Finanzberatung:"Banken werden zu Drückerkolonnen"

Verkaufen auf Teufel komm' raus: Banken zwingen ihre Mitarbeiter, bestimmte Produkte an den Mann zu bringen. Manchmal geht es dabei zu wie in der Hölle.

H. Freiberger

Die Gewerkschaft Verdi ist entsetzt über einen Trend, der bei den Banken um sich greift: Die Institute setzen ihre Mitarbeiter zunehmend unter Druck, Produkte zu verkaufen. "Die Banken werden immer mehr zu Drückerkolonnen", kritisierte Uwe Foullong, der im Verdi-Bundesvorstand für die Finanzbranche zuständig ist, am Freitag. Früher hätten Versicherungsvertreter einen miserablen Ruf gehabt, inzwischen seien die Mitarbeiter von Banken auf dem besten Weg, es ihnen gleichzutun.

Finanzprodukte, Banken, Foto: istock

Bankmitarbeiter werden von ihren Vorgesetzten häufig unter Druck gesetzt, denn sie sollen verkaufen - oft zum Nachteil des Kunden.

(Foto: Foto: istock)

Schuld an dem Zustand sind nach Ansicht der Gewerkschaft die strengen Vorgaben von oben. "Die Geschäftspolitik vieler Banken ist: Verkaufen auf Teufel komm' raus", sagte Foullong. Dahinter steckten überzogene Renditeziele. Die Mitarbeiter litten unter den Zuständen. Die meisten von ihnen seien aus einem Berufsethos heraus Bankkaufleute geworden: Sie wollten den Kunden unabhängig beraten und ihm die besten Produkte anbieten. Eine bundesweite Befragung von Verdi bei Bankangestellten ergab, dass 95 Prozent der Bankangestellten so ticken. Die Verkaufsvorgaben verhinderten aber unabhängige Beratung.

Erst der Druck, dann das Magengeschwür

Den Trend bestätigen auch die Verbraucherzentralen. "Den Druck, den früher nur Drückerkolonnen und Klinkenputzer hatten, üben heute ganze Finanzorganisationen auf ihre Mitarbeiter aus", sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. Ein Beweis dafür seien die Sparkassen in Hamburg und Frankfurt, die ihren Kunden massenhaft Lehman-Zertifikate andrehten. "Mir tun die Mitarbeiter leid, die diesen Müll verkaufen müssen, um an ihrem Arbeitsplatz klarzukommen", sagt Castello.

Der Druck führt nach ihrer Erfahrung bei vielen zu Krankheiten wie Magengeschwüren und Schlaflosigkeit. Bei anderen melde sich das schlechte Gewissen. "In regelmäßigen Abständen kommen zu uns Bankangestellte, die fragen, ob sie bei der Verbraucherzentrale arbeiten können, weil sie nicht mehr Produkte verkaufen wollen, von denen sie wissen, dass sie für den Kunden schlecht sind."

Wie in der Hölle

Auch nach den Erkenntnissen von Verdi leiden die Mitarbeiter zunehmend unter dem psychischen Druck. Anonym teilten Beschäftigte der Gewerkschaft mit, wie schlimm die Lage an ihrem Arbeitsplatz ist. "Der Verkaufsdruck ist unerträglich geworden. Bei manchen Führungskräften hat man den Eindruck, dass sie am liebsten schlagen würden, wenn sie es dürften", schrieb ein Beschäftigter. In einem anderen Brief hieß es: "Es ist die reine Vertriebshölle, ich frage mich, wie lange ich das noch aushalte, ohne krank zu werden."

Der reinste Psychoterror

In manchen Banken ist der Druck so groß, dass "die Mitarbeiter wöchentlich oder sogar täglich vor allen anderen gefragt werden, warum sie ihre Vorgaben nicht erfüllen", sagt Foullong. Es sei der reinste Psychoterror. Wer nicht genug Produkte verkaufe, dem drohe der Vorgesetzte mit Konsequenzen, bei vielen gehe die Angst um, den Job zu verlieren.

Die Erkenntnis der Gewerkschaft ist für die Finanzbranche von Brisanz, weil sie häufig damit wirbt, ihren Kunden unabhängige Beratung zu bieten, zum Beispiel mit Worten wie "Beraterbank" oder "maßgeschneiderte Produkte". "Meistens sind das leere Marketingfloskeln", sagt Foullong. In Wirklichkeit drängten die Institute ihre Mitarbeiter dazu, ein bestimmtes Produkt zu verkaufen, weil dabei die Gewinnmarge besonders hoch ist. Mit den Bedürfnissen des Kunden habe das gar nichts zu tun.

Die Gewerkschaft startet nun das Projekt "Verkaufsdruck, nein danke". Sie fordert von den Banken unabhängigere Beratung, eine bessere Qualifizierung der Mitarbeiter und mehr Teamarbeit. "Die Banken müssen jetzt die Wende einleiten", sagt Foullong. Denn alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass sie nichts aus der Finanzkrise gelernt haben und genauso weitermachen wie davor.

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