Finanzierung:Umschwärmte Häuser

The skyline of Berlin is pictured

Berlin bei Nacht: Am Immobilienboom möchten viele teilhaben, doch dafür sind große Summen nötig. Crowdinvesting steht dagegen auch Kleinanlegern offen.

(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Immobilienprojekte werden verstärkt durch Crowdfunding finanziert. Kleinanleger freuen sich über Renditen, aber es gibt auch viele Risiken.

Von Lars Klaaßen

Auch für Investoren kann Sozialismus sexy sein, zum Beispiel auf der Berliner Karl-Marx-Allee. Der 90 Meter breite Prachtboulevard entstand in den Fünfzigerjahren als städtebauliches Vorbild der jungen DDR. Seit 1990 unter Denkmalschutz, erstreckt sich das Ensemble schnurgerade über zwei Kilometer und wird von bis zu 13-stöckigen "Arbeiterpalästen" flankiert. An seinem westlichen Ende, dem Strausberger Platz, werden derzeit mit einem besonderen Finanzierungsmodell Hunderte Wohnungen als Investment angeboten.

Die Skjerven Group begann dort im Oktober mit dem Verkauf von 80 Eigentumswohnungen. Der zweite Verkaufsabschnitt umfasst 6355 Quadratmeter Mietfläche. Ebenfalls verkauft werden sieben Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss des Gebäudes. Insgesamt verfügt das Unternehmen über knapp 200 Wohnungen, also etwa die Hälfte des Bestandes am Platz. Vor dem Verkaufsstart wurden die Wohnimmobilien saniert. Über die Immobilien-Crowdfunding-Plattform iFunded.de investierten private Anleger gemeinsam mit institutionellen Investoren knapp eine Million Euro, unter anderem in die Restauration der historischen Fassaden.

"Durch die Schwarm-Anleger konnten wir nicht nur die Finanzierung vergleichsweise günstig realisieren. Wir stellen auch im Vertrieb positive Effekte fest", erklärt Einar Skjerven, Geschäftsführer der Skjerven Group. Das heißt: Die Objekte lassen sich leichter verkaufen. "Die Crowd hat für eine höhere öffentliche Wahrnehmung des Projekts gesorgt. Einige Crowd-Investoren überlegen nun sogar selbst, eine Eigentumswohnung zu erwerben, weil sie die intensive Auseinandersetzung mit ihrem Anlageobjekt überzeugt hat." Ab 250 Euro können Anleger hier einsteigen, nach 18 Monaten wird die Einlage zurückgezahlt, mit fünf Prozent Zinsen. Sechs Millionen Euro hat die Skjerven Group am Strausberger Platz über Banken finanziert und drei Millionen an Eigenkapital beigesteuert. Der Crowd-Anteil scheint mit einer Million Euro gering zu sein. Doch der Investor konnte sich so Eigenkapital sparen. Und der Anteil solcher Investment-Bausteine steigt im Immobilienbereich rasant. So hat der im Oktober veröffentlichte FAP-Spezial-Report "Real Estate Crowdinvesting" 47 Deals seit 2012 erfasst - davon wurden 60 Prozent in diesem Jahr realisiert.

Im ersten Halbjahr 2016 wurden deutschlandweit mehr als 10,5 Millionen Euro für Immobilienprojekte über Crowdfunding eingeworben. Damit sind Immobilien das stärkste Crowdfunding-Segment. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Erhebung von iFunded.de. Seit den ersten Immobilienprojekten, die zu Teilen von Kleinanlegern mitfinanziert wurden, hat sich das jährlich eingesammelte Kapital bis 2015 mehr als verzwölffacht.

"Immobilienanlagen sind im Niedrigzinsumfeld beliebt, weil sie noch vergleichsweise hohe Zinsen bieten. Herkömmliche Anlageformen, etwa geschlossene Immobilienfonds, sind für viele Menschen aber nur schwer zugänglich und oft erst ab fünfstelligen Beträgen überhaupt investierbar", sagt Michael Stephan, Gründer und Geschäftsführer von iFunded.de. "Immobilien-Crowdfunding ist so beliebt, weil es die Hürden für Anleger senkt und Immobilieninvestments einer breiten Bevölkerung eröffnet. Die Online-Abwicklung ist unkompliziert, und es fallen für den Anleger keine Gebühren an."

"Das Risiko, alles zu verlieren, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden."

Crowdfunding gewann anfangs vor allem bei der Finanzierung von Start-ups an Bedeutung. Hier liegt das Risiko für Investoren auf der Hand: Ein kleines Unternehmen, das sich auf Basis einer neuen Idee oder technischen Erfindung gründet, kann schnell scheitern - dann ist das Geld weg. Um Verbraucher besser vor Fehlinvestitionen am Grauen Kapitalmarkt zu schützen, hat die Bundesregierung das Vermögensanlagengesetz im vergangenen Jahr verschärft. Ausgenommen davon wurde aber Crowdinvesting, um Entrepreneuren die ersten Schritte bei der Finanzierung zu erleichtern. "Hier gelten großzügige Ausnahmeregelungen", erläutert Wolf Brandes, Finanzexperte von der Verbraucherzentrale Hessen. "Diese führen dazu, dass Crowdinvestings auch künftig ohne Prospekt agieren können. Damit erhalten Anleger keine ausreichenden Informationen." Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte sich dafür eingesetzt, keine Ausnahmen von der Prospektpflicht zu machen. Daneben hatten die Verbraucherschützer gefordert, Crowd-Plattformen nicht der Gewerbeaufsicht, sondern der Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu unterstellen.

Seit Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes im vergangenen Jahr müssen Anbieter einen Prospekt anfertigen und diesen von der Bafin genehmigen lassen, wenn 2,5 Millionen Euro Kapital oder mehr eingeworben werden. Für geringere Beträge reicht die Vorlage des Vermögensanlage-Informationsblatts, dessen Erhalt der Anleger bestätigen muss.

"Die Risiken sind Kleinanlegern oft nicht ersichtlich", kritisiert Brandes. Das gelte gerade in Segmenten, die vermeintlich sicher seien - etwa Immobilien. "Diese Anlagen sind nicht übers Grundbuch abgesichert, denn Crowdinvestment funktioniert als Nachrangdarlehen." Das heißt: Die Anleger werden erst nach den Forderungen anderer Gläubiger bedient. Der Reiz liegt andererseits darin, schon kleinere Summen für attraktive Renditen in kurzen Zeiträumen anlegen zu können. "Das ist aber nicht allzu viel, verglichen mit dem Risiko", wendet Brandes ein. "Und das Risiko, alles zu verlieren, kann eben nicht gänzlich ausgeschlossen werden."

Immer mehr Kleinanleger bewerten die Chancen aber offensichtlich größer als die Risiken: Bis heute habe "die Crowd" deutschlandweit Immobilienprojekte im Gesamtvolumen von 424 Millionen Euro mitfinanziert, heißt es in der iFunded-Studie. Im Erhebungszeitraum entspricht das einem eingesammelten Crowd-Kapital von 41 Millionen Euro. 13,3 Millionen Euro davon entfielen auf Hamburg, 7,4 Millionen Euro auf Berlin. Zwischen Hanse- und Hauptstadt postiert sich auf Platz zwei der Standort Weißenhaus in Schleswig-Holstein. Der dortige Ausbau eines Luxushotels ist mit 7,5 Millionen Euro das bisher größte Immobilienprojekt, das in Deutschland durch den Schwarm finanziert wurde.

Mit mehr als 30 Millionen Euro oder etwa 75 Prozent entfiel der Hauptanteil des eingeworbenen Kapitals bisher auf Wohnimmobilien. Circa 11,5 Millionen Euro entfielen auf Gewerbeimmobilien. Im Vergleich zu den drei Gewerbeobjekten, die durch Crowdfunding mitfinanziert wurden, sind die erfassten Wohnobjekte deutlich kleinteiliger. Auf 32 Objekte entfielen hier im Durchschnitt etwa 800 000 Euro.

Bei der Betrachtung des bisherigen Gesamtinvestitionsvolumens sind Wohnimmobilienprojekte noch deutlicher vorne: Während die Crowd Wohnimmobilien im Wert von 328 Millionen Euro mitfinanziert hat, waren es bei Gewerbeimmobilien nur 97 Millionen Euro.

Mit 27 Millionen Euro wurde das eingesammelte Geld der Kleinanleger für Neubauprojekte verwendet, die ein Gesamtinvestitionsvolumen von 219 Millionen Euro haben. Elf Millionen Euro wurden bisher für Sanierungs- oder Revitalisierungsprojekte im Immobilienbereich eingesetzt. Bei diesen Projekten lag das Gesamtinvestitionsvolumen bei 134 Millionen Euro.

In reine Bestandsimmobilien mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 72 Millionen Euro hat die Crowd bisher lediglich 3,3 Millionen Euro investiert. "Es ist zu erwarten, dass der Anteil Schwarm-finanzierter Bestandsimmobilien künftig steigen wird", sagt Stephan.

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