Finanzhilfen für Krankenhäuser:Regierung im Notarzteinsatz

Lesezeit: 3 min

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft beklagt sich über die nach eigenen Angaben miserable Lage der deutschen Kliniken. (Foto: dpa)

Den Krankenkassen geht es gut, den Krankenhäusern weniger. Union und FDP wollen die Kliniken in Deutschland mit insgesamt einer Milliarde Euro entlasten. Doch Kritiker warnen, dass die Hilfe falsche Anreize setzen könnte.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die schwarz-gelbe Koalition will die finanziell angeschlagenen Krankenhäusern in den kommenden Jahren mit insgesamt einer Milliarde Euro unterstützen. Rein rechnerisch kann dadurch jedes der gut 2000 Häuser zusätzlich mit etwa einer halben Million Euro rechnen. Der Großteil des Geldes soll in diesem und im kommenden Jahr fließen. Nach Worten von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) werden insbesondere die Kliniken auf dem Land von der Finanzspritze profitieren.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte seit Monaten für eine Aufstockung des Budgets der Kliniken geworben und dabei auf die angeblich katastrophale Wirtschaftslage verwiesen. Nach den Worten von DKG-Präsident Alfred Dänzer würden ohne zusätzliche Mittel in diesem Jahr die Hälfte der Kliniken mit einem negativen Geschäftsergebnis abschließen. Inzwischen drohe einzelnen Häusern sogar die Insolvenz, sagte Dänzer.

Viele Krankenhaus-Manager sehen sich gezwungen, Pfleger oder Schwestern zu entlassen, um ihre Kosten weiter zu drücken. Auch die jüngsten Lohnrunden setzen den Kliniken laut der DKG deutlich zu. Seit dem Jahr 2009 seien die Tariflöhne an den Kliniken um 15,9 Prozent angestiegen. Die von den Kassen gezahlten Preise seien aber nur um 8,7 Prozent angepasst worden.

Für die miserable wirtschaftliche Lage machen die Kliniken die Sparpolitik der Koalition verantwortlich. Zwischen 2011 und 2014 hätten die Kliniken gut zwei Milliarden Euro zur Finanzierung der Krankenkassen beigetragen, argumentiert die DKG. Diese bräuchten das Geld inzwischen aber nicht mehr. Tatsächlich schlummern derzeit etwa 28 Milliarden Euro an Finanzreserven im Gesundheitsfonds und bei den Kassen. Unter den Versicherern gibt es jedoch erhebliche Unterschiede: So gibt es einige Kassen, die auch derzeit alles andere als gut dastehen. Immerhin gelingt es allen Kassen, in diesem Jahr ohne Zusatzbeiträge über die Runden zu kommen.

Die Finanzlage im Gesundheitsfonds ist sogar so gut, dass die Koalition den staatlichen Zuschuss für das kommende Jahr noch einmal kürzen will. Statt wie geplant 14 Milliarden Euro zu überweisen, sollen es nun nur noch 10,5 Milliarden Euro sein.

Bahr und auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hatten sich auch mit Blick auf eine nachhaltige Finanzlage lange Zeit gegen zusätzliche Finanzhilfen für die Kliniken gesperrt. Die CSU drängt hingegen schon seit längerer Zeit auf ein Hilfsprogramm. Das Land Bayern hatte sogar eine entsprechende Bundesratsinitiative angestoßen. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Johannes Singhammer sprach daher von einem Erfolg seiner Partei. Auch Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber begrüßte den Kompromiss.

Konkret soll ein Mechanismus gelockert werden, der eine Art Kostenbremse für die Kliniken darstellt, die sogenannte doppelte Degression. Überschreitet ein Krankenhaus die zuvor vereinbarte Zahl an Fällen zum Beispiel bei Hüftoperationen, erhält es pro zusätzlichem Fall weniger Geld. Dieser Preisabschlag heißt Degression und kann bis zu 65 Prozent betragen. Zum doppelten Effekt kommt es, weil die Degression zugleich dafür sorgt, dass der durchschnittliche Fallpreis in den Folgejahren sinkt - und somit jeder Fall schlechter bezahlt wird als zuvor.

Darunter leiden dann auch Kliniken, deren Behandlungszahlen gar nicht über den vorgegebenen Werten lagen. Insgesamt beträgt derzeit die jährliche Einsparung durch die doppelte Degression etwa 600 Millionen Euro. Die Koalition will nun den zweiten Teil des Effektes der Ausgabenbremse lockern. Das heißt: Es soll auch künftig Abschläge für Mehrleistungen geben. Dies wird sich dann aber nicht mehr auf das allgemeine Preisniveau auswirken.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, bezeichnete dieses Vorgehen als fatal. Es gebe grob betrachtet zwei Bereiche, in denen die Behandlungszahlen stark anstiegen: Auf der einen Seite der sinnvolle Anstieg bei Krebsbehandlungen; auf der anderen Seite gebe es aber oft überflüssige Eingriffe bei Hüft- und Knieoperationen oder Herz-Katheter-Untersuchungen. "Wenn die Koalition beides gleichsetzt, bestraft sie die Krebsbehandlungen und belohnt die Kliniken, die zu viele überflüssige Leistungen bringen."

Auch der Spitzenverband der Krankenkassen äußerte sich kritisch zum Beschluss der Koalition. Die Mehrzahl der Kliniken fahre Gewinne ein. Es sei deshalb völlig falsch Weg, Hunderte Millionen Euro pauschal über alle Krankenhäuser auszuschütten. Auch die Krankenhaus-Gesellschaft zeigte sich unzufrieden. Zwar begrüßte die DKG die Hilfen, nannte sie aber unzureichend. Da die Kürzungen weiter in Kraft blieben, zahlten die Krankenhäuser die Finanzspritze im Ergebnis selbst.

© SZ vom 23.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: