Finanzindustrie:Bankengewinne: Wo sind sie geblieben?

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Zeitenwende an der Wall Street und an anderen Finanzplätzen: Nach jahrelanger Renditehatz ist die Luft raus. Weltweite Finanzmarktreformen erzwingen mehr Bodenständigkeit.

Paul Katzenberger

Die Banken in den USA, aber auch in Deutschland erleben derzeit eine böse Überraschung. Ihre Geschäfte laufen zwar, aber längst nicht so gut wie noch im vergangenen Jahr - und auch nicht so einträglich wie erwartet.

Ein Händler an der "Wall Street": Die Finanzbranche steht nach Einschätzung von Experten vor dürren Jahren.  (Foto: AP)

Nachdem die Geldhäuser in der Finanzkrise weltweit von ihren Heimatstaaten gestützt werden mussten, waren die Umsätze wieder explodiert. Es lief teilweise wieder richtig rund. Dafür gab es mehrere Gründe: Die Staaten finanzierten den durch die Finanzkrise entstandenen Geldbedarf durch die Emission von Anleihen - und daran verdienten die Banken prächtig. Außerdem zogen die Börsen 2009 rund um den Globus deutlich an, auch davon profitierten die Finanzinstitute.

Geldhäuser wie Goldman Sachs, die in der Finanzkrise erhebliche Probleme bekommen hatten, verdienten wieder prächtig. Doch nun, nachdem die Rosskur nach dem Crash der US-Bank Lehman endgültig ausgestanden zu sein scheint, kommt es zu einer überraschenden Wende nach unten. Die Handelsvolumina gingen im Sommer so stark zurück, dass etliche Branchenanalysten inzwischen ihre Gewinnprognosen überdenken.

Rückläufiges Investmentbanking

Das Investmentbanking - der An- und Verkauf von Aktien und Anleihen sowie die Beratung bei Fusionen - bewegten sich auf einem Niveau, das deutlich unter demselben Zeitpunkt des Vorjahres liege, sagt die unabhängige Banken-Analystin Meredith Whitney der New York Times. Ihr Wort hat Gewicht: Die 40-Jährige war eine der Ersten, die die Subprime-Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt und ihre verheerende Auswirkung auf die Banken vorhersagten.

Weltweit liege die Zahl der Aktienemissionen um 15 Prozent unter dem Wert im September 2009, ermittelte die Beratungsfirma Capital IQ nach Angaben der New York Times. Der Verkauf neuer Anleihen sei sogar um 25 Prozent zurückgegangen. Aufgrund dieser Trends prognostiziert Expertin Whitney bei den Kernaktivitäten der Wall Street einen Jahresumsatz für 2010, der um gut 25 Prozent unter dem des Vorjahres liege: 42 Milliarden statt 59 Milliarden Dollar.

"Im dritten Quartal haben alle damit gerechnet, dass nach einem sehr schwachen Sommer das Geschäft wieder anzieht. Aber das ist nicht passiert, und diese Trägheit setzt jeden unter Druck", sagte Whitney der New York Times.

Goldman Sachs um ein Drittel niedriger

Den Auswirkungen dürfte sich nicht einmal Goldman Sachs entziehen können. Die Investmentbank hatte im ersten Quartal 2010 noch klotzig verdient, doch nach allgemeiner Einschätzung wird sich das Wachstum der Gewinne nun erheblich abschwächen. Bankenanalyst Keith Horowitz von der Citigroup erwartet einen Gewinn von 7,8 Milliarden Dollar für Goldman, das entspricht einem Rückgang von 35 Prozent gegenüber 2009. Damals verdiente die Investmentbank 12,1 Milliarden Dollar.

Die Deutsche Bank, die im weltweiten Investmentbanking mitmischt, zuletzt aber wieder stärker auf das klassische Kundengeschäft (Spareinlagen, Kredite) setzte, hatte für das erste Quartal überraschend gute Zahlen vorgelegt. Das dritte Quartal jedoch schließt sie wegen einer Abschreibung von 2,3 Milliarden Euro, die auf ihren Postbank-Anteil von knapp 30 Prozent fällig wird, mit Verlusten ab.

Neben den geringeren Umsätzen im Investmentbanking setzen die neuen Finanzmarktregulierungen die Banken unter Druck, die in der Folge der Finanzkrise beschlossen wurden.

Mit dem Verbot des Eigenhandels etwa, den der US-Kongress im Sommer beschloss und der bald in Kraft gesetzt wird, geht den amerikanischen Geldhäusern eine Quelle gigantischer Gewinne verloren.

Die vor einer Woche beschlossene Verschärfung der Eigenkapitalregeln ( Basel III) schließlich wird die Gewinne der Banken zudem weltweit unter Druck setzen: Wenn mehr Kapital vorgehalten werden muss, sinkt die Eigenkapitalrendite automatisch. Zwar wird es knapp zehn Jahre dauern, bis Basel III vollständig umgesetzt ist, doch viele Banken versuchen, sich schon im Vorgriff an die neuen Anforderungen zu halten.

Was dies für die deutsche Bankenlandschaft bedeutet, versucht derzeit offenbar die Bundesbank zu ermitteln und kommt dabei auf stolze Zahlen: Die zehn größten deutschen Banken benötigten wegen der Basel-III-Vorschriften circa 50 Milliarden Euro frisches Kapital, heißt es nach Angaben des Spiegels in einer vertraulichen Expertise der deutschen Zentralbank.

Bundesbank: Neue Geldquellen notwendig

Die Fachleute der Bundesbank hätten untersucht, wie sich die neuen Auflagen auf Banken mit einem Kernkapital von mehr als drei Milliarden Euro auswirken. Dazu zählen neben der Deutschen Bank und der Commerzbank auch Landesbanken wie die WestLB, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) oder die BayernLB.

Auf Basis historischer Daten kommen die Bundesbank-Experten dem Bericht zufolge zu dem Schluss, dass die Institute bis Ende 2019 etwas mehr als 40 Milliarden Euro durch einbehaltene Gewinne und Kapitalaufnahme von außen aufbringen können. Für den Rest müssten sie neue Geldquellen erschließen. Die Deutsche Bank hat bereits eine Kapitalerhöhung von fast zehn Milliarden Euro angekündigt, die aber überwiegend für die Übernahme der Postbank verwendet werden soll.

Als besonders kritisch gilt die Lage der öffentlichen Landesbanken. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will daher mit den Instituten in den kommenden Wochen mögliche Fusionsszenarien ausloten. Sein Kabinettskollege, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), sprach sich in der Bild am Sonntag für "maximal zwei Landesbanken" aus. "Eine Flurbereinigung ist überfällig." Er forderte die Bundesländer auf, sich auf eine solche Reform zu verständigen. Am Montag gab es bereits Berichte über eine Fusion von BayernLB und WestLB.

Zu wenig aus der Krise gelernt

Dürre Jahre sieht die US-Bankenanalystin Meredith Whitney auch auf die amerikanische Finanzbranche zukommen. Die Wall Street stehe vor einer Schrumpfkur in der Größenordnung, wie es sie zuletzt vor zehn Jahren beim Platzen der New-Economy-Blase gegeben habe. Ihrer Prognose zu Folge werden 40.000 bis 80.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren.

Whitney, die von der US-Zeitung New York Post zu den 50 mächtigsten Frauen New Yorks gewählt wurde, räumt ein, dass ihre Voraussage extrem klingt. Doch da sowohl Unternehmen als auch Konsumenten ihre Schulden zurückschraubten und die amerikanische Finanzmarktreform profitable Nischen wie den Eigenhandel oder die Konstruktion von Derivaten beschränkten, würden die Gewinne nicht mehr so wachsen können wie im vergangenen Jahrzehnt.

Im Klartext: Die Ära der Supergewinne ist vorbei. Das Casino muss schließen.

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