Finanzberatung:Warum Banker oft in Rätseln sprechen

Neu gestaltete HVB-Bankfiliale

Beraterin mit Kunde: Manchmal können sich Banker nicht klar ausdrücken, manchmal wollen sie aber auch nicht.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Viele Bankkunden haben Probleme, Sprache und Fachbegriffe ihrer Bankberater zu verstehen.
  • Das Problem betrifft mündliche und schriftliche Beratung.

Von Felicitas Wilke

Es ist kurz vor Feierabend in einer Münchner Bank. An einem Automaten druckt ein Kunde seinen Kontoauszug aus, am Schalter berät eine lächelnde Bankkauffrau ihr Gegenüber. Ein Plakat am Fenster verspricht, "unser Wissen in Ihre Hände" zu geben. Doch nicht immer ist das, was die Banken wissen, für ihre Kunden auch verständlich. Zum Beispiel dann, wenn von einer "Portfolio-Zusammensetzung" die Rede ist, die eine "konsequente Bottom-up-Strategie mit Diversifikation, dynamischer Asset-Allokation und Risikobegrenzung" verbindet.

Es sind Fachbegriffe wie diese, lange Sätze oder Schachtelkonstruktionen, die dazu führen, dass Kunden die Sprache der Banken nicht verstehen. Das weiß Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. Er untersucht seit vielen Jahren, wie sich Banken und andere Unternehmen nach außen hin mitteilen.

"Verständliche Sprache ist nicht nettes Beiwerk, sondern entscheidend, um Vertrauen bei den Kunden aufzubauen", sagt Brettschneider. Dennoch schnitten in einer Studie, die der Wissenschaftler im vergangenen Jahr veröffentlichte, viele der 62 untersuchten Banken schlecht ab. So waren die Produktinformationsblätter der WGZ-Bank voll mit Sätzen von mehr als 20 Wörtern Länge. Die SKG-Bank rief mit ihren "Frequently Asked Questions", also Antworten zu häufig gestellten Fragen, bei den Lesern eher Unverständnis hervor. Und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Institute erreichten auf einer Skala von 0 für sehr schwer verständlich bis 20 für sehr leicht verständlich im Schnitt gerade einmal 3,45 Punkte. "Eine Doktorarbeit in Politikwissenschaften erreicht einen ähnlichen Wert", berichtet Brettschneider.

"Bottom-up-Strategie, dynamische Asset-Allokation und Risikobegrenzung" - alles klar?

Was für Bankangestellte zum Grundwortschatz gehört, können Kunden häufig nicht verstehen, weiß der Kommunikationswissenschaftler. Für die Banken sei es wiederum oft eine Herausforderung, Fachbegriffe in verständliche Sprache zu übersetzen. "Das geht schon mit Worten wie dem Saldo los", sagt der Professor, "es gehört schon ein bisschen Übung dazu, zu erläutern, was das ist." Je mehr Einfluss die Kommunikationsabteilung in einem Unternehmen habe, desto eher klappe es auch mit guten Texten, erklärt er.

Doch nicht nur schriftlich, sondern auch im persönlichen Gespräch kommunizieren Banken oft falsch, findet Brettschneider. Für den Experten ist es die Summe aus vielen vermeintlichen Kleinigkeiten, die darüber entscheidet, ob sich ein Verbraucher im Gespräch gut aufgehoben fühlt. "Kunden empfinden eine Beratung als schlecht, wenn ihr Gegenüber ungeduldig ist oder sie nicht ausreden lässt", weiß Brettschneider. Und wie in der schriftlichen Kommunikation seien auch in der persönlichen Beratung die vielen Fachbegriffe ein Problem.

"Kunden, die nur Bahnhof verstehen, sollten den Berater wechseln"

Niels Nauhauser ist Bankenexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und sieht zwei Gründe für die häufig verworrene Sprache der Banken. Einerseits müssten die Kreditinstitute vor allem beim Kleingedruckten haftungssicher formulieren, damit im Fall der Fälle vor Gericht alles juristisch eindeutig ist. Haftungssicherheit gehe aber oft mit Schachtelsätzen einher. Ein zweiter Aspekt: "Oftmals wird die Sprache von den Anbietern benutzt, um Schwächen der eigenen Produkte zu überdecken, Gegenfragen gar nicht erst zuzulassen oder die eigenen Vorteile umzusetzen", sagt der Verbraucherschützer. Kommunikationsfachmann Brettschneider rät Banken, einen Schritt weiter zu denken. "Vertrauen entsteht vor allem gegenüber Personen und weniger zu Institutionen", sagt der Professor. Und nicht nur für den Ruf des Unternehmens sei eine klare Sprache wichtig, sie spare darüber hinaus auch Kosten. "Wenn die Leute verstehen, was sie lesen, gibt es deutlich weniger Anrufe im Call-Center", sagt Brettschneider.

Der Wissenschaftler hat die Erfahrung gemacht, dass einige Banken, etwa die Sparkassen, schon länger auf einen verständlichen Ausdruck setzen, während andere "ihre unverständliche Sprache mit ihren Kunden rechtfertigen". Doch auch formal gebildete und wohlhabende Verbraucher haben bei so manchem Anglizismus Verständnisprobleme, weiß Brettschneider aus Studien. Beim "Wealth Management", der Verwaltung großer Vermögen, hätten viele Kunden an eine "Mischung aus Wellness und Gesundheit" gedacht.

Auch die Deutsche Bank hat das "Wealth Management" im Angebot. Trotzdem stufe sie "hohe Qualitätsstandards in der schriftlichen und mündlichen Kundenkommunikation" als sehr wichtig ein, wie ein Sprecher des Unternehmens sagt. Die Bank bilde ihre Mitarbeiter weiter, damit sie lernen, sich verständlich auszudrücken. Neben Schulungen und Workshops entscheidet aber vor allem die gelebte Kultur im Unternehmen darüber, wie verständlich eine Bank ist, findet Kommunikationsexperte Brettschneider. "Wenn man den Mitarbeitern vermittelt, dass Klartext und Kommunikation auf Augenhöhe wichtige Werte sind, macht das einen entscheidenden Unterschied", ist er überzeugt. Ist das nicht der Fall, hat Verbraucherschützer Nauhauser einen deutlichen Rat: "Kunden, die nur Bahnhof verstehen, sollten den Berater wechseln." Wer das nicht will, solle beim Gespräch in der Bank mitschreiben und nachfragen, sobald etwas unklar ist. "Man könnte auch ein Tonband mitlaufen lassen, aber nicht, ohne den Berater vorher zu fragen", sagt Nauhauser.

Nicht immer liegt es aber an der Sprache, wenn Berater und Kunde in der Bankfiliale nicht zueinander finden. Monika Müller schult als Coach Finanzberater, die das Gefühl haben, in Gesprächen mit Kunden nicht immer die richtigen Fragen zu stellen. Dabei geht es ihrer Erfahrung nach auch um unterschiedliche Wahrnehmungen. "Zwischen Beratern und Kunden gibt es eine Informationsasymmetrie", erklärt die Diplom-Psychologin. Die Kunden kennten weder den Bankangestellten noch sein Angebot. Gleichzeitig wisse der Berater nicht, wie seine Kunden Finanzentscheidungen treffen und welche Emotionen sie dabei leiten.

"Mit einem reinen faktischen Rat können Emotionen nicht überschrieben werden", findet Müller. Um mehr über die Kunden zu erfahren und ihnen Unsicherheit zu nehmen, müssten Berater mit ihrer Klientel über Finanzentscheidungen in der Vergangenheit sprechen - und darüber, was damals weniger gut gelaufen ist und jetzt besser gemacht werden kann. "Der Kunde sollte der Sparringspartner des Beraters sein", sagt Müller, und das funktioniere am besten, wenn der Bankangestellte sein Gegenüber "nicht nur als Vermögen, sondern als Entscheider" wahrnehme.

Verbraucherschützer Nauhauser findet, dass Sprache nicht alles ist. "Primär geht es um die Inhalte und ob der Kunde mit der Finanzlösung zufrieden ist", sagt er. Allerdings deutet eine verschwurbelte Sprache oft darauf hin, dass auch mit dem Inhalt etwas nicht stimmt.

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