Finanzhilfen für Irland:Wird sich die EU rächen?

Irland flüchtet sich unter den Euro-Rettungsschirm. Politiker fordern, dass Irland im Gegenzug für die Hilfen die niedrigen Steuersätze für Unternehmen erhöhen solle. Geht das überhaupt? Die wichtigsten Fragen zur Rettung im Überblick.

Lange haben sich die irischen Vertreter gegen Finanzhilfen der europäischen Staaten gewehrt - jetzt haben sie eingelenkt. Viele Politiker fordern nun Steuerreduzierungen, doch Irland wehrt sich vehement. Fragen und Antworten rund um den Rettungsbeschluss im Überblick.

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Lange zögerten die Iren - doch sie nehmen nun doch Finanzhilfe in Anspruch.

(Foto: ddp)

Irland wird Hilfen der Europäischen Union in Anspruch nehmen. Kann Brüssel nun Steuersenkungen verlangen?

Erst wurde mit Hilfe der EU-Strukturfonds Irland massiv gefördert, dann lockte Dublin die Unternehmen und Banken Europas mit den EU-weit günstigsten Steuersätzen auf die Insel und jetzt muss die Europa den "keltischen Tiger" mit vielen Milliarden Euro retten. Viele Politiker fordern, dass die klamme Republik im Gegenzug Steuersätze anheben müsse. Irlands Finanzminister Brian Lenihan lehnt das allerdings ab. Und die EU hat auch kaum Chancen, das durchzusetzen: Selbst wenn die EU-Staaten viele Kompetenzen an Brüssel abtreten mussten - in ihrer Steuerpolitik sind die Länder noch autonom. Hinzu kommt, dass die Iren ihre Zustimmung zum EU-Reformvertrag von Lissabon nur gaben, weil ihnen in einer separaten Klausel das Selbstbestimmungsrecht über die nationale Steuerpolitik zugesichert wurde. Darum gilt: Die EU kann zwar die Iren zwar drängen - verlangen kann sie eine Erhöhung der Steuersätze aber nicht.

Wie konkret ist die Entscheidung zur Rettung Irlands?

Die Finanzminister der Europäischen Union (EU) und die Vertreter der irischen Regierung verständigten sich lediglich auf den Modus, wie dem Inselstaat geholfen werden soll. Er bekommt Geld aus dem Rettungsschirm, der im Frühjahr als Konsequenz aus dem Griechenland-Desaster ins Leben gerufen wurde und der insgesamt 750 Milliarden Euro umfasst. Dazu werden bilaterale Hilfen der Nicht-Euro-Mitglieder Großbritannien und Schweden fließen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) wird sich mit Hilfen beteiligen. Irlands Finanzminister Brian Lenihan betonte zum einen, dass es um Kredite gehe, die nicht unbedigt abgerufen werden würden, und zum anderen, dass das Geld vor allem für die angeschlagenen Banken sei; Mittel für den Staatshaushalt könnten allerdings noch dazukommen.

Noch offen ist hingegen die konkrete Summe, die Irland benötigt. Lenihan spricht von "mehreren zehn Milliarden Euro", um die es gehe. Schon in den vergangenen Woche hatte der irische Zentralbankchef Patrick Honohan erklärt, er denke an eine Summe von "mehreren Dutzend Milliarden Euro". Experten erwarten, dass es um 80 bis 100 Milliarden Euro geht. Zum Vergleich: Griechenland benötigte im Frühjahr, als es noch keinen Rettungsschirm gab, 110 Milliarden Euro.

Wie sehr ist Deutschland betroffen?

Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist die Sache ganz einfach: "Wir haben eine gemeinsame Währung und damit eine gemeinsame Verantwortung. Wir müssen den Euro stabil halten", sagte der Minister in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Moment müssen die deutschen Steuerzahler nicht bluten. Problematisch könnte es erst dann werden, wenn Irland die Kredite für die Rückzahlung der Finanzhilfen eines Tages möglicherweise nicht mehr bedienen könnte. Schäuble zufolge sollen die Hilfen an "strenge Auflagen" gekoppelt werden.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bangt wegen der Irland-Krise nicht um die sich gerade erholte Konjunktur. "Sollten Hilfen für Irland fließen, werden diese den Aufschwung in Deutschland nicht gefährden", sagte Brüderle der Bild-Zeitung.

Wieso lenkten die Iren so spät ein?

Wenn ein Land Geld vom Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der EU haben will, muss es sich einem strengen Spardiktat unterwerfen: IWF und EU schreiben in einem solchen Fall vor, was die jeweilige Regierung zu tun hat, um die Finanzen wieder in Ordnung zu bringen. Das Land verliert erheblich an Souveränität. Genau das wollten die Iren vermeiden.

Deswegen argumentierten sie über Wochen - und, wie Lenihans Aussage verdeutlicht, im Kern auch jetzt noch - so, dass nur die Finanzinstitute Kredite nötig hätten. Doch dabei handelt es sich um einen Trick, denn faktisch ist das Land für seine Banken verantwortlich, es müsste also die Beträge selbst aufbringen. Hinzu kam folgender Aspekt: Am 25. November steht eine Nachwahl zum Parlament an, und die Regierung in Dublin fürchtete Stimmenverluste, wenn sie als Bittsteller in Brüssel auftreten muss. Dass die politische Komponente eine wichtige Rolle spielt, zeigte sich sofort nach Bekanntwerden der Entscheidung, den Rettungsschirm zu nutzen.

Wie tief steckt Irland in der Klemme?

Um das marode Bankensystem vor dem Kollaps zu retten, hatte die Regierung in Dublin massive Hilfen geleistet. Die Anglo Irish Bank sowie die beiden Bausparkassen Irish Nationwide und EBS wurden verstaatlicht, bei der Bank of Ireland ist der Staat inzwischen Minderheitsaktionär. Die Bürgschaft, die die Regierung unter Premierminister Brian Cowen für den Bankensektor des Landes zugesagt hat, beträgt mittlerweile 350 Milliarden Euro.

Für ein Viereinhalb-Millionen-Volk ist dies eine enorme Belastung, was sich am Staatsdefizit zeigt. Für 2010 schoss es auf mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an, wodurch die Vorgabe des Euro-Stabilitätspaktes um mehr als das Zehnfache überschritten wird. Gleichwohl betonte bis Sonntag Irland immer wieder, derzeit kein frisches Geld zu brauchen.

Wichtig ist aber: Anders als Griechenland gibt es bei den Iren keinen akuten Zahlungsengpass, weil das Land seine Schulden gerade refinanziert hat.

Wie geht es weiter?

Derzeit analysieren noch Experten der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) den irischen Haushalt. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte das noch zwei Wochen dauern. Bereits am Mittwoch will die irische Regierung ihr konkretes Sparpaket vorstellen. Vertreter der Eurozone erhöhen bereits den Druck, dass das auch tatsächlich so kommt.

Wenn die Hilfssumme exakt feststeht, könnten die Kredite aus dem Euro-Rettungsschirm binnen vier bis fünf Wochen fließen. Konkret würde die Hilfe in zwei Schritten ablaufen: Zunächst bekäme Irland Geld aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), der durch den EU-Haushalt garantiert wird und Kredite bis zu 60 Milliarden Euro umfasst. Der Chef des EFSM ist übrigens ein Deutscher, der frühere Finanzstaatssekretär Klaus Regling.

Sollte das Geld aus diesem Topf nicht ausreichen, kommt die Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF) zum Einsatz. Darunter versteht man die bilateralen Kreditgarantien der Euro-Staaten über 400 Milliarden Euro. Dazu kommen 250 Milliarden Euro Kreditmöglichkeiten vom Internationalen Währungsfonds.

Der Schutzschirm gilt aber nur für drei Jahre, bis Mitte 2013. Danach soll es einen neuen, dauerhaften Krisenmechanismus für Notfälle geben. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte schon mehrfach, dass ihrer Meinung nach dann nicht nur die Staaten, sondern auch private Gläubiger einspringen müssen.

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