sie wurde von dem Banker Thomas Brauße gegründet. Er hatte sich schon immer geärgert, dass es rund um den Frankfurter Messeturm nichts Herzhaftes zu essen gab und wechselte in die Realwirtschaft, als er in der Finanzkrise 2008 arbeitslos wurde.

Markus Will (re.)

Buch-Präsentation in der Pommesbude: Autor Markus A. Will (rechts) und Ex-Banker Thomas Brauße.

Die Geschichte hat Markus A. Will gefallen, deshalb hat er sie in sein Buch aufgenommen, und deshalb hat er den Ort ausgewählt, um es zu präsentieren. "Bad Banker" (Friedrich Reinhardt Verlag, 730 Seiten, 19,80 Euro) erscheint pünktlich zum zweiten Jahrestag der Lehman-Pleite und hat das Zeug, zu einem der populärsten Bücher über die Finanzkrise zu werden. Es ist ein Krimi, der in den Jahren 2007 bis 2009 im Investmentbanking-Milieu spielt. Sein Handlungsrahmen ist die Realität, die wichtigsten Ereignisse dieser drei Jahre - von der IKB-Fastpleite bis zur Lehman-Pleite - spielen immer wieder in die erfundene Handlung hinein.

Im Mittelpunkt stehen die Carolina-Bank mit Sitz in London und New York und ihr Handelschef, der "General" Mitch Lehman, "gierig und geil", der für seine Bank Milliarden macht, dabei aber immer höhere Risiken eingeht. Seine rechte Hand ist die studierte Mathematikerin Isabella Davis, mit der er zu Studentenzeiten einmal etwas hatte. Sie strukturiert, verschachtelt und lagert Kredite in Zweckgesellschaften aus. Das geht so lange gut, bis es ernste Probleme auf dem US-Immobilienmarkt gibt. Da muss Isabella betrügen, zuerst mit Mitch, dann allein. Als alles auffliegt, haben sie einen Schaden von 50 Milliarden Dollar angerichtet.

Die Handlung ist garniert mit Verfolgungsjagden, Selbstmord, Mord und viel Sex. So hat man sich die Welt der Investmentbanker immer vorgestellt: Mitch hat noch nie ein Buch gelesen, aber er verfügt über mehrere hundert Millionen Dollar Vermögen, einen Privatjet, eine eigene Insel vor Hawaii und zwei Edelprostituierte, denen er je 15.000 Dollar pro Tag zahlt."Die Geschichte ist so nie passiert, aber sie hätte genauso passieren können", sagt Autor Will. Der gelernte Wirtschaftsjournalist war in den 90er Jahren fünf Jahre lang als Kommunikationschef von zwei Investmentbanken in London. Die Idee zu dem Buch sei ihm vor zwei Jahren auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gekommen, als er Freunden von seinen Erlebnissen aus seiner Londoner Zeit erzählte und diese immer faszinierter zuhörten. Will sieht seine Beschreibung der verkommenen Welt der Investmentbanker als Mahnung. "Ich will dazu beitragen, dass sich die Branche auf den 'Good Banker' besinnt, den ehrbaren Kaufmann, der seine Kunden kennt", sagt er.

In seinen Londoner Jahren hat Will den damaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer kennengelernt, zu dem er immer Kontakt hielt. Er gab Breuer sein Werk zu lesen, und der erklärte sich bereit, dafür zu trommeln. "Es ist eine spannend erzählte Story, die dem Finanzwesen einen entlarvenden Spiegel vorhält", sagte er, als er am Dienstag Abend in die Autorenlesung einführte.

Der Schweizer Reinhardt-Verlag hat von dem Krimi 20.000 Exemplare drucken lassen, was für ein belletristisches Werk viel ist. Der US-Verlagsriese Random House zeigt Interesse an einer Übersetzung ins Englische. Das Buch ist aus zwei Gründen lesenswert: Es ist spannend vom Anfang bis zum Ende, noch nie ist man bei der Aufarbeitung der Finanzkrise so gut unterhalten worden. Zum anderen erklärt es in verständlichen Metaphern die komplizierten Zusammenhänge der Finanzkrise mit ihren verschachtelten Produkten aus US-Immobilienkrediten, die sich wie ein Virus über den Erdball ausbreiteten.

Das Erklären scheint dem selbstbewussten Autor, der heute in Basel eine Kommunikationsberatung besitzt, zu liegen. "Schon in seinen frühen Jahren hat er als Praktikant den altgedienten Kollegen nach einer Woche erklärt, wie der Journalismus funktioniert", erinnert sich einer, der damals dabei war.

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